Die zweite Entscheidung

Als Jesus den Apostel Petrus in Verlegenheit brachte

Zweimal berichten die Evangelien von einem fast gleichen Ereignis. Und doch gibt es eklatante Unterschiede, die zum Weiterdenken herausfordern.
Petrus beim Fischen (Szene aus dem Jesus-Film «Son of God»)

Im Lukas-Evangelium, Kapitel 5 und im Johannes-Evangelium, Kapitel 21 werden zwei Schlüsselereignisse beschrieben, die sich verblüffend ähneln. Beide Male wird von einem erfolglosen nächtlichen Fischfang berichtet, bei dem der spätere Apostel Petrus beteiligt war. Und beide Male fordert Jesus den Fischer und späteren Nachfolger Petrus auf, es nochmals zu probieren und das Netz auf der rechten Seite des Bootes auszuwerfen. Das machte eigentlich wenig Sinn, denn die Aussichten für einen Fang waren am Tag wesentlich schlechter als nachts. Petrus tat es – aus welchen Gründen auch immer – dennoch. Und das Resultat war beide Male überwältigend. Ein riesiger Fang, der beim Einzug die Netze zu zerreissen drohte, heisst es bei Lukas. Bei Johannes wird dann genau gezählt, und es sind 153 Fische. 

Mehr als feine Unterschiede

Ein genauer Vergleich fördert dennoch erhebliche Unterschiede zutage. Das erste Ereignis fand in der Anfangszeit des Wirkens Jesu statt, und das Ergebnis ist, dass Petrus, überwältigt vom Geschehen, sich in die Nachfolge berufen lässt, was sein zukünftiges Leben auf den Kopf stellt. Der zweite Fischfang wird vom Evangelisten Johannes aber klar in die Zeit nach der Kreuzigung und der Auferstehung platziert, also in die Zeit kurz vor Auffahrt. Es mag vorerst irritieren, dass Petrus scheinbar wieder seinen früheren Beruf ausübt. Auf dem See Genezareth wie damals vor der Berufung. Und auch diesmal interveniert der Auferstandene, indem er zum dritten Mal den zukünftigen Aposteln erscheint und nach dem Fischfang – ganz unspektakulär – mit ihnen Mahlzeit hält. 

Petrus kommt ins Rotieren

Danach hat Jesus offenkundig noch etwas mit Petrus zu erledigen. Und er bringt ihn dabei regelrecht ins Rotieren. «Liebst du mich mehr als die anderen?», fordert er seinen Jünger heraus. Wobei Jesus ein Wort wählt, dass die höchste und selbstlose Liebe meint, die ein Mensch ausüben kann. Petrus antwortet darauf zwar mit einem Ja, relativiert aber, in dem er antwortet: «Du weisst, dass ich dich gern habe.» Es ist nicht die selbstlose Liebe und auch nicht eine grössere als die der Jünger-Kollegen. Jesus doppelt daher nach und federt die Frage ab, indem er nur noch fragt: «Liebst du mich?» – auch diesmal bejaht Petrus zwar, antwortet aber wiederum vorsichtig mit «ich habe dich lieb». Nun fragt Jesus zum dritten Mal und reduziert nochmals, indem er ganz simpel und einfach fragt: «Hast du mich lieb?» Er braucht diesmal selbst das Verb, das lediglich die freundschaftliche Liebe meint.

Nach jeder Antwort fordert Jesus ihn mit ähnlichen Worten auf: «Weide meine Schafe». Man geht gemeinhin davon aus, dass damit eine besondere Verantwortung für die Führung der künftigen Gemeinde der Jesus-Jünger gemeint ist.

Jesus lässt nicht locker

Als Jesus zum dritten Mal fragt, reagiert Petrus gekränkt. Wegen seines schlechten Gewissens, denn er hatte ja kurz zuvor geleugnet, zu Jesus zu gehören? Oder weil Jesus seine Beteuerung nicht ernst nahm? Das wissen wir nicht. Aber offensichtlich war jetzt die Grundlage gelegt, Petrus zur bedingungslosen Nachfolge zu berufen, die auch dort nicht endet, wo es um Tod und Leben geht (Johannes, Kapitel 21, Verse 18-19). Und Jesus ergänzt ganz schlicht: «Folge mir nach!» Nach einem kurzen Dialog im nächsten Vers wiederholt er die schlichte Aufforderung: «Folge mir nach!».

Bedingungslose Nachfolge

Was können wir aus den beiden so ähnlichen und doch nicht gleichen Geschichten schliessen? Es gibt einen Ruf zum Glauben, den Jesus allen anbietet. Aber es gibt auch eine Berufung in die bedingungslose und kompromisslose Nachfolge, gegen die sich unser Ego sträubt. Wer sich aber für die Sache Jesu entscheidet und sich dafür engagiert, wird auch immer wieder vor die Frage gestellt: Machst du das letztlich aus eigennützigen Motiven, oder bist du auch bereit, Vorbehalte abzubauen und Kompromisse aufzulösen, die dich an einer wirklichen Nachfolge hindern? Dass es sich bei «Folge mir nach!» um die letzten Worten vor seinem Auffahren in die himmlische Welt handelt, gibt ihnen das nötige Gewicht.

Zum Thema:
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Datum: 17.05.2020
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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