«Der Unfall war meine Rettung!»
«Wer bin ich und was ist der Sinn meines Lebens?», grübelte die 15-jährige Regula Tanner. Sie wuchs mit drei Geschwistern in einer intakten Familie in einem schmucken Dorf auf. Aber sie fühlte sich verloren, nie zugehörig. Schon bevor sie die Diplommittelschule besuchte, kam sie mit Marihuana in Kontakt. Um die innere Leere zu füllen, begann sie, Alkohol zu trinken und zu kiffen. Dazu verschlang sie philosophische und esoterische Bücher, das tibetanische Totenbuch, interessierte sich für weisse Magie. Weil sie und eine Kollegin immer wieder betrunken und bekifft in der Schule auftauchten, flog sie im zweiten Jahr wegen mangelnder Leistung raus. Als ihre beste Freundin von den Eltern in deren Herkunftsland zurückgeschickt wurde, schwor sie sich, Erwachsenen nicht mehr zu vertrauen.
Freiheit
Mit 16 zog sie zu zwei Freundinnen in deren WG: «Ich wollte frei sein, und meine Eltern wussten sich nicht mehr zu helfen.» Sie lebte fast ununterbrochen Party, probierte alles Mögliche aus, suchte Anerkennung bei Männern. Mit 18 wanderte sie mit einer Freundin nach Sizilien aus, doch ein gutes Jahr später war sie wieder in der Schweiz. Als sie sich in einen Deutschen verliebte, zog sie mit ihm nach München. «Wir lebten in der Hippie-Szene und verdienten unseren Lebensunterhalt durch Dealen», gesteht Regula. Doch den ersehnten Frieden fand sie nicht.
Inspiriert vom Philosophen Jean-Jacques Rousseau machte sie sich auf, einen Ort zu suchen, wo sie das ganze Jahr über in einer Höhle wohnen konnte. «Ich dachte, wenn ich mich von der Zivilisation trenne und von allem, was ich kenne, dann finde ich vielleicht heraus, wer ich wirklich bin», schaut die 64-Jährige zurück. 1982 trampte sie 20-jährig durch halb Europa bis zur kleinsten kanarischen Insel, El Hierro. Hier lebte sie allein in einer einfachen Hütte – doch auch da fand sie die ersehnte innere Ruhe nicht.
Anerkennung durch Männer
Nun hielt sie sich oft in Restaurants auf, wo sie meist die einzige Frau unter Männern war. Deren Bewunderung sog sie auf. Sie zog bei einem Mann ein, und um eine Aufgabe zu haben, wusch sie auf Parkplätzen Autos. Doch die Beziehung zerbrach, und nach zwei Jahren kehrte sie in die Heimat zurück. Zunächst jobbte sie in Kneipen, doch bald begann sie, sich gezielt bei Unternehmen zu bewerben, die sie wirklich interessierten. «Ich konnte mich gut verkaufen, habe eine schnelle Auffassungsgabe und spreche fünf Sprachen», erklärt Regula.
Ihre Suche nach dem Sinn des Lebens und nach ihrer eigenen Identität setzte sich fort. Sie führte ein Doppelleben: Tagsüber arbeitete sie in verantwortungsvollen Positionen, nachts stürzte sie ab – mit Alkohol, Kokain und der Suche nach Erfüllung in der freien Liebe. Mit Dreissig lernte sie einen gläubigen Katholiken kennen. «Er hatte eine Bibel auf dem Nachttisch», erinnert sie sich, «aber in all den Jahren, während denen wir zusammen waren, sprach er nie mit mir über Jesus.» Durch ihn lernte Regula Peter Weiler kennen, einen Schweizer, der als Gemeindegründer in Australien tätig war. Jeden Sommer kehrte er in die Heimat zurück, um mit einem Hauskreis für die Neugründung einer Gemeinde in Winterthur zu beten. Jahr für Jahr erzählte er ihr von Jesus – und Jahr für Jahr reagierte sie mit Abwehr, manchmal auch mit Spott. Und doch suchte sie immer wieder das Gespräch mit ihm über Gott.
Herzstillstand
Mit 36 wurde Regula auf ihrem Velo von einem Auto erfasst und erlitt einen schweren Schädelbruch. Die Operation dauerte vier Stunden, dann besuchten sie ihr Freund und Peter Weiler auf der Intensivstation. «Ich erlitt einen Herzstillstand, und auch das Hirn zeigte keine Aktivität mehr», berichtet sie. Peter Weiler wusste, dass er ihr die Hand auflegen und für sie beten musste. Das Wunder geschah – die Schwerverletzte kehrte ins Leben zurück.
Regula erzählt: «In der Zeit dazwischen begegnete ich Gott. Er sagte: 'Kehr um, du bist auf dem falschen Weg.'» Sie sah ihr bisheriges Leben mit allem, was sie falsch gemacht hatte vor sich und hörte: «Ich gebe dir ein neues Leben. Aber du musst entscheiden: Leben oder Tod, Licht oder Finsternis.» Regula wusste: «Das ist der Gott, von dem Peter immer erzählt hatte.» Sie spürte seine Liebe und Annahme, keine Anklage, und war sicher: «Jetzt habe ich gefunden, wonach ich immer gesucht habe!» Die Leere war weg und sie auf dem Weg zur Genesung.
Neuanfang
Neun Monate dauerte die Wiederherstellung, dann konnte sie halbtags wieder arbeiten. 1998 flog sie nach El Hierro, um die um Vergebung zu bitten, die sie vor Jahren durch ihr Verhalten verletzt hatte. Danach kehrte sie jedes Jahr auf die Insel zurück, um den Menschen von ihrer Gottesbegegnung zu erzählen – und davon, wie tiefgreifend sich Leben verändert hatte.
Inzwischen hatte Peter Gottes Ruf gehört, mit seiner Familie in die Schweiz zurück zu kehren, um hier Gemeinden zu bauen. Gemeinsam mit Regula gründete er 1999 die Christliche Gemeinde Töss (CGT) in Winterthur. Sie übernahm immer mehr Verantwortung, leitete eine Multimedia-Bibelschule von ISDD und gründete solche in Gemeinden in der ganzen Schweiz. Unzählige Male moderierte sie die Module vor den Studierenden und war dabei ganz auf die Führung des Heiligen Geistes angewiesen. «Sobald ich vorne stand, flossen die Worte aus meinem Mund», hält sie fest.
Sie nahm Seelsorge in Anspruch, löste sich von okkulten Verstrickungen und wuchs immer mehr im Vertrauen auf Jesus. Sie absolvierte bei Ellel-Ministries eine Seelsorge-Ausbildung, studierte bei ISDD in der eigenen Gemeinde und später am IGW Theologie, besitzt nun zwei Bachelor-Abschlüsse. 18 Jahre lang lernte und lehrte sie unter dem Dach der CGT. Schliesslich erhielt sie von Gott den Ruf, dauerhaft auf die Insel zu ziehen und dort sein Reich mitzubauen. Sie liess sich ihre Pensionskasse auszahlen und wanderte aus.
Auftrag
Seit 2017 lebt Regula nun auf El Hierro, wo sie eine Gemeinde baut und den Verein «Christliches Zentrum El Hierro Süd» gegründet hat. Sie besucht Gemeinden auf allen Inseln, predigt, ermutigt die Gemeindeleiter und gründet Bibelschulen. Jede Woche tauscht sie sich zwei Stunden am Telefon mit einer Schweizer Freundin aus, die mit ihrem Mann auf der Nachbarinsel Teneriffa als Missionarin tätig ist. Sie beten füreinander und besuchen sich.
Ihr aktuelles Projekt ist die Gründung eines Ellel-Seelsorgezentrums für die Kanarischen Inseln. Mehrere christliche Leiter haben den Wunsch geäussert, sich ausbilden zu lassen, um später als Ellel-Mitarbeiter Christen auf allen Inseln in Seelsorge und Befreiung zu dienen. «Lehre und Vernetzung sind meine Hauptgaben», sagt Regula. «In meiner Jugend habe ich durch meinen Lebensstil verpasst, einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung zu absolvieren. Doch Gott hat mir als über Vierzigjährige ermöglicht, einiges nachzuholen und einen Abschluss in Theologie geschenkt, dazu weitere kostbare Ausbildungen. Das Wissen und die Erfahrungen, die ich auf meinem Weg gesammelt habe, kann ich heute weitergeben – und so anderen dienen.»
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Datum: 02.08.2025
Autor:
Mirjam Fisch-Köhler
Quelle:
Jesus.ch