Sex-Skandal: Der Vatikan entmachtet Bischof Krenn

Bischof Krenn mit dem neuen Visitator Klaus Küng

Was schon beim Pädophilie-Skandal in den USA deutlich wurde, hat sich in St. Pölten bestätigt: Der Vatikan handelt. Und greift durch, wenn das Ansehen der katholischen Kirche kontinentalen Schaden nimmt. Der führende Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner spricht von einem Super-GAU.

Als vor Jahren die Vertuschungs- und Beschönigungsversuche mehrerer US-Bischöfe und Kardinäle offensichtlich wurden, zitierte sie die Kirchenleitung nach Rom. In der Folge trat der Kardinal von Boston zurück. Nun wird dem Ortsbischof Krenn ein Apostolischer Visitator vor die Nase gesetzt, eine äusserst seltene Massnahme. Der damit beauftragte Feldkircher Bischof Klaus Küng hat fortan nicht nur im Priesterseminar, sondern in der ganzen Diözese St. Pölten das Sagen und gibt direkt dem Papst Rechenschaft. Bischof Krenn ist faktisch entmachtet.

Der Visitator hat die Aufgabe, sich möglichst zügig über alle Vorgänge zu informieren und darauf zu dringen, dass die Ordnung der Weltkirche in der Diözese und besonders im Seminar respektiert und wieder eingeführt wird. Mit der Bestellung des Visitators sei auch die von Krenn selbst eingesetzte Untersuchungskommission für das Priesterseminar hinfällig, sagte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn gemäss der NZZ. Während der Visitation müssen alle wichtigen Entscheidungen in der Diözese mit dem Visitator abgesprochen werden.

Die Betrauung von Bischof Küng mit der Visitation ist laut Schönborn sehr hilfreich, weil der Vorarlberger Küng «mit der gewissen alemannischen Nüchternheit und Effizienz gerüstet sei». Bischof Krenn mochte die Massnahme der Presse gegenüber nicht kommentieren. Bischof Küng sprach in einer ersten Stellungnahme von einer «delikaten und diffizilen Aufgabe».

Was im Priesterseminar unter Erwachsenen an homosexuellen Anzüglichkeiten und Praktiken abging, ist strafrechtlich nicht relevant. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft einen Strafantrag gegen einen 27-jährigen polnischen Priesterseminaristen angekündigt, auf dessen Festplatte man zahlreiche pornografische Darstellungen mit Unmündigen fand.

Der Vatikan-Kenner Hanno Helbling kommentiert in der NZZ, die Kirchenleitung habe die Notwendigkeit eines solchen „Paukenschlags“ offenbar kommen sehen. Ausgewählt wurde der ehemalige Regionalvikar des Opus Dei, „den nicht einmal Bischof Krenn als Progressiven verdächtigen kann“.

Das „reaktionäre Treiben Krenns“ werde von vielen Katholiken seit langem als Provokation empfunden. Das Seminar (das die andernorts übliche Probezeit nicht kennt) habe entsprechenden Zulauf gehabt. Laut Helbling dürfte Krenn „seinen Rückhalt in Rom falsch eingeschätzt“ haben.

Helbling verweist auf die tieferliegende Problematik: Die römisch-katholische Kirche sei „in einige Bedrängnis geraten, da sie nicht davon ablässt, die Homosexualität zu verteufeln, und gleichzeitig von einem Skandal in den andern gerät, weil sich viele Angehörige einer rein männlichen und zur Ehelosigkeit verpflichteten Priesterschaft ‚unnatürlich’ verhalten.“

Quellen: Livenet/NZZ

Datum: 24.07.2004
Autor: Peter Schmid

Werbung
Livenet Service
Werbung