Wolfgang Huber

Einblicke ins Leben einer prägenden Persönlichkeit

Er startete als linker Sozialethiker und galt am Schluss seiner Amtszeit als höchster Protestant in Deutschland oft als Verbündeter von Christen der Deutschen Evangelischen Allianz. Philipp Gessler, Redaktor der Berliner «taz», hat eine spannende Biografie über Wolfgang Huber geschrieben.
Wolfgang Huber
Biografie Wolfgang Huber

Wolfgang Huber war die glanzvolle Karriere in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nicht in die Wiege gelegt. Er startete mit dem Makel, Sohn eines Vaters zu sein, der in den 30er Jahren als Rechtsgelehrter den Nazis mit gefälligen Rechtsgutachten zu Hilfe eilte. Diese Hinterlassenschaft beschäftigte Vater Ernst Rudolf und Sohn Wolfgang noch Jahrzehnte, und sie fanden darin erst spät den Frieden.

Kein frommes Elternhaus

Das unheilvolle Erbe hinderte Wolfgang Huber aber nicht daran, zum christlichen Glauben zu finden, obwohl sein Elternhaus ihm dabei keine grosse Hilfe war. Ein Kapitel ist allein dieser Frage gewidmet. Entscheidend war die Herausforderung für ihn, bei den christlichen Pfadfindern Bibelarbeiten zu machen. Dabei stellte er fest, dass ihm die eigentliche Grundlage dafür fehlte. Nachdem er sich für den Glauben entschieden hatte, etwas später auch für das Theologiestudium, ging er mit ganzer Kraft einen zielgerichteten Weg, der ihn erst zum Professor für Sozialethik, später zum Bischof von Berlin-Brandenburg und schliesslich zum Vorsitzenden des Rates der EKD machen sollte. Grosses Vorbild war für ihn Dietrich Bonhoeffer (Kirche für Andere sein), dem er einen grossen Teil seiner Arbeit als FEST-Institutsmitarbeiter und als Theologieprofessor widmete. Hinter dem Kürzel FEST verbirgt sich die «Forschungsstätte der Evangelischen Studentengemeinde».

Grosses Themenspektrum

Philipp Gessler hat das Buch streng strukturiert und verbindet trotzdem immer wieder ganz Persönliches mit Sachthemen. Er beschreitet das ganze Spektrum der Themen, die Wolfgang Huber während seines Lebens beschäftigt haben und zu denen er immer wieder kompetente Positionen formulierte. Dieses Engagement hat allein bei Livenet 274 Artikel hinterlassen. Die Themen reichen von Arbeiten über Krieg und Frieden, das Engagement der Kirchen in Gesellschaft und Politik bis hin zur Auseinandersetzung mit dem Islam und die Fragen um Lebensanfang und Lebensende.

Wolfgang Huber und die Evangelikalen

Ein Kapitel ist der Auseinandersetzung mit den evangelikalen Christen gewidmet («Die Evangelikalen und der Kirchenmann»). Sie war anfänglich spannungsgeladen, weil Wolfgang Huber als Repräsentant des linken Flügels des Protestantismus galt. Philipp Gessler schildert namentlich die Auseinandersetzung von idea-Gründer und Chefredaktor Helmut Matthies mit Huber. Diese habe Matthies in eine gesundheitliche Krise getrieben. Doch später, als Huber EKD-Vorsitzender war, wurde das Verhältnis zunehmend lockerer, und es kam zu einer deutlichen Annäherung der Positionen, zum Beispiel im Umgang mit Homosexualität oder Abtreibung. Auch die in Deutschland geltende restriktive gesetzliche Regelung zur Suizidhilfe am Lebensende geht massgeblich auf das Engagement von Wolfgang Huber zurück. Denn dieser unterhält nach wie vor beste Beziehungen zur politischen Elite in Deutschland. Das Vorwort zum Buch schrieb notabene der aktuelle Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Huber ruft Parzany nach Berlin

Huber prägte auch den Begriff der «Selbstsäkularisierung» der evangelischen Kirche, die er rückgängig machen wollte. Dazu stiess er eine grosse Reform der EKD an. Huber wollte mit der Kirche mitten in der Gesellschaft stehen, aber jederzeit auch einen christlichen Standpunkt einbringen können. «Kirche und Öffentlichkeit» war ein Kernthema von Huber. Aber auch für die Evangelisation machte er sich stark. Er berief im Jahr 2006 zum Beispiel Pro Christ Hauptredner Ulrich Parzany für regelmässige Predigten an die prominente Berliner «Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche».

Einmalige Persönlichkeit

Die Biografie über diesen hochbegabten Menschen mit grossem Verantwortungsgefühl liefert viel Erhellendes auch über die Entwicklung der Ökumene, die politischen Auseinandersetzungen um Südafrika oder Nordkorea sowie der Umgang mit dem Islam. Geschrieben ist es von einem Journalisten, der sich auch als Kirchenkenner ausweisen kann. Vieles kommt sehr kompakt daher, wird dafür nie langweilig oder ausufernd.

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Datum: 11.09.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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