Was passiert mit einer Beziehung, wenn wir anfangen, sie als selbstverständlich hinzunehmen? Die Beziehung ist noch da. Wir machen noch weiter mit den routinemässigen Pflichten und Aktivitäten. Aber wenig Neues oder Unerwartetes passiert, kreative Initiativen bleiben aus; die Beziehung stagniert. Wir reden kaum miteinander, es sei denn, aus Gewohnheit nachzufragen: „Hast du die Zeitung hereingebracht?“ - „Hast du unsere Tochter schon von der Schule abgeholt?“ - „Hast du die Telefonrechnung bezahlt?“ Wir finden es bequemer, uns hinter der Zeitung zu verbarrikadieren, als auf eine Frage einzugehen. Ein guter Artikel interessiert uns mehr, als uns über eine neue Idee mit unserem Ehepartner auszutauschen. Wenn uns jemand fragen würde: „Seid ihr noch verheiratet?“, würden wir sagen: „Natürlich!, warum fragst du?“ Aber wenn man weiterfragen würde: „Ist eure Ehe gesund und lebendig?“, würden wir mit den Achseln zucken und murmeln: „Ich denke schon“, „Spannungen gibt es überall“ oder: „Ich weiss nicht so genau“ Eine Gewohnheits-Ehe kann jahrelang so weiterlaufen. Sie ist zwar nicht völlig schlecht. Die „Vertrautheit“, die sich durch Routine ergibt, kann eine Art phlegmatische Stabilität in einer Beziehung bewirken. Aber Gott hat viel mehr für die Ehe vorgesehen! Ähnliches kann uns in der Beziehung mit dem Heiligen Geist passieren. Denken Sie mal über folgende Aussagen des Nizänischen Glaubensbekenntnisses nach: „Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird...“ Anbeten bedeutet doch, dass wir eine persönliche Gemeinschaft und Beziehung mit ihm haben. Viele Christen halten den Heiligen Geist aber nicht bewusst für eine Person. Sogar manche Berufstheologen sehen im Heiligen Geist eine Sache statt eine Persönlichkeit. Ein Grund dafür, warum viele Christen den Heiligen Geist für selbstverständlich hinnehmen, ist auch, dass ihrer Ansicht nach eine Beziehung mit Gott oder mit Jesus automatisch eine bewusste, lebenswichtige Beziehung mit dem Heiligen Geist mit einschliesst. Dies ist auch wahr, denn Jesus selbst hat seinen Jüngern gesagt, der Heilige Geist „wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden“ (Joh 16,14). Aber Jesus macht seinen Jüngern auch klar, dass sie über ihre Beziehung zum Heiligen Geist genau so viel wissen sollten wie über ihre Beziehung zu ihm selbst. Er sprach über das Kommen des Heiligen Geistes (Joh 14-17). Er wollte, dass sie ihn erkennen, ihn willkommen heissen, sich von ihm führen lassen und in Abhängigkeit von ihm leben. Da kann doch keine Routine aufkommen! David du Plessis schreibt einmal: „Der Heilige Geist ist ein Gentleman.“ Das bedeutet auch dass er eine Person ist. Er dringt nicht routinemässig, uneingeladen in unser Leben ein. Er entfaltet sich in uns am freiesten, wenn er gesucht, wahrgenommen und willkommen geheissen wird. Wenn wir diesem Geist Zeit und Aufmerksamkeit geben, gewinnt er Autorität in unserem Leben, es entsteht eine sich vertiefende Intimität. Ich glaube, Gott will in der Kirche wieder ein stärkeres Bewusstsein der Person des Heiligen Geistes entflammen. Er will, dass Gläubige in bewussterer Abhängigkeit von der Leitung, Macht und den Gaben des Heiligen Geistes leben. Wie kommen wir dahin, eine Beziehung für selbstverständlich zu erachten? Ironischerweise wird solch ein Prozess oft mit etwas Wesentlichem oder Positivem in der Beziehung verbunden: Der Ehemann erweist sich als guter Versorger; die Ehefrau fängt dann an, ihren Sinn für Sicherheit mit der monatlich eintreffenden Gehaltsüberweisung zu verbinden, anstatt mit dem Ehemann, der das Gehalt verdient. Umgekehrt: Die Ehefrau führt ihren Haushalt ordentlich und pünktlich; der Ehemann verbindet dann seinen Sinn für Ordnung und Struktur mit der aufgeräumten Wohnung statt mit seiner Frau, die für diese Ordnung sorgt. Eine Form, wie wir den Heiligen Geist für selbstverständlich nehmen, liegt in unserer Verwendung einer seiner grössten Gaben, der Heiligen Schrift. Der Heilige Geist benutzt die Schrift, um Gottes Willen für uns zu enthüllen. Wir erkennen ganz richtig die Autorität der Heiligen Schrift an. Aber eine feine Verschiebung kann aufkommen: Wir fangen an, unser Vertrauen auf die Bibel selbst zu setzen, statt auf den Heiligen Geist, der die Bibel benutzt. Einmal hörte ich einen guten lutherischen Theologen, der ein Referat über „Treue zu Gott“ hielt. Er sagte: „Die Lehre der Dreieinigkeit ist die grosse Lehre über die Treue.“ Er sprach sehr packend über die Treue zu der ersten Person der Dreieinigkeit, dem Vater, den er unzweideutig als „den, der Jesus vom Tod auferweckt hat“ kennzeichnete. Er sprach mit gleicher Klarheit über die Treue zu der zweiten Person, dem Sohn, „Jesus, genannt der Christus“. Aber als er zu seinem dritten Punkt kam, fehlte der Hinweis auf den Gott, der im persönlichen Leben eingreift: Er sprach von der Botschaft der Heiligen Schrift. Einziger Hinweis auf das Wirken des Geistes war: „seiner Inspiration des Kanons der Heiligen Schrift und der Leitung seiner Kirche.“ Er sagte weiter: „Die inspirierten Apostel sind nicht mehr. Was uns bleibt, ist nicht die Leitung des Geistes in ihren Gedanken und Entscheidungen, sondern die resultierenden Texte. Eine treue Kirche muss also eine studierfreudige Kirche sein.“ Das stimmt wohl auch, was er aber nicht sagte - das hat einige von uns beunruhigt. Nach seinem herrlichen Vortrag über die Person des Vaters und die Person des Sohnes fehlte plötzlich die Person des Heiligen Geistes. Darum betone ich hier: Der Heilige Geist ging nicht in den Ruhestand, nachdem der Kanon der Heiligen Schrift entstanden war! Was wir hier sehen, ist ist eine Form der Betonung der Heiligen Schrift, die den Heiligen Geist für selbstverständlich hinnimmt. Ein wohlwollendes Geschenk des Geistes - die Heilige Schrift - verdrängt eine Beziehung mit dem Geist selbst. Man studiert die geist-inspirierte Schrift, aber die dynamische Gegenwart und die Aktivität des Heiligen Geistes im alltäglichen Leben (was gerade in der Schrift versprochen wird!) wird kaum erwartet. Auf der Ebene des praktischen Glaubens operiert man mit einer Dreieinigkeit von „Vater, Sohn, und Heiliger Schrift“. Wenn wir den Heiligen Geist als Person vernachlässigen, verbindet sich unser Vertrauen auf die Heilige Schrift allzu leicht mit einer Abhängigkeit von menschlicher Gelehrsamkeit. Vertrauen auf die Schrift muss mit einer gesunden Skepsis gegenüber unseren menschlichen Fähigkeiten ausgeglichen werden. Paulus sagt: „... das Evangelium, dessen Diener ich nach der Gabe der Gnade Gottes geworden bin, die mir verliehen wurde nach der Wirksamkeit seiner Macht.“ (Eph 3,7) Es erforderte eine Tat göttlicher Macht, den Dienst des Evangeliums dem Paulus zuzuteilen. In uns selbst besitzen wir nicht die Fähigkeit und Macht, Gottes Offenbarung richtig zu verstehen und anzuwenden. Der Heilige Geist, der die Menschen, die die Schrift geschrieben haben, inspirierte, muss auch die Menschen, die die Schrift lesen, inspirieren. Also muss eine hohe Achtung der Heiligen Schrift mit einem reichhaltigen Leben in der Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist ausgeglichen werden. Lobpreis soll jedes Kapitel der Schrift, das wir lesen, begleiten. Beständiges Flehen soll aufsteigen zum Beistand, über den Jesus sagte, dass er uns in alle Wahrheit führen würde. Wir wollen in einem erwartungsvollen Glauben alles empfangen, was Gott, der Heilige Geist, für uns vorbereitet hat. Lesetipp: Eberhard Mühlan, Ehe und Familie in der Zerreissprobe, Verlag Schulte + Gerth 1984 Autor: Larry Christenson
Routine tötet den LebensnervEhe von Gott geschaffen
Der Heilige Geist ist eine Person
Der Heilige Geist wird nicht mehr wahrgenommen
Kann die Schrift den Geist ersetzen?
Datum: 17.11.2004
Quelle: come