Die Schweiz, ein böser Traum - Claudio Minder – die Serie (3. Folge)

Claudio Minder
Adrian Portmann für „Zooloose“
Minder Gold

"Arbeiten in Italien" - keine Vorstellung für Claudio. Mangels Perspektive: "Drei weitere Jahre auf dem Gymnasium, dann der Gang an die Universität, so hätte mein Weg ausgesehen. Bis 27 oder 28 auf der Schulbank und dann mit Sicherheit keinen Job erhalten." Die Arbeitslosenquote war schon damals sehr hoch in Italien.

"Ich wollte die zweijährige Verkehrsschule besuchen. Mit der würde ich eine Stelle bei Zoll, Bahn, Swissair oder Post erhalten." Mit 16 Jahren zog er in die Schweiz, sein Vater hatte die Unterkunft organisiert: "Ich konnte mich in Zürich bei einem älteren Ehepaar - beide gingen auf die 60 zu - einmieten. Vor seiner Pensionierung war der Mann Bereichsleiter in der Kirche, für die mein Vater arbeitet." Neben dem eigenen Zimmer hatte Claudio sogar ein Badezimmer für sich alleine. "Bisher teilte ich 'mein' Badezimmer mit sieben anderen Personen, darunter ältere Schwestern, die sich sogar zum Nachsitzen in der Schule schminken mussten: "Daniela! Bist du endlich fertig?" Ich vermisste es."

Claudio alone in ZH

Claudio genoss die neue Freiheit, das neue Land, das neue Leben. Andererseits fehlten Vater, Mutter und Geschwister: "Ich war alleine in der Stadt. Und zwar nicht in einem Volturara mit mehr Kühen auf den Feldern als Menschen in den Häusern, sondern in einer Weltstadt."

Er hatte keinen Kollegenkreis. "In Italien noch umringt von Freunden und Kollegen, stand ich allein auf weiter Flur, besonders bis die Sommerferien zu Ende waren und ich über die Schule soziale Kontakte knüpfen konnte."

Alles war neu. Mentalität, Kollegen, Sprache. "Ich verstand Schweizerdeutsch, konnte es aber kaum sprechen."

Anfangs wähnte er sich im falschen Film, etwa als Geissenpeter, der Suaheli sprechen sollte. Die Schweiz, so schön sie von Italien aus aussah, war ein böser Traum, die Verkehrsschule eine neue Welt. "Und auf die kam ich. Vor allem weil ich mit dem Deutsch Mühe hatte. Die meisten Worte schrieb ich falsch." Als sollte er in Turnschuhen über eine Eisfläche laufen. "Wenigstens hatte ich eine Entschuldigung: Der arme Claudio hat eben noch keine Ahnung von deutscher Rechtschreibung!"

Eine Herausforderung, der er versuchte, Gutes abzugewinnen: "Ich musste etwas unternehmen, um Leute kennenzulernen. Meine Schulkollegen hatten viele Freunde und Kollegen, nur der Claudio stand anfangs mit drei bis vier Leuten da. Eine schwierige Zeit, die ich bald hinter mir lassen wollte."

Endlich "Frei"

Claudio fühlte sich als Aussenseiter, als Ausländer im eigenen Land. "Eine neue Welt, in die ich nicht gehöre. Mein 'Ausländersein' ging aber unter, da es um mich herum viele gab, die 'mehr Ausländer' waren als ich." Die Schulkollegen mochten ihn rasch. "Für sie war ich eine kleine Sensation: ein Schweizer, der in die Schweiz zurückkehrt."

Der Kulturschock löste sich, er war gut aufgenommen und akzeptiert. Seine Gastgeberfamilie hatte ihn wie einen Sohn aufgenommen. "Ohne mich aber zu erziehen. Plötzlich sagte niemand mehr: "Um zehn Uhr musst du im Bett sein." Oder: "An diesem Wochenende darfst du nicht weggehen." Manchmal hätte das wohl nicht geschadet.

In Italien musste ich dreimal fragen, bis ich mal weg durfte. In der Schweiz bestimmte ich. Mit Kollegen eine Pizza essen, ins Kino und anschliessend Tanzen gehen, so sah ein Wochenende aus - in Volturara das Programm eines Monats. In Italien ging man eher bis um ein Uhr nachts auf dem "Corso" spazieren. Hier in der Schweiz entdeckte ich eine Großstadt mit ausgeprägtem Nachtleben. Eine Großstadt, die ich für mich alleine hatte, in der niemand über mich bestimmen würde."

Vom Autowäscher zum Nuggets-Verkäufer

"Ich lebte von Wochenende zu Wochenende, von Ausgang zu Ausgang. Wenn ich sonntags in der Früh nach Hause kam, freute ich mich schon wieder auf das nächste Wochenende.

Ich lernte viel Neues kennen, was soweit positiv war. Negativ wird es erst, wenn man - wie ich - nur noch für den Ausgang lebt.

Meine Eltern fragten zwar nach, was ich unternehme, aber nicht im Sinne einer Kontrolle. Nicht, dass sie sich nicht mehr um mich kümmern wollten, sie respektierten vielmehr mein Erwachsenwerden. Sie interessierten sich für mich und wollten mich - moralisch - nicht gehen lassen.

In meinem zweiten Schweizjahr führte ich neben der Schule eine 12stündige Arbeitswoche ein: Drei Tage die Woche arbeitete ich bei einer bekannten Fast-Food-Kette. Morgens um sieben ging's zur Schule, abends um fünf zur Arbeit. An diesen Tagen blieben die Aufgaben auf der Strecke, dafür verdiente ich 'nebenbei' 1500 Franken im Monat. Das war einträglicher als meine Autowäsche, die am Standort Zürich auch ausser Konkurrenz gestanden wäre.

Gold in Sicht

Das Buch «Gold in Sicht – mein Leben als Mr. Schweiz» ist unter www.claudiominder.ch bestellbar. Falls Sie neu Livenet- und Jesus.ch – Partnermitglied oder Junior-Member werden, erhalten Sie das Buch gratis - zusätzlich zum Dankeschön-Geschenk. Bitte bei der Anmeldung unter http://www.livenet.ch/Support/Mitgliedschaft.php im Feld Bemerkungen „Buch Claudio Minder“ vermerken.

Datum: 01.07.2003
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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