110 von 320 Baptistengemeinden geschlossen
In den besetzten Regionen Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und auf der Krim wurde das christliche Leben durch die Kontrolle der Besatzungsmächte massiv erschüttert. Kirchen sind heute von Isolation, Angst und Zerstörung geprägt.
Vor allem protestantische Kirchen, insbesondere baptistische Gemeinden, sind von starkem Rückgang betroffen. Viele ihrer Gotteshäuser wurden physisch zerstört. Die Gläubigen leiden nicht nur unter materiellen Verlusten, sondern auch unter dem stetigen Druck der Besatzungsbehörden. Dieser lähmt das gemeindliche Leben vollständig. Die Situation erinnert an die Christenverfolgung in der Sowjetunion der 1920er und 1930er Jahre – damals wie heute sind Gläubige gezwungen, ihren Glauben unter Angst, im Geheimen und trotz systematischer Unterdrückung der Religionsfreiheit zu verteidigen.
Vom Rest der Ukraine abgeschnitten
Die Kirchen in den besetzten Gebieten sind abgeschnitten von ihren zentralen Organisationen – die Besatzungsverwaltung unterbindet gezielt jegliche Koordination oder den Informationsaustausch über die Frontlinie hinweg.
Kirchenleiter und Gemeindemitglieder sind beispielsweise gezwungen, unabhängig und ohne Unterstützung des Ukrainischen Baptistenbundes zu handeln. Diese Isolation führt zu Desorganisation und schwächt das kirchliche Leben erheblich.
Die Angst, Telefone zu benutzen und versehentlich Informationen zu teilen, ist allgegenwärtig. Die Besatzungstruppen haben die Befugnis, Geräte zu konfiszieren, Anrufe zu überwachen sowie Nachrichten, Fotos und Dokumente zu durchsuchen.
Kontrolle lähmt Gemeindeleben
In der Folge vermeiden es Pastoren und Gläubige, über kirchliche Themen zu sprechen, Gottesdienste zu planen oder Neuigkeiten weiterzugeben – selbst eine einfache Ankündigung eines Sonntagsgottesdienstes kann Argwohn bei den Behörden wecken. Diese allgegenwärtige Kontrolle zwingt die Menschen zur Selbstzensur – das Gemeindeleben wird dadurch nahezu unmöglich.
Auch die physische Zerstörung betrifft zahlreiche Kirchen in der Region. Dutzende Gebäude wurden durch Kämpfe beschädigt, durch Artilleriebeschuss zerstört oder von den Besatzern beschlagnahmt. Manche Kirchen dienen inzwischen als Lagerhäuser und militärische Stützpunkte.
Die wenigen noch bestehenden Gebäude können nicht instand gehalten werden – selbst Reparaturen am Dach oder an Fenstern sind in der zerrütteten Wirtschaftslage mit ihren Versorgungsengpässen nicht realisierbar. Diese Verluste berauben Gläubige nicht nur ihrer Gebetsräume, sondern symbolisieren auch die Auslöschung kulturellen und geistlichen Erbes.
Kirchenerhalt nahezu unmöglich
Das Leben in den besetzten Gebieten ist äusserst hart. Viele Städte liegen in Trümmern: Häuser, Strassen, Infrastruktur sind beschädigt oder zerstört. Es mangelt an Lebensmitteln, Wasser, Strom und Heizmaterial.
Die Wirtschaft ist zusammengebrochen – Arbeitsplätze sind selten, Löhne niedrig oder werden in Naturalien gezahlt. Gläubige, die einst ihre Kirche unterstützten, sind nun selbst auf Hilfe angewiesen. Pastoren stehen vor der Herausforderung, zwischen geistlichem Dienst und dem Überleben ihrer eigenen Familien zu jonglieren.
110 von 320 Baptistengemeinden weg
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Von den 320 vor dem Krieg aktiven Baptistenkirchen in den besetzten Gebieten sind 110 baptistische Gemeinden – mehr als ein Drittel – nicht mehr existent. Die Ursachen sind vielfältig: Einige Gemeinden lösten sich durch die Flucht der Gläubigen auf, andere gaben unter dem Druck der Behörden auf, die protestantische Kirchen verbieten und sie als «Sekte» oder «westliche Agenten» diffamieren. Wieder andere hielten der Last von Krieg und Not schlicht nicht stand. Dieser Rückgang ist ein harter Schlag für Gemeinschaften, die in schweren Zeiten einst Hoffnung und Halt gaben.
Russische Besatzungstruppen und Behörden missachten die Religionsfreiheit offen – als Teil einer breiteren Strategie, sämtliche Freiheitsrechte in diesen Gebieten zu unterdrücken. Das Verbot protestantischer Gruppen, die Enteignung kirchlichen Eigentums und die Verfolgung von Gläubigen stellen systematische Menschenrechtsverletzungen dar. Neben der Religionsfreiheit verschwinden auch Meinungs-, Versammlungs- und Redefreiheit.
Mut im Verborgenen
Trotzdem bestehen manche Gemeinden weiter. Sie treffen sich heimlich in Privathäusern, meiden öffentliche Gottesdienste aus Angst vor Entdeckung. Diese Treffen sind ein mutiges Zeichen – wer gegen die «Regeln» verstösst, riskiert Geldstrafen oder Verhaftungen. Die Gläubigen unterstützen sich mündlich, meiden digitale Kommunikation, um keine Spuren zu hinterlassen. Der Kampf für den Glauben angesichts von Repression und Ruin zeugt von der Widerstandskraft des menschlichen Geistes – doch er hat einen hohen Preis.
Diese Tragödie ist Teil einer umfassenden Verwüstung des kulturellen und geistlichen Lebens, deren Auswirkungen noch über Jahre spürbar sein werden. Ohne Befreiung bleibt das Schicksal dieser Gläubigen tragisch.
Die Verletzung der Religionsfreiheit in den besetzten Gebieten sollte stärker auf globalen Plattformen wie den Vereinten Nationen oder dem Europarat thematisiert werden. Denn sie stellt nicht nur eine humanitäre Krise dar, sondern auch eine Bedrohung für die Grundprinzipien von Demokratie und Menschenrechten weltweit.
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Datum: 14.07.2025
Autor:
Igor Bandura / Daniel Gerber
Quelle:
CNE / gekürzte Übersetzung: Livenet