Neuer Tiefpunkt

Gleich 100 Menschen auf einmal vor Blasphemie-Anklage

Eine kuriose Blasphemie-Anklage sorgt für einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte dieses leidbringenden, pakistanischen Gesetzes. Der Aufruf erfolgte, gleich 100 Menschen auf einmal einzukerkern. Dies weil sie auf einer Beerdigung gebetet hatten.
Muslime in Pakistan (Symbolbild)

Auf der Abdankung des Anwalts und Aktivisten Asma Jahangir beteten Frauen und Männer gemeinsam, bis jemand das «gemischte Gebet» als blasphemisch deklarierte. «Der Mann, der nun die Anklage einzugeben versucht, könnte noch weiter gehen und es als Sünde darstellen, dass Frauen bei einer Beerdigung dabei sind», sagt Bruce Allen von «Forgotten Missionaries International» (FMI). «Es ist bereits ein Tabu in der pakistanischen Kultur, dass eine Frau bei der Beerdigung bis ans Grab geht, auch wenn manche Islam-Lehrer sagen, dass dieser Bann nicht im Sinne Mohammeds sei.»

Grundsätzlich gilt gegenwärtig in Pakistan, dass Frauen nicht an Beerdigungen teilzunehmen haben.

Auch politische Komponente

Der gegenwärtige Versuch, gleich hundert Menschen auf einmal hinter Gitter zu bringen, beinhaltet auch eine politische Komponente von ultra-orthodoxer Seite. Ziel ist, das Blasphemie-Gesetz hochzuhalten. «Sogar auf parlamentarischer Ebene wurde zuletzt über Reformen gesprochen. Auf den Strassen wurde dagegen während Wochen protestiert», so Allen.

Die betroffenen hundert Personen wären Muslime. Das Blasphemie-Gesetz trifft rund zur Hälfte Menschen muslimischen Glaubens. Da Christen und Hindus nur je rund zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen, sind sie insgesamt jedoch weit überproportional vertreten. Egal wen eine Anklage trifft und wie es um die «Schuldfrage» steht: Auch bei einem völligen Freispruch sind die Betroffenen anschliessend nicht sicher vor der Lynchjustiz durch aufgewiegelte Mobs.

«Viele wissen nicht, was im Koran steht»

Pakistan gehört neben Indonesien zu den Ländern mit der grössten islamischen Bevölkerung (mehr als in Ägypten und dem Iran zusammen). Dennoch verstehen die meisten Pakistaner nicht arabisch und können den Koran deshalb nicht im Originaltext lesen – und Übersetzungen werden letztlich als nicht legitim anerkannt. «Aus diesem Grund wissen viele Muslime in Pakistan nicht, was der Koran wirklich sagt», bilanziert Allen. «Sie werden primär von muslimischen Leitern geführt, die sagen, was sie zu tun haben.» Dies führe zu einer Blindenführung, welche auch zu aufgestachelten Mobs – zum Beispiel bei Blasphemiefällen – führen könne.

Anders sehe es für die Christen aus, die täglich in der Bibel lesen und Andacht haben können. Die Botschaft der Liebe kann auch in Pakistan Erzürnte überführen. Bruce Allen: «'Lasst sie uns bombardieren und in der Hölle brennen' – das ist nicht das, was Jesus tun würde. Er sagt: 'Ich liebe dich so sehr, dass ich meine Liebe sogar zeige, während sie noch Sünder sind. Ich will für sie ans Kreuz gehen und ihre Strafe tragen.'»

Zum Thema:
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Datum: 04.03.2018
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet / Tribune / MNN

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