Manövriermasse der Multis oder wertvolle Geschöpfe Gottes?
StopArmut: Beschreiben Sie uns bitte kurz Ihr Kunstwerk.
Daniel Gerber: Es handelt sich um mehrere YouTube-Clips, in denen Fotos aus Ländern gezeigt werden, in denen Korruption herrscht. Manche der Beiträge zeigen Menschen, die in Sierra Leone in Minen schürfen und sogenannte Blutdiamanten zu Tage fördern. Es gibt auch schöne Bilder, zum Beispiel aus Baku, wo der Eurovision Songcontest durchgeführt wurde; Aserbaidschan liegt auf Rang 143 von 180 Nationen auf dem Korruptionsindex der NGO «Transparency International». Die Videos stellen eine Tour d’Horizon durch verschiedene Nationen dar, pro Clip ein Land. Da ist zum Beispiel der Drogenkrieg in Mexiko, der durch die Korruption begünstigt ist, oder Nordkorea, das laut der «NZZ» zu den korruptesten Ländern überhaupt zählt und das von «Reporter ohne Grenzen» als das Land mit den zweitgrössten Presseeinschränkungen bewertet wird und auf dem Weltverfolgungsindex von «Open Doors» als Nation mit der schlimmsten Verfolgung ermittelt ist.
Unterlegt sind die Bilder jeweils mit einem Bibelvers zum Thema. Dies in englischer Sprache, da mein YouTube-Kanal auch ausserhalb des deutschen Sprachraums angeklickt wird und auch dort verstanden werden soll.
Die Wirkung auf den Betrachter soll sein…
Er soll sich mit den Menschen solidarisieren, die weltweit von diesem Verbrechen betroffen sind. Auch wenn auf der Mehrheit der Fotos keine Personen abgebildet sind, sondern markante Bauten und Naturlandschaften; ausschliesslich Leid abbilden hätte ich einerseits als zu propagandistisch empfunden und andererseits zeigt es, dass auch diese Nationen fähig sind, erhebliche und durchaus schöne Bauleistungen zu erbringen. Aber statt die Menschenrechte zu achten, werden die Armen teils ausgenutzt. Auch das soll die Betrachter motivieren, die Stimme zu erheben.
Geld spenden gegen Armut ist nur ein Teil des Ganzen. In Ländern mit der grössten Armut herrscht oft auch beträchtliche Korruption. Da auf das Recht der Unterdrückten zu pochen und den Korruptionssumpf austrocknen kann effektvoller sein, denn oft wären zum Beispiel erhebliche Bodenschätze vorhanden, wie etwa in der Demokratischen Republik Kongo: das einstige Zaire würde zu den weltweit reichsten Nationen gehören. Stattdessen wurde es Aufgrund von Gier verschiedentlich in Kriege verstrickt, in die so viele Nationen und Warlards verstrickt waren und teils noch sind, dass man zwischenzeitlich sogar vom «Afrikanischen Weltkrieg» sprach. Aus diesem Fluch soll ein Segen werden. Dazu müssen wir für jene einstehen, denen die Stimme verweigert wird. Mein Kongo-Clip in dieser YouTube-Reihe ist ein mikroskopischer Tropfen auf den heissen Stein – es braucht viele Menschen aus vielen Nationen, die Gerechtigkeit fordern; viele Tropfen ergeben einen kühlenden Regen.
Was ist die Hauptaussage Ihres Werkes?
Dass bei Gott jeder Mensch wertvoll ist. Unendlich wertvoll. Die Dokumentationen zeigen, wie Menschen teilweise mit blossen Händen Erde abtragen, um ein kärgliches Entgelt für ein wenig Rohstoff zu erhalten. Andere arbeiten in Fabriken unter widrigen Bedingungen für unzureichende Bezahlung. In der Produktionskette sind sie die Verlierer und Manövriermasse der Multis – die aber auch nur darum Multis sind, weil hunderte Millionen von Menschen sie durch ihren Konsum dazu gemacht haben. Schmiermittel dieser Missstände ist die Korruption. Gott sagt, dass das Recht der Armen nicht gebeugt werden darf. Während eine Person, die ausgebeutet wird, indem sie zu unmenschlichsten Bedingungen schuftet und dennoch vor den Menschen als Nichts angesehen wird, hat Jesus Christus eine ganz andere Sicht auf sie. Er formuliert es so: «Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, Du bist mein.» Die Hauptaussage ist also, dass die Korruption bekämpft wird und alle in der Produktionskette faire Bedingungen haben. Selbstverständlich dürfen und sollen Unternehmen Erfolge verzeichnen und wachsen, aber nicht, indem dafür ein Unterdrückungssystem andere Menschen knechtet.
Was wurde Ihnen während der Arbeit an Ihrem Werk wichtig?
Gleich beim ersten Clip, den ich produzierte, verwendete ich Fotos von jungen Männern, die in Minen schürften. Sie waren athletisch und ich stellte mir vor, dass einer von ihnen vielleicht Fussballer hätte werden können. Dann sähe sein Leben komplett anders aus. Vor Jahresfrist geisterte die Schlagzeile, dass Manchester-City-Besitzer Scheich Mansour aus Abu Dhabi 180 Millionen Euro für Ronaldo bieten wolle. Umgerechnet 5,2 Tonnen Gold. Und wie hoch wäre die Transfer-Summe für den «namenlosen» Schürfer in der Mine? Die menschliche Sicht lässt sich erahnen, die biblische Sicht haben wir schwarz auf weiss: Ronaldo und der Minenarbeiter haben vor Gott erstens exakt den gleichen Wert und dieser ist zweitens sogar noch viel höher als 5,2 Tonnen Gold.
Zu sehen war für mich auch, dass heute alle die Möglichkeit haben, sich zu engagieren. Verglichen mit vor zwanzig oder selbst zehn Jahren, eröffnet insbesondere das Internet einen breiten Fächer, die Stimme für mehr Gerechtigkeit zu erheben.
Haben Sie neue Aspekte durch Ihr Schaffen erkannt?
Da auch diverse Bilder von Städten mit dabei sind, ist mir aufgefallen, dass heute jedes Land imposante Skylines hat. Und in der hintersten Ecke gibt es technischen Fortschritt. Aber das Umsetzen der Menschenrechte hält mit dieser Entwicklung nicht Schritt. Noch immer wird hemmungslos auch dann Profit gemacht, wenn es anderen die Lebensgrundlage entzieht.
Gibt es einen Bibelvers, der sie besonders inspiriert hat?
Ausgangspunkt waren für mich jene Verse, die dokumentieren, dass man das Recht der Armen nicht beugen soll. Für jeden Clip habe ich einen anderen Vers gewählt, in der Regel mit dieser Stossrichtung, da mir diese Verse länger schon sehr wichtig erscheinen. Während der Arbeit an den Beiträgen fiel mir dann folgender Vers besonders auf: «Wer den Armen unterdrückt, verhöhnt dessen Schöpfer. Wer dem Hilflosen beisteht, der ehrt Gott.» Er steht in Sprüche, Kapitel 14, Vers 31. Gott liebt jeden Menschen unendlich doll. Wer den Armen unterdrückt, der verhöhnt den Höchsten, den Schöpfer. Und auch der zweite Satz ist hoch interessant: Wer dem Hilflosen beisteht, der ehrt Gott. Mir scheint, diese Worte, die etliche hundert Jahre vor Christus gefallen sind, sind heute aktueller denn je.
Wie reagieren Betrachter auf ihr Kunstwerk?
Die Videos wurden nun über 400mal angeklickt und täglich kommen etwa zehn Klicks dazu, so dass sie mit der Zeit ihren Weg gehen. Bereits in den Kommentarbereichen der Videos reagiert hat mein langjähriger YouTube-Freund Bill aus den USA. Er betont, dass es wichtig ist, dass diese Verse genannt werden und dass eine Verbesserung geschieht.
Wie sind sie persönlich zum Thema «Armut» gekommen?
Als ich im Alter von 19 Jahren Christ wurde, begann ich, auch christliche Literatur zu lesen. Verschiedene christliche Zeitschriften berichteten über Christenverfolgung und das war sehr rasch ein Thema, für das ich mich engagierte. Hierbei kommt auch die Armut ins Spiel, da dort, wo die christliche Minderheit drangsaliert wird, diese oft auch in erheblicher Armut lebt. Ich denke da etwa an Pakistan wo zahllose Christen als Leibeigene in Lehmziegeleien arbeiten – dort sind auch Hindus und Muslime betroffen. Oder die koptischen Abfallsammler in Ägypten und die Liste lässt sich lange fortsetzen. Vermutlich bin ich nicht der typische Armutsbekämpfer. Wichtig ist mir einfach, die Stimme zu erheben, anderen eine Stimme zu sein und dadurch einen Beitrag zu leisten.
Datum: 02.08.2012
Autor: Cedric Zangger
Quelle: StopArmut 2015