Universität Luzern

Zentrum für Religionsverfassungsrecht eröffnet

Was verbindet Staat und Religion – was trennt sie? Dieser Frage stellte sich alt Bundesgerichtspräsident Giusep Nay in Luzern.
Giusep Nay

Alt Bundesgerichtspräsident Giusep Nay hielt am 19. März den Vortrag zur Eröffnung des Zentrums für Religionsverfassungsrecht an der Universität Luzern. Neben universitärer und kirchlicher Prominenz hörten auch Menschen nichtchristlicher Religion den Ausführungen zum Thema «Staat und Religion – Was sie verbindet, was sie trennt» interessiert zu.

Am Anfang war der Canossa-Gang

Das Religionsverfassungsrecht der schweizerischen Kantone lässt sich nur aufgrund der geschichtlichen Entwicklung richtig verstehen, betonte der alt Bundesgerichtspräsident. Von besonderer Bedeutung sei dabei der Canossa-Gang des Kaisers 1076 und der darauf folgende Investiturstreit, der im Wormser Konkordat von 1122 eine Kompromisslösung fand. Nicht mehr der Papst oder der Kaiser allein ernannten nun Bischöfe. «Mit dieser Differenzierung zwischen geistlich und weltlich wurden zwei institutionalisierte Gewalten mit unterschiedlichen Funktionen herausgeschält und anerkannt: der Papst und der Kaiser, später die Kirche und der Staat», erklärte Nay.

Erst die Anerkennung und die schrittweise Umsetzung der Grund- und Menschenrechte – und vorab die Religionsfreiheit – machten den Weg frei für eine Entflechtung von Staat und Kirchen und damit für eine grundsätzliche Trennung von Staat und Religion, erläuterte Nay.

Trotz der notwendigen institutionellen Trennung sei die heute noch bestehende Verbindung von Staat und Religion grund- und menschenrechtskonform auszulegen und anzuwenden, forderte er. Die Lösungen zur Beantwortung aktueller Fragen seien zwischen individueller Religionsfreiheit und Neutralitätsgebot des Staates zu finden.

«Neutralität ist ein hehres Ziel ...»

Seien wir von Beginn an ehrlich, forderte Alexander H. E. Morawa: «Neutralität ist ein hehres Ziel – und zugleich ist es unerreichbar». Der Co-Direktor des neuen Zentrums für Religionsverfassungsrecht der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Luzern fuhr fort: «Bekennt sich der Staat zu einer vollständigen Gleichheit aller Religionen, so bekennt er sich doch wirklich zur Religion. Bekennt er sich dagegen zur vollständigen Neutralität, bekennt er sich in Wahrheit zur Nicht-Religion».

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Datum: 21.03.2012
Quelle: Kipa

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