Christen unter massivem Druck

Die staatsmännischen Visionen von Scheich Mujibur Rahman, sein Land Bangladesch zum Schmelztiegel für Menschen verschiedener Religionen zu machen, scheinen sich zu zerschlagen. Islamisten predigen Hass und suchen die Konfrontation mit Andersgläubigen. Die Christen im südasiatischen Staat stehen unter massivem Druck.

Der südasiatische Staat Bangladesch grenzt im Westen, Norden und Osten an Indien und im Süden an den indischen Ozean. Mit einer Fläche von 144‘000 Quadratkilometern ist er mehr als dreimal so gross wie die Schweiz, weist aber mit 147 Millionen Einwohnern eine rund zwanzigmal grössere Bevölkerung auf!

Bangladesch gehört zu den dichtest besiedelten Staaten der Welt und zu den ärmsten: Vielerorts klopft der Hunger an die Hüttentüren; Unzählige leben in Slums. Die Analphabeten-Rate liegt bei 60 Prozent, die Lebenserwartung bei 61 Jahren. Das Land, das nur wenig über dem Meeresspiegel liegt, wird immer wieder von Stürmen, Überschwemmungen, Dürren, Krankheiten und politischen Unruhen heimgesucht. Der Klimawandel trifft die Menschen in diesem subtropischen Land hart.

Die Leute leben in ständiger Angst vor Flutkatastrophen. Eine Furcht, die durch den verheerenden Zyklon im November 2007 zur schrecklichen Wirklichkeit wurde. Der Sturm fordert über 5‘000 Todesopfer und machte Hunderttausende obdachlos.

"Heimstatt für Muslime, Hindus, Buddhisten und Christen" ...?

Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Gebiet des heutigen Bangladesch britische Kolonie. 1947 teilte man das Land: Westbengalen kam zu Indien, Ostbengalen zu Pakistan. 1971 führte die Ausrufung der Unabhängigen Republik Bangladesch zum Bürgerkrieg mit Westpakistan. 1975 fiel der "Gründervater der Nation", Scheich Mujibur Rahman, einem Attentat zum Opfer.

In seinen letzten Lebensjahren hatte er sich zum Ziel gesetzt, Bangladesch zur "Heimstatt für Muslime, Hindus, Buddhisten und Christen" zu machen. Anfänglich funktionierte das Zusammenleben verschiedener Religionen recht gut. 1988 rief der Staat den Islam zur Staatsreligion aus. Heute bestehen die religiösen Minderheiten aus Hindus (9 Prozent), Buddhisten (0,7 Prozent) und Christen (0,3 Prozent). Von den rund 500‘000 Christen sind rund 300‘000 Katholiken.

Nach dem Tod des "Scheichs" im Jahr 1975 wurde die Situation für die Christen immer schwieriger. Der Druck islamischer Fundamentalisten nimmt zu. Sie predigen Hass, suchen die Konfrontation mit Andersgläubigen, und es kommt zu blutigen Übergriffen. So plünderte eine von Islamisten aufgewiegelte Menge ein katholisches Mädcheninstitut und die St.-Thomas-Kirche in der Hauptstadt Dhaka und bedrohte Priester und Gläubige. Die grösste bisherige Gewaltaktion islamistischer Kräfte ereignet sich am 17. August 2005, als im ganzen Land gleichzeitig über 400 Bombenanschlägen verübt wurden. Das Resultat: Drei Tote und Hunderte von Verletzten.

20‘000 Kinderbibeln auf Bengalisch

In dieser schwierigen Situation bemüht sich die katholische Kirche um interreligiösen Dialog und gegenseitiges Verständnis. Seit 1974 unterstützt das internationale katholische Hilfswerk Kirche in Not in Bangladesch Priester, Ordensleute und Laien sowie den Bau von Kirchen, Kapellen, Klöstern, Pfarrei- und Laien-Ausbildungszentren. Unter anderem hat das Hilfswerk den Bau einer Kapelle in Chowdour mitfinanziert, einer Gemeinde mit 500 Katholiken, deren Anzahl stetig zunimmt. Zudem stellt es den sechs Diözesen von Bangladesch 20‘000 Kinderbibeln in Bengalisch zur Verfügung. Das Hilfswerk hat in den letzten fünf Jahren rund eine halbe Million Franken in Bangladesch aufgewendet.

BBC-Infos über Bangladesch

Autoren: Lucia Wicki und Balz Röthlin

Datum: 16.05.2008

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