Überraschung in Schweden

Leitender Pfingstpastor konvertiert zum Katholizismus

Der Gründer einer der grössten Pfingstgemeinden in Schweden, Ulf Ekman, hat am letzen Sonntag bekanntgegeben, dass er und seine Frau Birgitta die Gemeinde verlassen und sich der katholischen Kirche anschliessen werden.
Ulf und Birgita Ekman

Pastor Ulf Ekman ist einer der profiliertesten pfingstlichen Leiter in Schweden. Als Gründer einer Megachurch von über 3'300 Mitgliedern, der grössten Bibelschule des Landes und eines weltweiten Radioprogramms, hat er seit den 80er Jahren mitgeholfen, die «Wort des Glaubens»-Bewegung im Land zu verbreiten. Dabei handelt es sich um eine Spielart pfingstlichen und charismatischen Glaubens, die vor allem durch den Amerikaner Kenneth Hagin bekannt wurde und heute in verschiedenen Spielarten von Leitern wie Kenneth Copeland, Joyce Meyer und Joel Osteen vertreten wird.

Persönlicher Weg

Im Jahr 2013 war Ekman in Pension gegangen und hatte die Leitung der Gemeinde in jüngere Hände gegeben. Seit etwa 10 Jahren hatten er und seine Frau Kontakte zu katholischen Christen und Bewegungen. «Für Birgitta und mich war das ein langsamer Prozess, in dem wir zuerst neue Dinge entdeckt haben, dann das schätzen lernten, was wir entdeckten; dann haben wir uns angenähert und sogar von unseren Mitchristen begonnen zu lernen», erklärte Ekman seinen Übertritt. Dies sei ihr persönlicher Weg, und es sei nicht seine Agenda, die «Wort des Lebens»-Bewegung in die Richtung der katholischen Kirche zu führen oder sie sogar kollektiv mit ihr zu vereinigen. «Das wäre unvernünftig», betonte Ekman.

Vorurteile hinterfragt

«Wir haben eine grosse Liebe zu Jesus und eine gesunde Theologie gesehen, gegründet auf der Bibel und dem klassischen Dogma», erklärt Ekman seine Motive. «Wir haben den Reichtum des sakramentalen Lebens erfahren. Wir haben die Logik in einer soliden Struktur des Priestertums gesehen, die den Glauben der Kirche erhält und ihn zur nächsten Generation vererbt. Wir haben eine ethische und moralische Kraft und Konsequenz erlebt, die den Mut hat, die öffentliche Meinung zu konfrontieren, und eine Freundlichkeit gegenüber den Armen und Schwachen. Und nicht zuletzt sind wir mit Leitern von Millionen von charismatischen Katholiken in Kontakt gekommen und haben ihren lebendigen Glauben gesehen. (..) Das alles hat unsere protestantischen Vorurteile herausgefordert, und wir haben gemerkt, dass wir in vielen Fällen ohne Grundlage kritisiert haben.»

«Schock, Ärger, Trauer, Verzweiflung  – und Erleichterung»

Der schwedische christliche Think Tank «Aletheia» (Wahrheit) beobachtete bei den Mitgliedern der Gemeinde von Ekman nach seiner Ankündigung «Schock, Ärger, Trauer und Verzweiflung». Andere seien aber auch erleichtert, dass Ekman nun Konsequenzen aus seinem langen Flirt mit der katholischen Kirche ziehe und Klarheit schaffe.

Ekman schloss seine Predigt am letzten Sonntag versöhnlich: «Wir lieben die Gemeinde, die wir in den letzten 30 Jahren mit aufbauen durften, und wir könnten nie etwas anderes als dankbar sein für die gemeinsame Zeit, aber wir haben einen klaren Ruf von Gott gehört, diesen neuen Schritt zu gehen. Wir sind überzeugt, dass die Gemeinde in guten Händen ist, wachsen und in ihrer eigenen Vision weiterhin Frucht bringen wird.»

Kommentar: Das katholische Wort des Glaubens

Auf den ersten Blick passt das gar nicht. Ein hochprofilierter Pfingstpastor wird katholisch. Was soll das? Ein Fall von Altersstarrsinn?

Wenn man das Video von Ulf Ekmans Predigt anschaut, in der er seinen Schritt ankündigt, hat man nicht den Eindruck, dass hier einer nicht wüsste, was er sagt. Es ist wohlüberlegt und -formuliert. Und man kann den inneren Prozess nachvollziehen.

Gedanken und Beobachtungen steigen beim Zuhören auf: Papst Franziskus, die weltweit einzige Stimme, die mit breiter Abstützung für «die Christenheit» redet – und das immer wieder überraschend bibelnah und christozentrisch. Eigene Begegnungen mit charismatischen Katholiken. Riesige Jugendtreffen. Alles Dinge, die einem den katholischen Glauben sympathisch machen können.

Klar ist: man muss den persönlichen Weg von Ulf Ekman und seiner Frau akzeptieren. Die Fähigkeit, seine Meinung zu ändern und Neues zu lernen, spricht für den Pfingstpastor. Man kann seinen Weg auch ein Stück weit nachvollziehen – bis hin zum Gefallen am Sakramentalen und Liturgischen, einem deutlichen Kontrast zur charismatischen Worship-Szene.

Dennoch: Fragen bleiben. Zentrale reformatorische Wahrheiten sind nach wie vor wichtig – etwa das Priestertum aller Gläubigen und die Alleingültigkeit der Bibel, um nur einige zu nennen. Wie kann man den echten, persönlichen Glauben vieler katholischer Brüder und Schwestern von dem massiven Konstrukt «römisch-katholische Kirche» trennen?

Die andere Frage: was treibt – in einer Zeit postmoderner Verunsicherung – Evangelikale immer wieder einmal zurück an die katholische Mutterbrust? Einheit ist ein grosses Wort – aber kann man Geschichte verdrängen?

Beim Nachdenken schliesslich über innere Zusammenhänge zwischen «Wort des Glaubens» und der katholische Lehre kommt einem ein Begriff in den Sinn: Sicherheit. Die pfingstliche «Wort des Glaubens»-Lehre ist ein Versuch, selbst auf Kosten der Aufspaltung der Welt in eine unsichtbar/geistliche und eine sichtbar/materielle Wahrheit, Sicherheit im geistlichen Raum zu finden – «name it and claim it». Da darf es keine Zweifel geben. Das Wort des Glaubens garantiert den Erfolg.

Genau das findet man jetzt auch in der katholischen Kirche: Sicherheit in einer gewachsenen Struktur. Unwiderrufliche Dogmen. Sakramente, vermittelt über Kirche und Priester. Für den, der unter postmoderner Verunsicherung und protestantischem Zweifel leidet, durchaus eine attraktive Alternative.

Datum: 17.03.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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