Mein Wille geschehe!?
Endlich Pastor einer grösseren Gemeinde. Nun kann es losgehen! Jahrelang habe ich darauf hingearbeitet, gehofft und gebetet und nun sitzen wir bei der Ältestenklausur. Die Grundlagen sind in den letzten Jahren gelegt worden. Nun soll der grosse Wurf kommen – so zumindest meine Vorstellung. Ich spüre die Last der Erwartung, die ich mir selber auferlegt habe.
Falsch abgebogen
Nach einem guten Start am Freitag folgt ein mühsamer Samstag. Am Abend sind wir hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben. «Dann muss ich es halt am Sonntagmorgen durchbringen», denke ich. Wir starten mit guten Ideen, nur einer der Ältesten, der auch noch Protokoll schreibt, will nicht mitgehen. Immer wieder hat er Einwände. So langsam platzt mir als cholerisch begabter Mensch der Kragen: «Du meinst wohl, dass du mit dem Protokollschreiben hier die Macht in der Hand hast? Muss es immer darum gehen, was du verstehst und gut findest?», höre ich mich ihm etwas lauter zurufen. Nun verstummt nicht nur mein Freund, sondern auch alle anderen. Anspannung im ganzen Raum. Ich merke, dass ich hier aufs falsche Gleis abgebogen bin und den Zug nicht mehr anhalten kann. Dabei wollte ich doch nur gute Ergebnisse abliefern. Irgendwie bekommen wir die Klausur zu Ende, aber schon bald danach wird klar, dass meine konstruktive Leidenschaft für die gute Sache destruktive Folgen für die Beziehungen mit sich bringen kann. Es war MIR wichtiger, ans Ziel zu kommen, als GEMEINSAM voranzugehen.
Learnings
Im Laufe der nächsten Wochen sind einige Gespräche nötig: Klärung und vor allem die Bitte um Vergebung. Was ich daraus lerne?
1. Ich darf Ziele haben und diese auch verfolgen. Ziele sind gut. Aber «Gottes Methode sind Menschen», sagt ein Bekannter sehr gerne. Ich darf die Menschen mitnehmen, sie gewinnen und sie führen. Und wenn die anderen noch nicht da sind, dann hat es meistens gute Gründe. Das gibt Zeit zur Reife und zur Klarheit. Gott will mit uns zum Ziel kommen, nicht ohne uns.
2. Ich darf Fehler machen. Klingt sehr einfach. Aber da ich oft auf Harmonie bedacht bin, halte ich mich zu oft zurück. Ich darf und will aber weiterhin mutig sein. Vorangehen. Gross denken. «Wer viel macht, der macht auch viele Fehler», heisst es. Ich will lieber mutig selber Fehler machen, weil ich aktiv bin, als aus der zweiten Reihe über die Fehler anderer zu meckern.
3. Ich darf um Vergebung bitten, wo ich andere verletzt habe. Beziehungen leben von Vergebung. Und je inniger eine Beziehung ist, desto mehr Gnade braucht sie.
4. Ich darf mich annehmen. Ich habe eine cholerische Veranlagung, wenn ich in Fahrt bin. Damit muss ich leben lernen. Gerne wäre ich geduldig, langmütig und von grosser Güte. Stattdessen bin ich oft übereifrig, ungeduldig und unbarmherzig. Und so bleibt mir nur, mit diesem «Pfahl im Fleisch» zu leben. Und ausreichend Sport zu machen, kann einen viel relaxter machen…
Heute ist besagter Protokollschreiber übrigens einer meiner besten Freunde. Das lerne ich auch: Ehrliche Beziehungen halten mich aus, auch wenn ich es mal wieder versemmele…
Pastor Holger Mix leitet zusammen mit seiner Frau Georgia die Veranstaltungen auf dem WDL Dünenhof in Cuxhaven. Interessiert an mehr solcher Impulse von MOVO? Gönne dir oder Freunden jetzt einen günstigen Jahresabogutschein des Magazins hier.
Zum Thema:
Falsche Erwartungen: 10 Dinge, die Pastoren nicht können
«Sorry. Pardon. Entschuldigung»: Warum fällt es so schwer, sich zu entschuldigen?
Statt eingeengt und frustriert: Wie Leiter dem Erwartungsdruck entkommen können
Datum: 25.09.2025
Autor:
Holger Mix
Quelle:
Magazin MOVO 03/2025, SCM Bundes-Verlag