Christen in Saudi-Arabien

Saudi-Arabien

Die saudiarabische Religionspolitik übt auf seine christlichen Arbeitskräfte vermehrt Druck zur Annahme des Islam aus. Nach allgemein islamischer Auffassung sind die heiligen Muslimstädte Mekka und Medina für Andersgläubige „haram“, das heisst tabu. Diese Staatsideologie wollen jetzt die Saudis auf ihren ganzen Staat ausdehnen.

Saudiarabien hat Mitte August den eritreischen Christen Girmaje Ambaje in seine Heimat abgeschoben. Wie viele seiner Landsleute und christlichen Glaubensgeschwister lebte er als Gastarbeiter in der Hafenstadt Dschedda am Roten Meer. Er war am 25. März von der Strasse weg verhaftet worden, wo er sich in einer Cafeteria mit einem islamischen Bekannten unterhielt – angeblich über Jesus Christus. Die Anklage lautete daher auf „christlichen Prosyletismus“ - Ambaje musste für fünf Monate ins Gefängnis. Ausgewiesen wurde er jetzt aber unter dem Vorwand eines Deliktes im „Strassenverkehr“.

Beter sind „Schwerverbrecher“

Girmaje Ambaje ist seit Anfang 2003 schon der zwölfte eritreische Christ in Dschedda, der wegen seines Glaubens festgenommen, eingesperrt und schliesslich vertrieben wurde. Letzten Sommer waren zehn Eritreer bzw. Äthiopier, zwei Filipinos und ein Nigerianer verhaftet und abgeurteilt worden, weil sie an einem christlichen Gebetstreffen in einer Privatwohnung teilgenommen hatten. Sie wurden auch bei der üblichen Amnestie zum islamischen Fastenmonat Ramadan (Dezember 2002) nicht begnadigt, weil es sich bei ihnen um „Schwerverbrecher“ gehandelt habe.

Saudiarabien zählt heute unter seinen fast 22 Millionen Einwohnern ganze sechs Millionen ausländische Arbeiter. Es wird versucht, sie so weit als möglich aus der islamischen Nachbarschaft zu rekrutieren, so vor allem aus Pakistan, Ägypten und den afrikanischen Sahelstaaten. Für schlechtbezahlte Schwerarbeit, als Haushaltshilfen, aber auch in Spezialberufen holt man auch Christinnen und Christen. Sie bilden heute mit etwa vier Prozent der Gesamtbevölkerung die grösste nicht-islamische Religionsgemeinschaft, gefolgt von Hindus aus Indien. Während sich am Golf und in der Hauptstadt Rijad vor allem asiatische Christen oder ägyptische Kopten finden, geben in den saudiarabischen Rot-Meer-Provinzen christliche Eritreer und Äthiopier den Ton an.

Duldung verwirkt

Vor allem besteht die saudiarabische Religionspolitik darin, auf seine nicht-islamischen und besonders christlichen Arbeitskräfte Druck zur Annahme des Islam auszuüben. Diesem sind besonders Frauen und Mädchen in Haushaltsberufen oder als Krankenschwestern ausgesetzt. Zumindest sollen die Christen aber nicht als solche in Erscheinung treten. Nach allgemein islamischer Auffassung sind die heiligen Muslimstädte Mekka und Medina für Andersgläubige „haram“, d.h. tabu. Die Staatsideologie der Saudis will das auf ihren ganzen Staat ausdehnen. Dazu kommt die Sonderlehre der islamischen Wahhabiten-Konfession, dass die Christen die Bibel verfälscht hätten. Sie haben daher keinen Anspruch mehr auf die begrenzte Duldung, die Mohammed den anderen Buchreligionen eingeräumt hat.

So sind in Saudiarabien heute Bibeln, Kreuze, Gebetbücher, Rosenkränze usw. genauso strikt verboten wie einst nur im kommunistischen Albanien. Untersagt sind aber auch Gebetstreffen in den eigenen vier Wänden, wenn diese über den engsten Familienkreis hinausgehen. Besonders in der Weihnachts- und Osterzeit schnüffelt überall die gefürchtete Religionspolizei „Muttauwa“ herum. Sie war vor über 50 Jahren von flüchtigen Schergen der hitlerdeutschen Gestapo gegründet worden.

Das besonders Tragische an der Heimsendung ihres letzten Opfers, des Bekenners Girmaje Ambaje, steht aber erst bevor; da es sich bei ihm nicht um einen orthodoxen oder katholischen, sondern evangelischen Christen handelt: Diese werden in Eritrea zunehmend auch verfolgt, die Attacken auf Kirchen und Verhaftungen von Pastoren, Predigern und einfachen Gläubigen nehmen seit letztem Frühjahr überhand.

Heinz Gstrein, langjähriger Nahostkorrespondent, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Glaube in der 2. Welt, Zürich.

Datum: 29.08.2003
Autor: Heinz Gstrein

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