»Habemus Papam«

Alle schauen auf Leo XIV.

Papst Leo XIV.
Schon Stunden nach der Papstwahl hatte ich den Eindruck, dass eigentlich alles über diesen Mann gesagt ist, was man gerade sagen kann, dabei hat seine Zeit als Papst gerade erst angefangen – und man darf gespannt sein.

Eben noch konnte ich weder im Fernsehen noch im Internet etwas anschauen, ohne das Konterfei von Donald Trump zu sehen. In Deutschland rangen gerade politische und kirchliche Verantwortungsträgerinnen und -träger um die richtigen Worte zum Kriegsende vor 80 Jahren, da schwenkten die Kameras der Welt um auf den Petersplatz in Rom, auf eine jubelnde Menschenmenge, weissen Rauch über der Sixtinischen Kapelle und bald darauf auf den neuen Papst. Als vom Balkon verkündet wurde: «Habemus Papam», wir haben einen Papst, war ich als Gemeinschaftspastor nicht unbedingt ein Teil dieses «Wir», aber trotzdem interessiert es mich. Was für ein Mensch ist Robert Francis Prevost, der neu gewählte Papst Leo XIV.?

Ein bekannter Unbekannter

Inzwischen hast du in zahlreichen Nachrichten – von der NZZ bis hin zu TikTok – vieles über den 267. Papst gehört: dass er US-Amerikaner aus Chicago ist, dass er mit 69 Jahren beim Eintrittsalter im Mittelfeld liegt, und dass er wohl fünf Sprachen spricht – unter anderem etwas Deutsch. Als Bischof Prevost lebte der Augustiner viele Jahre lang in Peru und nahm dort auch die peruanische Staatsbürgerschaft an. Er arbeitete in Chiclayo, einer armen Region im Norden des Landes. 

All diese Fakten und noch wesentlich mehr wurden bereits in den ersten Minuten nach seiner Wahl verbreitet. Dabei war er keiner derjenigen, die vorher als Favoriten gehandelt wurden, doch mit Leo XIV. hat sich wieder einmal eine Redensart bewahrheitet: «Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder hinaus.» Gründliche Journalistinnen und Journalisten hatten besonders zu den Favoriten bereits ausführliche Dossiers erstellt, aber natürlich auch Informationen über die anderen gesammelt wie eben Kardinal Prevost, den sein päpstlicher Vorgänger 2023 als Leiter des bischöflichen Dikasteriums ernannt hatte – damit war er eine Art Personalleiter der katholischen Bischöfe. So war er etlichen Insidern wohl bekannt – für eine Wahl zum Papst hatte ihn jedoch fast niemand auf dem Schirm.

Suche und Sucht nach Übereinstimmung

Kaum waren die erhältlichen Fakten geklärt, rückte als nächstes die Frage in den Mittelpunkt: Wofür steht der neue Papst? Wird er den gemässigten Reformkurs seines Vorgängers fortsetzen oder konservative Elemente betonen? Wird er sich in friedenspolitische Fragen einschalten – und wenn ja: wie? Die Suche nach übereinstimmenden Positionen ist bei jeder Papstwahl wichtig. Für viele unterstreicht sie das Gefühl: Er ist einer von uns und wird uns gut vertreten. Als Joseph Kardinal Ratzinger vor 20 Jahren zum Papst gewählt wurde, textete die BILD-Zeitung deshalb für Deutschland: «Wir sind Papst!» Manche dieser Vereinnahmungen können nur enttäuscht werden. Dass Leo XIV. nach seinen ersten Wochen im Amt den Zölibat abschaffen und Frauenordination ermöglichen wird, ist mehr als unwahrscheinlich, auch wenn Initiativen wie Maria 2.0 so etwas fordern. 

Jeder formuliert gerade seinen Erwartungskatalog. Johannes Hartl, der als Katholik das Gebetshaus Augsburg leitet, wünscht sich laut Nachrichtenmagazin Idea: «Der Papst sollte Zweideutigkeiten vermeiden, die das christliche Zeugnis verdunkeln» und der Welt «mit zeitlosem, eindeutig christlichem Profil entgegentreten». Die eine wünscht sich mehr Klarheit, der andere eher Barmherzigkeit. Manche erwarten einen entschiedenen Einsatz in Lebensrechtsfragen, andere hoffen auf starke Friedeninitiativen aus Rom. Klar scheint nur: Kein Mensch, noch nicht einmal ein Papst, kann diese widersprüchlichen Erwartungen erfüllen. Gleichzeitig kann das neue Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken durchaus Akzente setzen, die weltweite Auswirkungen haben.

Abwarten und beten

Einige bisherige Haltungen des neuen Papstes sind bekannt: zum Beispiel sein Einsatz für Arme und Entrechtete. Einiges hat er in seiner Antrittsrede und ersten Ansprachen bereits angedeutet, als er von «Brücken bauen», «Dialog» und wiederholt vom «Frieden» sprach. Dabei muss ich mir immer wieder sagen: Der Mann lässt seine Geschichte nicht hinter sich, muss aber in seinem neuen Amt vieles auch neu denken und formulieren. Als Bischof in Chiclayo war er für viele Leute zuständig – jetzt muss er bei seinen Entscheidungen weit über eine Milliarde Menschen «mitnehmen». 

Zahm scheint Leo XIV. auf jeden Fall nicht zu sein, denn als im Februar US-Vizepräsident J. D. Vance meinte, dass man seine Nächstenliebe laut Bibel zuerst auf Familie und Landsleute konzentrieren müsste, konterte er auf «X»: «J. D. Vance liegt falsch: Jesus hat uns nicht dazu angehalten, unsere Liebe zu anderen abzustufen.» Sicher wird dieser Papst für die eine oder andere Überraschung gut sein. Für manche wird die sehr schnell kommen, wenn sie feststellen, dass er tatsächlich katholisch ist und sich auch so verhält. Bei den meisten Fragen gilt es einfach abzuwarten. Doch Leo XIV. ist einer, mit dem man rechnen muss – nicht nur weil er auch Mathematik studiert hat. Ich bin gespannt, wie er sein Amt ausgestalten wird. Was er von seiner bisherigen Prägung dort mit einbringen wird. Und ich nehme mir vor, immer mal wieder für ihn zu beten. Nicht, weil ich die Dinge besser im Griff hätte als er, sondern weil er mehr im Griff haben muss als ich.

Zum Thema:
Vor Indigenen in Kanada: Papst entschuldigt sich: «Nur ein erster Schritt»
Gaza-Katholiken trauern um Papst: Kommt Nachfolger aus Afrika oder Asien?
Papst Franziskus ist nicht mehr: Über Ostern sterben dürfen

Datum: 14.05.2025
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung