Berber

Zwangsjacke und Missionsverbot für Christen in Algerien

Wer es liest, ist schockiert: Ein Erlass des algerischen Staatspräsidenten Bouteflika beschneidet die religiöse Freiheit der Nicht-Muslime in Algerien massiv. Die Christen, namentlich die Berber, zahlen den Preis für den Versuch Bouteflikas, die gewaltbereiten Islamisten mit dem Regime zu „versöhnen“.
Staatspräsident Bouteflika
Notre Dame d'Afrique - Kirche in Algier.
Hafen von Algier.

Die Berber in der gebirgigen Kabylei sind vom algerischen Regime seit Jahrzehnten einerseits vernachlässigt (Infrastruktur, Arbeitsplätze) und anderseits unterdrückt worden. Das unübersehbare Wachstum christlicher Gruppen und Gemeinden unter den Berbern geht einher mit dem zwischendurch aufflammenden Widerstand dieser vorarabischen, auf ihrer Sprache und Kultur beharrenden Bevölkerung – Widerstand gegen die Islamisierung und Arabisierung des Staates.

Winzige Minderheit

Der Islam ist die Staatsreligion Algeriens. In der 130 Jahre dauernden französischen Kolonialherrschaft entstanden in den Städten kleine christliche Gemeinden und Ordensgemeinschaften, die ins Volk hinaus wirken. Seit den 80er Jahren weist die Berber-Bewegung zunehmend christliche Farbtupfer auf, was den Machthabern Sorge machen muss: Die Berber stellen etwa 30 Prozent der 30-Millionen-Bevölkerung Algeriens.

Der von Bouteflika am 28. Februar unterzeichnete Erlass passierte Mitte März beide Kammern des Parlaments, das keine Änderungen anbringen konnte. Der Staat gibt sich als Beschützer der „nicht-muslimischen Kulte“ aus – gegenüber den Forderungen der Islamisten. Eine Durchsicht des Textes zeigt, wie Algier des (aus dem Ausland geförderten) christlichen Booms in den Berber-Bergen Herr werden will:

Christen in Gebäuden eingeschlossen

Künftig muss die Nutzung eines Gebäudes für Gottesdienste von einer neu zu schaffenden nationalen Kommission gestattet werden (Art. 5, 9). Nur vom Staat zugelassene und beaufsichtigte „Vereinigungen religiösen Charakters“ dürfen Gottesdienste durchführen (Art. 6) – und dies allein in dafür bestimmten Gebäuden, welche öffentlich zugänglich und von aussen als Gottesdienstorte kenntlich sind (Art. 7).

Die Gottesdienste müssen in Gebäuden stattfinden, öffentlich sein und zuvor angezeigt werden (Art. 8). Diese Bestimmungen erinnern an Stalin: Die Christen werden in bestimmten Gebäuden eingeschlossen und der Staat will alle ihre Versammlungen kontrollieren können.

Detaillierte Strafbestimmungen

Die Strafen bei Zuwiderhandlung mögen nicht so schwer ausfallen wie zu Sowjetzeiten, aber sie müssen algerischen Christen Furcht einflössen. Die „Dispositions pénales“ gehen ins Detail:

Wer in irgendeiner Weise – namentlich in den Gotteshäusern – andere dazu aufruft oder anstiftet, sich gegen Gesetze und behördliche Weisungen zu wenden, muss mit 1-3 Jahren Haft rechnen; wenn er Geistlicher ist, mit 3-5 Jahren (Art. 10).

Mission unter Muslimen verboten

Der Artikel 11 enthält die Kernbestimmung – ein Missionsverbot: „Wer einen Muslim anstiftet, zwingt oder mit verführerischen Mitteln beeinflusst, zu einer anderen Religion überzutreten“, muss mit 2-5 Jahren Haft rechnen. Das Gleiche wird denen angedroht, die Dokumente „egal in welcher Form herstellen, verteilen oder lagern, die zum Ziel haben, den Glauben eines Muslims ins Wanken zu bringen“.

Stopp für ausländische Reiseprediger

Die Strafartikel 12 und 13 untersagen die unkontrollierte Annahme von Spenden, das Halten von Gottesdiensten entgegen den obigen Bestimmungen (z.B. im Freien) und das Predigen ohne ausdrückliche Erlaubnis von Kirchenleitung und staatlicher Obrigkeit. Ausländer, die gegen das Gesetz verstossen, müssen mit Haft und mindestens zehn Jahren Landesverweis rechnen (Art. 14).

Den Vereinigungen, denen Verstösse nachgewiesen werden, drohen vielfache Bussen, die Beschlagnahmung ihrer Gebäude, Gottesdienstverbote und die Auflösung (Art. 15). Der Erlass tritt Ende August 2006 in Kraft (Art. 16).

Christen alarmiert

Ein mit Algerien vertrauter Kirchenleiter sieht den Erlass als Gesetz, „mit dem man jeder Gemeinde das Genick brechen kann“. Anderseits zeige sich auch der Anspruch des Regimes, die Christen vor der Gewalt der Islamisten zu schützen.

Die Christen im Land sind alarmiert, da das Regime im Zug der „Versöhnung“ mit den Islamisten sich dazu bereit erklärt hat, 2000 Militante (Heilsfront FIS, auch GIA) aus der Haft zu entlassen. Die ersten kamen Anfang März frei. Eine Gläubige äusserte, man habe Platz geschaffen, um Christen einzukerkern…

Datum: 11.04.2006
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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