«Dialog auf Augenhöhe»

Kirchliche Debatte über Judenmission

Micha Brumlik und Robert Spaemann

Frankfurt a.M. Die Debatte über die katholische Haltung zum Judentum dauert an. Der jüdische Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik erneuerte am Mittwochabend die Forderung nach einem «Dialog auf Augenhöhe» zwischen Christentum und Judentum. Hingegen schlug der katholische Philosoph Robert Spaemann vor, die Religionen sollten sich nicht in die Liturgie der jeweils anderen Seite einmischen. Der katholische Fundamentaltheologe Georg Maria Hoff warb für eine Versachlichung des innerkirchlichen Streites über die Judenmission.

Die Wissenschaftler diskutierten in Frankfurt über die Frage «Dürfen Christen Juden bekehren?» Hintergrund ist ein Papier, das der Gesprächskreis «Juden und Christen» des Zentralkomitees der deutschen Katholiken im März veröffentlichte. Darin sprachen sich die Autoren klar gegen Missionsversuche der katholischen Kirche gegenüber Juden aus. Mehrere katholische Bischöfe rügten «theologische Defizite» in dem Text und machten deutlich, dass die Klärung dieser Fragen dem kirchlichen Lehramt vorbehalten sei.

Brumlik wiederholte seine Kritik an der von Papst Benedikt XVI. 2008 neu formulierten Karfreitagsfürbitte für die lateinische Messe. Darin gebe es wieder diskriminierende Anklänge, dass den Juden Blindheit bescheinigt werde. In der Geschichte der katholischen Kirche hätten allerdings Bestrebungen, die Juden von ihrer Blindheit zu befreien, eine Blut- und Gewaltspur hinterlassen. Die einzige aus jüdischer Sicht akzeptable Form der Karfreitagsfürbitte sei die von 1970. Diese haben einen fruchtbaren katholisch-jüdischen Dialog ermöglicht. Es müsse zu denken geben, dass das neugefasste Gebet Beifall von der ultrakonservativen Piusbruderschaft erhalte, sagte Brumlik.

Dagegen sagte Spaemann, Wahrheitsfragen dürften im Dialog nicht ausgeklammert werden. Jede Seite sollte in diesem Gespräch ihren Glauben bezeugen, ohne den anderen bekehren zu wollen. Die Neufassung der Karfreitagsfürbitte sei keineswegs eine Aufforderung zur Bekehrung der Juden. Daraus zu folgern, dass der Gesprächsfaden zwischen Kirche und Judentum gerissen sei, sei unrealistisch.

Beide Religionen sollten sich nicht in die Liturgie hineinreden, wenn die Texte keine Beleidigungen enthielten. Spaemann regte an, dass in jeder katholischen Kirche die ersten zwei Bankreihen für Juden, die zum Christentum übertreten, freigehalten werden sollten. «Das kann ruhig ein paar Jahrtausende dauern», fügte er hinzu.

Datum: 06.06.2009
Quelle: Epd

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