«Hält mein Glaube, wenn es schwierig wird?»
Margrit Coretti (*1951) aus Ipsach lebte ein gutes Familienleben. Sie war glücklich verheiratet und Mutter einer Tochter und eines zwei Jahre jüngeren Sohnes. In der reformierten Kirche Nidau waren Corettis engagiert; Remo im Kirchgemeinderat, Margrit gab Sonntagschule. Alles lief gut – und doch fragte sich Margrit immer wieder mal: «Würde mein Glaube auch halten, wenn es schwierig wird?»
«Es zog mir den Boden unter den Füssen weg»
Die Tragfähigkeit von Margrits Glauben sollte sich tatsächlich einer Prüfung unterziehen. Ihr Sohn Bruno war gerade erst dreizehn Jahre alt, als er tagelang unter Kraftlosigkeit litt. Nachdem er eines Nachts hohes Fieber entwickelte, suchten sie am folgenden Morgen einen Arzt auf. «Der Arzt überwies Bruno ins Kinderspital in Biel, wo sehr schnell die Diagnose gestellt wurde: Leukämie.» Sofort wurde Bruno mit der Ambulanz ins Inselspital Bern gebracht. «Das zog mir den Boden unter den Füssen weg.» Gleichzeitig fühlte Margrit, wie stärkend es war, Christen an ihrer Seite zu haben, die für sie beteten.
Schon die erste Therapie sprach gut an. «Nach einem Jahr glaubten wir, über den Berg zu sein.» Bei einer Kontrolle wurde dann aber ein Rückfall festgestellt. «Die gesamte Stimmung war jetzt anders. Bruno verweigerte das Essen, sprach kaum mehr – er war enttäuscht und hatte keine Kraft mehr.» Schliesslich liess er sich doch für eine weitere Therapie überzeugen und die folgenden Monate sahen erneut vielversprechend aus. «Obwohl wir mehrheitlich nur ambulant im Krankenhaus waren, wurde dieses zu unserem zweiten Zuhause.»
Die drei letzten Wünsche konnten erfüllt werden
Ein halbes Jahr später erklärten die Ärzte, keine Heilungschancen mehr zu sehen. Sie konnten nur noch helfen, Brunos Leiden auf ein Minimum zu begrenzen. Für Margrit waren dies extrem schwierige Momente. Der Arzt fragte Bruno nach drei Dingen, die er auf dem letzten Stück seines Lebensweges noch erleben möchte. Bruno hatte tatsächlich noch offene Wünsche: Er wollte mit seinem Götti nach Paris reisen, mit Kollegen eine gute Zeit verbringen und sich taufen lassen. Mit Unterstützung der Ärzte konnten diese Wünsche alle erfüllt werden. Ein paar Tage in Paris und das Skilager mit seiner Klasse. An der Feier seiner Taufe wurde sogar ein Basketballtournier veranstaltet, an welchem Bruno teilnehmen konnte. «Wir alle beteten für ein Wunder und dass es für Bruno eine Wende geben würde.»
Das Wunder blieb aus. Das Ende zeichnete sich ab und Bruno wünschte, zu Hause sterben zu können. «Für mich war dies eine enorme Herausforderung. Einerseits hatte ich ihn gerne zu Hause, hatte aber keine Ahnung, was auf mich zukommen würde.» Zweimal täglich kam eine Pflegerin und auch der Hausarzt kam jeden Tag vorbei.
«Gott trägt!»
Bruno starb am 5. Juli 1995 – im Alter von 14 Jahren. Margrit und Remo verloren ihren Sohn, die Tochter Silvia ihren jüngeren Bruder. «Wir alle erlebten in dieser Zeit, dass Gott uns trägt.» Auf ihre frühere Frage, ob ihr Glaube sie tragen würde, konnte Margrit jetzt antworten: «Gott trägt uns!» Trotzdem musste Familie Coretti den Weg des Trauerns gehen. «Jeder ging auf eigene Art mit dem Verlustschmerz um. Doch das gemeinsame Gebet hielt uns zusammen.» Remo fand in der Arbeit die Struktur, um weiterzumachen, Silvia fand Halt in ihrer Jugendgruppe, und Margrit steigerte ihr Engagement in der Kirchgemeinde.
«Obwohl ich in der ersten Trauerphase seelsorgerlich begleitet wurde, nahm ich später eine zusätzliche Therapie in Anspruch.» Sie machte sich Vorwürfe, mit Bruno kaum über das Sterben und den Tod gesprochen zu haben.» Wie entlastend war es, als sie erfuhr, dass eine gläubige Krankenschwester stundenlang mit Bruno über diese Themen redete.
Der nächste harte Schlag
Drei Jahre später wurde bei Remo ein Melanom festgestellt, ein dunkler Knoten am Oberarm. Es liess sich problemlos entfernen und auch die betroffenen Lymphknoten konnten herausoperiert werden. Die Sache schien erledigt. Doch dann, im Juli 2007, entdeckte Remo einen Knoten unter der Haut. Der Arzt diagnostizierte einen Lymphknoten, welcher von schwarzem Hautkrebs befallen war. «Erinnerungen an Brunos Leidensgeschichte kamen hoch.» Eine Therapie nach der anderen wurde versucht und über Heilungschancen diskutiert. Es folgte ein Auf und Ab, Remo konnte aber mindestens noch Teilzeit arbeiten. Grundsätzlich ging es beständig abwärts. Am 21. Mai 2009, es war Auffahrt, starb er. Für Margrit ein unfassbar harter Schlag.
«Bevor Remo starb, haben wir zusammen gebetet.» Margrit wusste und fühlte sich Gott nahe. «Remo sagte zu mir: Lass mich los!» Dann schlief Margrit ein. Als sie aufwachte, war Remo gestorben. «Ich erlebte grossen Schmerz über den Verlust. Remo fehlte mir sehr und fehlt mir auch heute noch. Aber einsam fühlte ich mich nie!» Die tiefe Erfahrung, dass Gott immer bei ihr ist, trug sie durch. Auf die Frage, ob ihr Glaube trägt, kann sie heute sagen: «Ich bin nie allein. Gott ist immer bei mir!»
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Datum: 23.10.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Jesus.ch