Umstrittenes Gesetz

Polygamie in Kenia erlaubt – oder wie man eine Entscheidung unangreifbar macht

Geplant war etwas völlig anderes: Die Situation der kenianischen Frauen sollte verbessert werden. Sie sollten als Erbinnen besser dastehen und mehr Mitspracherechte erhalten, falls ihre Männer eine weitere Frau heiraten wollten. Jetzt wurde in Kenia die Vielehe gesetzlich erlaubt. Die rudimentären Rechte der Frauen wurden noch weiter beschnitten – und das auch noch im Namen der Bibel!
Hauke Burgarth

332 der 417 kenianischen Parlamentarier sind Männer. Und diese verabschiedeten in parteiübergreifender Einmütigkeit ein neues Gesetz, das es Männern in Kenia zukünftig erlaubt, beliebig viele Frauen zu heiraten. Dabei müssen sie ihre erste Gattin nicht einmal fragen. Dieses Gesetz wurde jetzt von Präsident Uhuru Kenyatta unterzeichnet.

Gesellschaftliche Massstäbe

Bereits vor der gesetzlichen Neuregelung war Polygamie für etliche Volksgruppen des ostafrikanischen Landes gesellschaftliche Realität. Weil aber bis jetzt nur die erste Frau eine Heiratsurkunde bekam und damit Besitz- oder Erbansprüche geltend machen konnte, sollte nachgebessert werden. Das Gegenteil ist nun geschehen. Statt die Rechte der Frauen zu stärken, haben diese jetzt keinerlei Veto-Recht mehr – wie ursprünglich vorgesehen. Die 85 Parlamentarierinnen des kenianischen Parlaments hatten nach heftigen Diskussionen zwar unter Protest den Plenarsaal verlassen, doch das hinderte die Männer nicht, ihre Wünsche gesetzlich festzuschreiben. Der Abgeordnete Junet Mohammed verteidigte laut der Süddeutschen Zeitung das einstimmige Votum mit den Worten: «Wenn man eine afrikanische Frau heiratet, muss sie wissen, dass eine zweite und dritte folgen wird. Das ist Afrika.»

Kommentar von Hauke Burgarth:

Biblische Massstäbe…
Mehr als 80 Prozent der 43 Millionen Einwohner Kenias sind Christen. Vor diesem Hintergrund bekommt das Gesetz einen besonders negativen Beigeschmack. Dieser wird noch dadurch verstärkt, dass viele Parlamentarier für ihre Entscheidung auch noch die Bibel bemühten. Mit Blick ins Alte Testament betonten sie, dass Polygamie nicht nur afrikanisch, sondern «biblisch» sei. So unterstrich der Mehrheitsführer im Parlament, Aden Duale, dass weder König David noch König Salomo irgendjemanden um Erlaubnis gefragt hätten, ehe sie weitere Frauen heirateten.

…und die Versuchung, sie zu missbrauchen
Aus westlicher Sicht wirkt dies wie ein Anachronismus – und ist es sicher auch. Ohne dies zu relativieren, muss man sich allerdings bewusst machen, dass dieselben Mechanismen, eine Entscheidung zu treffen und durchzusetzen, bei uns auch funktionieren. Im Rückblick ist es kaum noch vorstellbar, dass Christen die Sklaverei 1'700 Jahre lang für normal und «biblisch» hielten. Dass die Apartheid in Südafrika erst 1994 endete. Und dass Themen wie Gleichberechtigung, Frauenwahlrecht oder die Akzeptanz leitender Mitarbeiterinnen in Kirche und Gemeinde erst innerhalb der letzten 100 Jahre ernsthaft diskutiert wurden. Wer hier seine Position zementieren möchte, der gebraucht gern das Argument: «Aber es steht doch schon in der Bibel …». Wohl uns, wenn wir es schaffen, die Bibel als echte Grundlage zu sehen, und nicht als Waffe missbrauchen. Und wenn wir es lernen, kulturelle Zugeständnisse an vergangene Gesellschaftsformen von dem zu unterscheiden, was mit dem Geist des Evangeliums nicht vereinbar ist.

Datum: 05.05.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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