Gazastreifen

Christen unter der Hamas-Diktatur

Mit voller Wucht überrollte die Hamas den Gazastreifen. Sie eroberte den Regierungssitz und baute eine Militärdiktatur auf. Das Volk leidet. Auch die Christen. Jesus.ch war im August 2006 vor Ort und erhält zur Zeit Informationen von Beobachtern vor Ort.
Frauen müssen bekleidet ins Meer, viele Männer tun es ihnen gleich (Fotos: Irene Gerber).
Die gelben Flaggen der Hamas haben mittlerweile die grünen der Fatah verdrängt.
Was hier wohl abgesprochen wird? Szene nahe der israelischen Grenze am Rande eines Kampfes gegen den ungeliebten Nachbar.
Neugierige Kinderaugen in Gaza.

Im Westen des Gazastreifens schmiegt sich eine gut ausgebaute Strasse entlang dem Mittelmeer. Als Augenweide entpuppt sich der Ausblick auf Strand und Meer. Die Palästinenserinnen sind angehalten, vollbekleidet im Ozean zu baden.

Vorbei an Villen, Strandclubs und Ständen, an denen man wohlriechende, geröstete Nüsse kaufen kann, erreicht man Gaza-Stadt.

Eine hupende Blechlawine quetscht sich durch die staubigen Strassen, die Verkehrsregeln werden archaisch ausgelegt. Dann muss ein mehrstöckiges, schmuckes Haus grossräumig umfahren werden. Eine Sicherheitstruppe kontrolliert die Gegend. "Hier lebt der mächtigste Mann der Welt", sagt ein palästinensischer Christ. "Er kann den dritten Weltkrieg ins Rollen bringen", kommentiert er die Residenz von Mahmoud Abbas, dem palästinensischen Regierungschef der gerade ein Friedensabkommen zwischen Fatah und Hamas verkündet hat; die Hamas war wenige Monate zuvor an die Spitze gewählt worden. Israels Krieg gegen die Hizbollah wurde wenige Tage zuvor beendet.

Die Geister sind ausser Kontrolle

Mehrere einheimische Christen liessen sich im Mittelmeer taufen, zwei von ihnen dienten früher in der Hamas, einer in einem Kassam-Team, jene Einheiten, die den ungeliebten jüdischen Nachbarn mit Raketen beschiessen.

"Es ist jetzt nicht mehr so schlimm, wie vor einem Monat, da war viel Lärm und unser Kind hatte Angst", schilderte ein einheimischer Christ. "Es gab viele Probleme auf der Strasse." Jetzt ist der Krieg zurück in Gazas Gassen. Nicht weil Fatah-Führer Abbas ihn ausgelöst hätte um ein Zeichen der Macht zu setzen und Israel in einen Taumelbecher der Gewalt gerissen hätte. Im Gegenteil. Der grimmige Stern der Hamas ist aufgegangen, die gerufenen Geister sind ausser Kontrolle geraten. Unbarmherzig zettelte die "Partei Allahs" einen Bürgerkrieg an und riss die Macht an sich, Abbas löste die Regierung auf.

Attackierte Christen

Kein Jahr ist seit der Taufe der mutigen Christen vergangen. "Jeder von ihnen bezahlte seinen Glauben mit Angriffen. Einer wurde von einem Imam angefahren und bedroht, wenn er nicht abschwöre, werde er beim nächsten Mal getötet", schildert ein Bewohner der im südlichen Teil des Streifens lebt. Auch die Baptisten-Gemeinde in Gaza-Stadt sei überfallen worden, die Eindringlinge hätten Geräte gestohlen. "Wir hoffen, dass die elektronischen Teile nun nicht zum Bau von Waffen eingesetzt werden."

INFO - Die palästinensischen Kräfte

In den palästinensischen Gebieten ringen verschiedene Gruppen um Macht. Ihre Credos sind verschieden - ein Kampf der Bekenntnisse. Jesus.ch entschlüsselt die wichtigsten Kräfte. Dazu gehören zum Beispiel die beiden Linksfronten DFLP und PFLP, die 1970 auch arabische Staaten angriffen und verkündeten, sie würden das "reaktionäre, imperialismusfreundliche jordanische Regime" stürzen wollen, und sie behaupteten auch gleich noch, dass "der Weg nach Tel Aviv über Amman, Beirut und Kairo" führe.

Fatah: 1959 von Jassir Arafat gegründet, die Guerilla sollte Palästina im Kampf befreien. Der Name: "Harakat at-Tahrir al-Falastin - Bewegung für die Befreiung Palästinas". Zuerst kämpften die Mitglieder als Guerilla, später griff die Truppe auch zum Terror. Gehört zu den dominierenden Kräften in den palästinensischen Gebieten, in Gaza von der Hamas aber zurückgedrängt.

Hamas: Hervorgegangen aus der Moslembruderschaft, im Westen bekannt durch Selbstmordattentate, im Nahen Osten auch als wohltätige Organisation. Verlangt eine Zerstörung Israels und will den jüdischen Staat durch einen islamischen Gottesstaat sunnitscher Prägung ersetzen. 1988 gegründet. Richtet knapp 20 Jahre später im Gazastreifen eine Militärdiktatur auf.

PFLP ("Popular Front for the Liberation of Palestine"): marxistisch-leninistische Gruppe, 1967 gegründet, führt bis heute regelmässig Attentate gegen Israelis durch. Bei den Wahlen ins palästinensische Parlament im Januar 2006 erhielt sie 4,25 Prozent der Stimmen und ist mit drei Abgeordneten vertreten. Bekannt wurde sie unter anderem 1970 durch die Entführung dreier Flugzeuge. Die Maschinen der Swissair, Pan Am und TWA wurden auf dem stillgelegten Flugfeld "Dawson's Field" in Jordanien festgehalten und später gesprengt. Die PFLP nannte den Platz um in "Flugplatz der Revolution".

PFLP-GC (PFLP-Generalkommando): Pro-syrische Abspaltung der PFLP. Wegen dem Namen manchmal fälschlich bezeichnet als PFLP-Führung. 1969 gegründet, einst vom früheren syrischen Offizier Ahmed Jibril geführt, sprengte sie in Avivim einen israelischen Schulbus in die Luft, zwölf Menschen starben, darunter acht Kinder.

DFLP ("People's Front for the Liberation of Palestine"): Pro-syrische Abspaltung der PFLP; 1969 gegründet, ihr Sitz ist heute in Damaskus. Diese Linksfront sprach von einer Zweistaatenlösung, ganz im Gegensatz zu den anderen Mächten in den 1970er Jahren. Verübte kurz vor dem "Schwarzen September" einen Anschlag auf Jordaniens König Hussein. DFLP-Führer Nayef Hawatmeh träumte damals davon, die Regimes der arabischen Hauptstädte zu stürzen. Verübt seither kleinere Bombenanschläge.

Schwarzer September: Abspaltung der Fatah. Im September 1970 wurde die PLO brutal aus Jordanien vertrieben (in der PLO waren damalige Guerilla und andere Gruppen zusammengefasst, Arafat war der Vorsitzende). Der Name wurde Programm für eine gleichnamige Terror-Gruppe, berüchtigt wurde sie durch Geiselname und Morde an israelischen Sportlern an der Sommer Olympiade 1972 in München. Heute nicht mehr aktiv.

Islamischer Jihad: Erschien 1983 auf der Bildfläche mit einem Bombenanschlag auf die US-Botschaft in Beirut. Die sunnitische und dennoch pro-iranische Partei hat ihren Hauptsitz ebenfalls in Damaskus.

Al-Aksa-Märtyrerbrigaden: Entstand 2002, kurz nach Beginn der zweiten Intifada, steht der Fatah nahe. Versprach, als Guerilla gegen das israelische Militär zu kämpfen, griff aber auch Zivilisten an. Nach Arafats Tod verkündeten die Brigaden, nun unter dem Namen Brigaden des Schahid Yasir Arafat zu operieren.

Al-Saiqa (der Sturm): Militant-sozialistische Gruppierung, die von der syrischen Baath-Partei unterstützt wird, seit 1968.

ALF ("Arabian Liberation Front"): Von der irakischen Baath-Partei gegründet 1969.

PLF ("Palestine Liberation Front"): Pro-irakische Abspaltung von der PFLP, ebenfalls seit 1969.

PCP ("Palestinian Communist Party"). 1982 gegründet, aus ihr ging neun Jahre später die PPP ("Palestinian People's Party") hervor.

Force 27 (ehemals "Blitz"): In den 1960er und 1970er Jahren führte der "Blitz" als Eliteeinheit der Fatah Anschläge durch. Als Arafat viele Jahre später aus dem tunesischen Exil zurückkam, machte er aus dieser Truppe die "Force 27", eine Sonderpolizei für ihn persönlich.

NDC ("National Democratic Coalition"): 1991. National-liberal.

FIDA ("Palestine Democratic Union"): Pro-israelische Abspaltung der DFLP, ebenfalls 1991.

Datum: 22.06.2007
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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