Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) ist das wichtigste Gremium der nicht-katholischen Christenheit und repräsentiert weltweit rund 500 Millionen Menschen. Die Vollversammlung steht unter dem Motto «In deiner Gnade, Gott, verwandle die Welt». Die Tagung mit 4000 Teilnehmern findet vor dem Hintergrund einer seit Jahren anhaltenden Krise der ökumenischen Bewegung statt. ÖRK-Generalsekretär Samuel Kobia verteidigte den Weltkirchenrat gegen Vorwürfe einer sinkenden öffentlichen Bedeutung. Der ÖRK habe in den vergangenen Jahren wichtige Beiträge zur Überwindung von Gewalt geleistet. Kritiker wie die hannoversche Bischöfin Margot Kässmann haben dagegen beklagt, dass sich die Kirchen in Grundsatzfragen wie Abendmahl oder Anerkennung der kirchlichen Ämter bisher kaum bewegt hätten. Kässmann leitet die deutsche Delegation in Porto Alegre. Die Delegierten der ÖRK-Vollversammlung wollen einen gerechteren Welthandel einfordern. Der Wohlstand von wenigen Reichen gehe auf Kosten von unzähligen Armen besonders in den südlichen Ländern der Erde, heisst es in einem Deklarationsentwurf. Im Vorfeld der Tagung gab es Warnungen vor einem Konflikt zwischen den Christen des Nordens und Südens. Viele Kirchen aus Industrieländern plädieren für eine sozial ausgerichtete Marktwirtschaft als Antwort auf die Globalisierung. Kirchen aus dem Süden, deren Länder unter den negativen Folgen der Globalisierung leiden, fordern dagegen eine radikale Umgestaltung der Weltwirtschaft. UN-Generalsekretär Kofi Annan rief den Weltkirchenrat zum Gebet für die Vereinten Nationen auf. «Beten Sie für Frieden in der Familie der Nationen», erklärte Annan in einem in Porto Alegre verbreiteten Grusswort. Er hoffe, dass die Politiker die Weisheit finden, das Instrument der Vereinten Nationen vollständig zu nutzen. "Der ÖRK ist im Moment in der Gefahr, geradezu belanglos zu werden", stellte im Vorfeld die evangelische Landesbischöfin Margot Kässmann fest. Der Weltkirchenrat beschäftige sich zu sehr mit internen Spannungen. "Er muss sich nun entscheiden, ob er eine zukunftsweisende Rolle in der Ökumene spielen will oder ob er sich darauf beschränkt, die Beziehungen unter den Mitgliedskirchen zu pflegen und dann irgendwann bedeutungslos zu werden." Bischöfin Margot Kässmann ist seit mehr als 20 Jahren im 1948 gegründeten Weltkirchenrat engagiert. Kässmann trat 2002 aus dem Zentralausschuss des ÖRK aus. Sie protestierte damit gegen den Beschluss, dass auf Druck der orthodoxen Kirchen künftig auf gemeinsame ökumenische Gottesdienste zwischen Protestanten und Orthodoxen verzichtet wird. "Wir brauchen eine starke gemeinsame Stimme der Kirchen auf Weltebene", sagte Kässmann. Der Ökumenische Rat könnte neben dem römischen Katholizismus auf Weltebene eine wichtige Rolle einnehmen. Aus Sicht Kässmanns sollte der ÖRK etwa zu Fragen der Globalisierung, der sozialen Gerechtigkeit und zu Krieg und Frieden Stellung beziehen. Doch wegen der Auseinandersetzungen zwischen dem Protestantismus und der Orthodoxie sei der ÖRK derzeit eher gelähmt, sagte Kässmann. Nach ihrer Darstellung werfen viele orthodoxe Kirchen den Kirchen der Reformation vor, "sich der Säkularisierung und dem Werteverfall anheim zu geben". Streitpunkte seien auch die Ordination von Frauen und die Stellung zur Homosexualität. Sie halte es für dringlich, dass der ÖRK im Dialog mit dem Islam eine zentrale Rolle übernehme, sagte die Bischöfin. "In der Auseinandersetzung mit dem Islamismus könnte noch mal klar gesagt werden: Religion darf kein Öl in das Feuer politischer Konflikte giessen." In den 70er und 80er Jahren habe ihr der ÖRK sehr imponiert, weil er immer "eine hörbare Stimme war und dafür eintrat, dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll". Dem Weltkirchenrat gehören die meisten orthodoxen Kirchen, Lutheraner und Reformierte sowie Baptisten, Methodisten und Anglikaner an. Dazu kommen viele unabhängige Kirchen. Für die katholische Kirche, die kein ÖRK-Mitglied ist, rief Papst Benedikt XVI. zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen dem Vatikan und dem Weltkirchenrat auf. In dem von Kurienkardinal Walter Kasper verlesenen Grusswort benennt der Papst die Einheit der Christen als Ziel der ökumenischen Zusammenarbeit. Eine Mitgliedschaft im ÖRK hat der Vatikan bisher allerdings abgelehnt. In Porto Alegre werden im Rahmen des interreligiösen Dialoges auch Vertreter aus Buddhismus, Judentum und Islam erwartet. Vorgesehen ist eine Stellungnahme der Vollversammlung zum Streit um die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen. ÖRK-Generalsekretär Kobia sprach sich gegen eine weitere Verbreitung aus. Statt weiter die Karikaturen nachzudrucken, müssten Christen und Muslime wieder in den Dialog eintreten. Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) wurde 1948 in Amsterdam gegründet. Ihm gehören heute mehr als 340 protestantische, anglikanische, orthodoxe und altkatholische Kirchen sowie Freikirchen mit mehr als 500 Millionen Mitgliedern an. Die römisch-katholische Kirche gehört nicht zum Weltkirchenrat, arbeitet jedoch seit Ende der 60er Jahre bei wichtigen Gremien wie der ökumenischen «Kommission für Glauben und Kirchenverfassung» mit. Höchstes Beschlussgremium des Weltkirchenrats, der seinen Sitz in Genf hat, ist die Vollversammlung. Sie findet etwa alle sieben Jahre statt. Am Dienstag wurde im brasilianischen Porto Alegre die 9. Bei dem Treffen in Porto Alegre wird auch das ÖRK-Präsidium und der Zentralausschuss gewählt. Dieser kommt etwa alle zwölf bis 18 Monate zusammen und leitet den ÖRK zwischen den Vollversammlungen. Seit Anfang 2004 steht der aus Kenia stammende Pfarrer Samuel Kobia als Generalsekretär an der Spitze des Weltkirchenrats. Den Vorsitz des Zentralausschusses hat der libanesische orthodoxe Theologe Aram I. Quelle: epd/KipaAntwort auf die Globalisierung
Droht dem Weltkirchenrat der Abstieg?
Gemeinsame Stimme
Zentrale Rolle im Dialog mit dem Islam?
Stichwort Ökumenischer Rat der Kirchen
Datum: 16.02.2006