Untergrundkirche wächst trotz Taliban
«Diese Angst wirkt sich auf die Menschen aus», sagt Ramazan Rafee, ein Afghane, der Christ wurde. «Aber gleichzeitig gilt: Wenn man durstig ist, ist es egal, was passiert. Ich weiss, dass es gefährlich ist. Ich weiss, dass es für mich und meine Familie schwer ist. Aber es ist es wert.»
Ramazan gelang schliesslich die Flucht aus Afghanistan. Sein Zeugnis zeigt, dass die Kirche unter dem eisernen Griff der islamischen Herrschaft in seinem Land tief im Untergrund weiterhin wächst – trotz der Verlautbarungen der Taliban-Regierung, es gebe im Land kein Christentum.
Zweifel wegen Gewalt
Ramazan Rafee wurde in eine Hazara-Familie hineingeboren, die an die strengste Auslegung der Scharia glaubte. Sein eigener Vater war Mullah, ein islamischer Gelehrter. Doch Ramazan begann, am Islam zu zweifeln, weil viele der Hazara durch afghanische Behörden getötet wurden – allein wegen ihrer Zugehörigkeit zum schiitischen Islam, während die Taliban sunnitisch sind.
«Im Islam gibt es eine klare Grenze», sagt Ramazan. «Wenn man diese rote Linie überschreitet, wird man als Ungläubiger abgestempelt. Ich hatte viele Fragen über das Wesen Gottes, über menschliches Leid und über das Leiden meines Volkes. Etwa 60 bis 62 Prozent der Hazara wurden von den Behörden getötet – und diese Behörden waren ebenfalls muslimisch.»
In Lebensgefahr
Eines Tages sah sich Ramazan dem Lauf eines Gewehrs gegenüber – und sein eigener Vater war es, der zielte, den Finger am Abzug. «Ich werde dich töten», drohte sein Vater. Seine Mutter sprang dazwischen. «Töte zuerst mich, dann Ramazan!», schrie sie.
Ramazan verliess sein Dorf und ging nach Kabul. Zu dieser Zeit waren die US-Streitkräfte noch in Afghanistan, mit dem Ziel, eine westlich geprägte Demokratie aufzubauen. Während der US-Präsenz gab es in Kabul ein gewisses Mass an Freiheit.
Ramazan hatte den Islam verworfen, glaubte jedoch weiterhin an einen Schöpfer. Deshalb begab er sich auf die Suche nach Antworten in den Weltreligionen. Die Bibel war öffentlich verboten, Hitlers «Mein Kampf» hingegen frei erhältlich. Das erschien ihm seltsam.
«Ist die Bibel so schlimm?»
«Ist die Bibel wirklich so schlimm?», fragte er sich. Dass die Bibel verboten war, liess ihn vermuten, dass man ihm die Wahrheit vorenthalten wollte. «Ich dachte: Hier stimmt etwas nicht.»
Schliesslich traf Ramazan einen Ausländer, der ihm eine Bibel gab und sie gemeinsam mit ihm studierte. 2009 fand Ramazan zum Glauben. «Ich brannte für Jesus. Ich teilte das Evangelium mit meiner Familie, mit Freunden und Kommilitonen. Innerhalb eines Jahres waren wir zwölf Einzelpersonen und zwei Familien», erzählt er.
Der Ausländer verliess Afghanistan, und Ramazan blieb mit seiner kleinen Gruppe von Christen zurück. Er schloss sich der Untergrundkirche an – einem Netzwerk weiterer Gläubiger. Das war äusserst gefährlich, besonders für Leiter von Hauskirchen.
Ein Freund wird ermordet
2014 wurde ein Freund von ihm gemeinsam mit seiner Familie von den Taliban ermordet – trotz der angeblichen Kontrolle der Stadt durch die USA und trotz des westlich orientierten Regierungssystems.
Dann zogen die USA 2021 überstürzt ab. Der militärische Rückzug unter Präsident Biden war chaotisch, grosse Mengen militärischer Ausrüstung blieben im Land zurück. Für die Christen jedoch wurde die Lage noch dramatischer: Die Taliban rückten vor und übernahmen Kabul.
«Ich wachte auf, und alles war anders», erinnert sich Ramazan. «Ich küsste meine Frau und meine Kinder und sagte: ‘Okay, vielleicht ist heute unser letzter Tag.’» Er und die Gemeindemitglieder löschten sämtliche christlichen Inhalte von ihren Handys und Laptops. «Die Taliban waren da. Es war Chaos wie in einem Film.»
Bombe verhindert Ausreise
Ein Pastor kam vorbei, um Ramazan und seine Familie abzuholen. Er wusste nicht, wohin sie fuhren oder was die Zukunft bringen würde. Sie schafften es nicht aus dem Land. Am Flughafen verhinderte eine Bombenexplosion die Ausreise. Daraufhin versuchten sie, mit dem Auto zu fliehen.
36 Tage lang waren sie auf der Flucht, wechselten ständig ihren Aufenthaltsort und entzogen sich den Behörden. «Als das letzte Flugzeug Afghanistan verliess, dachte ich: ‘Okay, es ist vorbei. Gott will, dass wir hier sterben’», blickt Ramazan zurück.
Erstaunlicher Frieden
In diesen Tagen voller Angst rang Ramazan mit Gott. Und auf erstaunliche Weise schenkte Gott ihm Frieden.
Nach 36 Tagen tauchte schliesslich ein Sicherheitsteam auf und brachte Ramazan und seine Familie in Autos zur Nordgrenze. Sie passierten neun Kontrollpunkte und wurden anschliessend nach Katar ausgeflogen. «Als ich in Doha landete, las ich Psalm 18.» In diesem Psalm geht es darum, dass Gott der Fels und die Burg ist.
«Viele seiner Brüder und Schwestern im Glauben konnten ebenfalls fliehen. Andere blieben zurück und gingen noch tiefer in den Untergrund. Und nicht nur das: Unter ihnen gibt es weiterhin neue Bekehrte. Es ist gefährlicher denn je, Christ in Afghanistan zu sein – und trotzdem kommen Menschen zum Glauben», sagt Jamie Dean von der christlichen Bewegung «Radical». «Der Heilige Geist wirkt.»
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Datum: 28.12.2025
Autor:
Lilah Hosni / Daniel Gerber
Quelle:
God Reports / Pilgrim Dispatch / Übersetzung: Livenet