Carla Del Ponte: „Vatikan deckt Kriegsverbrecher“

Carla Del Ponte
Ante Gotovina: Der als Kriegsverbrecher angeklagte Ex-General wird von Nationalisten in Kroatien weiterhin als Held gefeiert.

Die Chefanklägerin des Haager Uno-Kriegsverbrechertribunals, die Schweizerin Carla del Ponte, wirft der katholischen Kirche in Kroatien und dem Vatikan vor, einen hochrangigen Kriegsverbrecher zu decken.

Sie sei sicher, dass sich Ex-General Ante Gotovina in einem kroatischen Kloster versteckt halte, sagte del Ponte in einem Interview der britischen Tageszeitung "Daily Telegraph".

Der Vatikan könne ihrer Überzeugung nach "binnen weniger Tage" ausfindig machen, um welchen Konvent es sich handle. Stattdessen sei sie über Monate auf eine "Mauer des Schweigens" gestossen. Auch ein Gespräch mit Vatikan-Aussenminister Erzbischof Giovanni Lajolo sowie ein direkter Appell an Papst Benedikt XVI. seien ohne Ergebnis geblieben. Daher habe sie sich jetzt entschlossen, die Angelegenheit publik zu machen.

Hindernis für EU-Beitritt

Der 49-jährige Ex-General Ante Gotovina ist seit 2001 auf der Flucht. Ihm werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Krieg zwischen Serbien und Kroatien Anfang der 1990er Jahre zur Last gelegt. Die USA haben umgerechnet 3,5 Millionen Franken Kopfgeld auf seine Festnahme ausgesetzt. Nationalisten in Kroatien feiern den in Den Haag angeklagten Gotovina nach wie vor als Helden.

Die EU hat die "volle Zusammenarbeit" Kroatiens mit dem Haager Tribunal - und damit die Auslieferung Gotovinas - zur Vorbedingung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gemacht. Die Gespräche sollten eigentlich bereits Mitte März beginnen. Sprecher der EU-Kommission erklärten, sie wollten die Vorwürfe del Pontes prüfen.

"Als Katholikin sehr enttäuscht"

Del Ponte sagte dem "Telegraph", als Katholikin sei sie vom Verhalten des Vatikan "sehr enttäuscht". Lajolo habe sogar ihre Bitte um einen Informationsaustausch in der Angelegenheit abgelehnt. Auch ihrer Aufforderung, der Vatikan möge eine Aussage des Bischofs von Gospic und Senj zurückweisen, sei nicht entsprochen worden.

Bischof Mile Bogovic hatte das Haager Tribunal als "politisches Gericht" bezeichnet, das die Vergangenheit Kroatiens verdrehen wolle. Gotovina sei ein "Symbol des Sieges". Lajolos Antwort lautete nach Aussage del Pontes, der Heilige Stuhl habe keine direkte Autorität über einzelne Bischöfe.

Vatikan weist Vorwürfe zurück

Der Vatikan hat Vorwürfe der Chefanklägerin am Uno-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien, Carla Del Ponte, zurückgewiesen, die Kirche decke einen hochrangigen kroatischen Kriegsverbrecher. Bislang habe der Vatikan nicht die erbetenen Hinweise und Indizien der Den Haager Behörde erhalten, dass General Ante Gotovina "in bestimmte Kirchengebäude in Kroatien" geflohen sei, erklärte Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls am Dienstag. Entsprechende frühere kirchliche Untersuchungen seien ergebnislos verlaufen.

Aufgrund neuer Angaben hätte sich der vatikanische Aussenminister, Erzbischof Giovanni Lajolo, erneut an die zuständigen kirchlichen Stellen wenden wollen, hob Navarro hervor. Im übrigen habe Lajolo der Chefanklägerin bei einer Begegnung deutlich gemacht, dass das Staatssekretariat "nicht ein Organ des Heiligen Stuhles sei, das institutionell mit dem Tribunal zusammenarbeiten" könnte, stellte Navarro klar.

Datum: 21.09.2005
Quelle: Kipa

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