Gemeinsam für Menschenwürde und soziale Rechte: die Kirchen Österreichs zur Verfassungsreform

Wiener Parlament

Die christlichen Konfessionen in Österreich haben am Freitag bei einer Anhörung des Verfassungs-Konvents im Parlament ihre gemeinsame Stellungnahme zur Verfassungsreform abgegeben – eine Première in der Geschichte des Landes.

Die Menschenwürde - "die für die Christen in der Gottebenbildlichkeit des Menschen begründet ist" - sei heute vielfach gefährdet, halten die Kirchen fest. Trotzdem gebe es bisher in der österreichischen Verfassung noch keine Norm, die "ausdrücklich den Schutz der Menschenwürde garantiert und für den Einzelnen durchsetzbar macht". Daher plädieren die christlichen Kirchen für die Aufnahme eines entsprechenden Grundrechts in die neue Verfassung.

Als Formulierung schlagen sie vor: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen". Diese Formulierung bringe eine Begrenzung des staatlichen Handelns zum Ausdruck und begründe Schutzpflichten etwa im Bereich der Biotechnik. In diesem Zusammenhang wünschen die Kirchen nachdrücklich die Ratifikation der Bioethik-Konvention des Europarates.

Geschwisterlichkeit

Zusätzlich zur Achtung der Menschenwürde sollte die neue österreichische Verfassung nach Meinung der Kirchen auch Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit sowie soziale Grundrechte in der Verfassung festschreiben. folgende weitere Grundwerte verankern.

Der reformierte Landessuperintendent Peter Karner verwies in seiner Rede darauf, dass die Geschwisterlichkeit die Verantwortung für die Mitmenschen, den Nächsten, hervorhebe. Dies beziehe sich auf die persönliche, die gesellschaftliche und die staatliche Verantwortung in gleicher Weise. Nach wie vor sei Österreich „säumig“ in der Erneuerung der Grundrechte und Menschenrechte, betonte Karner.

Beitrag der Kirchen zum Gemeinwesen anerkennen

Der lutherische Bischof Herwig Sturm forderte im Parlament, „die besondere Identität der Kirchen und Religionsgemeinschaften“ anzuerkennen. Der besondere gesamtstaatliche kirchliche Beitrag für das Selbstverständnis Österreichs schliesse andere Quellen nicht aus. Dennoch bedürfe dieser kirchliche Beitrag der „Pflege und Anerkennung“, so Sturm, „weil der Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht schaffen kann.“

Zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs – dank einer Frau

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn betonte vor dem Konvent seine Freude darüber, dass es "gelingen konnte, in der Frage der Verfassungsreform ein einheitliches Votum aller beteiligten Kirchen zu Stande zu bringen". Der Kirchenfürst dankte in besonderer Weise der Vorsitzenden des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Christine Gleixner, die als Konventmitglied die Initiative für eine gemeinsame Stellungnahme der Kirchen ergriffen hatte.

Gemeinsame Stellungnahme der Kirchen: http://www.evang.at/dokumente/reden/_img/kirchen_konvent.pdf

Datum: 25.11.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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