«Alles wird nun islamisiert»

Christen im Nahen Osten sorgen sich um ihre Zukunft

«Wir wollen nicht Flüchtlinge sein, sondern in Frieden und mit vollen Rechten und Pflichten in unserem Land leben», sagte Rosangela Jarjour von der Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen im Nahen Osten am europäischen Protestantentreffen in Florenz.
Friedliches Zusammenleben zwischen Islam und Christentum? (Foto: iStockphoto)

Noch nie hätten Christen im Nahen Osten eine «so schlimme Situation» erlebt, sagte die aus Homs in Syrien stammende Generalsekretärin des nahöstlichen Kirchendachverbandes. Der Alltag von Christen, die vorher in Sicherheit leben konnten, sei nun von Angst bestimmt. Sie müssten erleben, dass sie ihre Religion nicht mehr ausüben könnten. Persönliche Freiheitsrechte oder das Rederecht würden weggenommen – «alles was vorher säkular war, wird nun islamisiert».

Christen fühlen sich «vom Westen vergessen»

In Ägypten seien über 50‘000 Christen seit Beginn der Revolution geflohen, sagte Jarjour am 22. September in Florenz. Ihre eigene Familie habe die Heimatstadt Homs verlassen müssen. «Christen haben ihre Häuser, Geschäfte und Kirchen verloren, es wurde geplündert, vieles ruiniert oder verbrannt», berichtete Jarjour. Sie zeigte den Delegierten auch erschütternde Bilder von zerstörten Kirchen.

Die syrische Christin appellierte an die Kirchen im Westen, «ihre prophetische Stimme zu erheben und nicht einfach ihren Regierungen zu folgen». Es gehe darum, «auch in Syrien nach der Wahrheit zu forschen und mehr zu sehen als das, was im Fernsehen gezeigt wird». Im Nahen Osten hätten Christen das Gefühl, sie würden vom Westen vergessen. Doch «der Rest der Christen wird ausgelöscht, wenn das so weitergeht», warnte Jarjour. Die Fellowship of Middle East Evangelical Churches mit Sitz in Beirut vertritt rund 2 Millionen Mitglieder aus 17 lutherischen, reformierten und anglikanischen Kirchen.

Syrien als Spielball fremder Mächte

Zur Entstehung des syrischen Bürgerkriegs sagte Jarjour, die Manifestationen, die friedlich begonnen hätten, seien schnell in Gewalt umgeschlagen. «Viele von uns glauben nicht, dass dies von Menschen innerhalb des Landes kommt.». Anfänglich seien Christen und Muslime gemeinsam auf die Strasse gegangen, doch als die Gewalt zunahm, hätten sich viele Christen zurückgezogen. «Das war keine Bewegung des Volkes mehr, Syrien wurden zum Spielfeld für alle möglichen Kräfte von aussen», konstatierte die Generalsekretärin und zeigte sich überzeugt, Demokratie könne «nicht durch Waffen und Geld aus Saudiarabien oder Qatar geschaffen werden».

Christen wollen bleiben – mit Pflichten und Rechten

Viele Christen wollen laut Jarjour im Land bleiben: «Wer immer auch Syrien regieren wird, soll uns Christen einfach Freiheit einräumen, Sicherheit geben und Frieden ermöglichen.» Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE hatte Rosangela Jarjour zu ihrer Vollversammlung in Florenz eingeladen. Damit habe man die Verbundenheit mit den protestantischen Kirchen im Nahen Osten zum Ausdruck bringen wollen, sagte GEKE-Präsident Thomas Wipf.

Datum: 27.09.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / GEKE

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