Bundesgericht Lausanne: Teilweiser Kirchenaustritt nicht möglich

Das Schweizerische Bundesgericht in Lausanne

Lausanne. Das Verbot eines partiellen Kirchenaustritts verstösst nicht gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Dies hat das Schweizerische Bundesgericht in Lausanne im Fall einer in Wolhusen, Kanton Luzern, lebenden Katholikin entschieden. Die Klage der Wolhuserin mache die aktuelle Spannung in der katholischen Kirche sichtbar, kommentierte der Luzerner Kirchenrechtler Urs Brosi das Gerichtsverfahren in der "Neuen Luzerner Zeitung". Die Klägerin wollte aus der Kirchgemeinde austreten, aber trotzdem römisch-katholisch bleiben.

Das Urteil war vom Bundesgericht anonymisiert und ohne genaue Ortsangabe veröffentlicht worden. Nach Angaben Brosis wollte die Klägerin die Wolhuser Kirchgemeinde verlassen, weil der Pfarrer für sie nicht mehr richtig katholisch sei. Der Fall sei "ziemlich relevant", denn hinter der Klägerin stehe eine ganze Gruppe von Personen, die bei einem Erfolg nachgezogen wären. Im Kanton Schwyz gebe es einen gegenteiligen Fall: Der Pfarrer sei einigen Personen zu konservativ. Auch dort wollten die Gläubigen trotz Austritt nicht auf die Sakramente und die Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche verzichten.

Die Wolhuser Katholikin hatte ihren partiellen Kirchenaustritt im Dezember 2000 erklärt. Die Kirchgemeinde ihres Wohnortes Wolhusen und die Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Luzern akzeptierten den Austritt jedoch nicht. Die Frau erhob darauf staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht und argumentierte, "dass dieser Austritt nur die Staatskirche des Kantons Luzern betrifft und nicht etwa die römisch-katholische Kirche, zu der ich mich als Katholikin nach wie vor zugehörig fühle".

"Anti-Bekenntnis"

Die Klägerin führte ferner an, dass für einen Austritt aus der "Staatskirche" von ihr gesetzlich verlangt werde, einen Austritt "aus der Konfession" abzugeben. Das bedeute für sie, sie solle "ihren Glauben verleugnen". Ein solches Begehren sei aber ein "Anti-Bekenntnis", das von ihr nicht verlangt werden dürfe. Dieses wäre "eine Form des Glaubensabfalls und aus christlicher Sicht verboten". Zudem sei nach kanonischem Recht ein Austritt "aus der Kirche Jesu Christi nicht möglich, nicht einmal mit einer schriftlichen Erklärung". Die Behörden der "Staatskirche" würden von ihr also etwas Unmögliches fordern. Dadurch werde die Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt.

Das Bundesgericht wies diese Argumentation zurück mit dem Hinweis, die Glaubens- und Gewissensfreiheit umfasse unter anderem "das Recht, die Religion frei zu wählen, einer Religionsgemeinschaft beizutreten, anzugehören, aus ihr aber auch jederzeit auszutreten".

Dieses Recht wird laut Urteil der Richter nicht durch die gesetzliche Vorschrift verletzt, nach der das Bekenntnis zur römisch-katholischen Konfession mit der Mitgliedschaft in der Römisch-katholischen Landeskirche und der entsprechenden Kirchgemeinde verknüpft sei. Diese Feststellung gelte jedenfalls solange, als die "Organe der Religionsgemeinschaft eine Verknüpfung nicht ablehnen".

"Überrascht"

Der Luzerner Kirchenrechtler Urs Brosi zeigte sich darüber "überrascht", wie eng die Verknüpfung zwischen katholischer Kirche und öffentlich-rechtlichen Institutionen vom Bundesgericht dargestellt wurde. Die Gegenposition habe ebenfalls gewichtige Argumente - etwa jenes, dass sich der Staat mit seinen Vorgaben zu weit in religiöse Angelegenheiten einmische. So verlange der Luzerner Gesetzgeber eine demokratische Form, nämlich die Kirchgemeinden, damit die Kirche Steuern einziehen darf. Die katholische Kirche an sich sei aber keine Demokratie. Der Ausgang des Prozesses vor Bundesgericht sei für ihn deshalb völlig offen gewesen.

Pfarrei in zwei Lager gespalten

Anlass dieser Geschichte ist der Pfarrer von Wolhusen, Hans Kunz, an dem sich die Geister scheiden. Während ihm eine Gruppe von Gläubigen vorwirft, er verbreite eine Irrlehre und feiere die heilige Messe nicht richtig, sammelt der Kirchenrat der Gemeinde Wolhusen Unterschriften, um Pfarrer Kunz bei seinem Bischof zu unterstützen.

Kritiker hatten von der Erstkommunionfeier am Weissen Sonntag 2002 Videoaufnahmen gemacht und als Beleg verwandt, als sie sich bei Bischof Koch über ihren Pfarrer beklagten. Mit der Unterschriftensammlung, die bis 15. Februar dauert, will der Kirchenrat zeigen, dass die grosse Mehrheit der Pfarreiangehörigen hinter Hans Kunz steht.

Unterdessen wurde Hans Kunz laut Bericht der Zeitung zu einem Gespräch nach Solothurn geladen, an dem Bischof Kurt Koch, Max Hofer, Regionaldekan des Kantons Luzern, und Pastoralamtsleiter Hans Zünd teilnahmen. Kunz sei von seinem Bischof für liturgische Defizite "massiv gerügt" worden. Die Bistumsleitung wolle Gespräche mit Leuten in der Pfarrei führen und das Einvernehmen wieder herstellen.

Hans Zünd sagte dazu: "Es ist uns ein Anliegen, dass in Wolhusen eine tragende Einheit entstehen kann. Wir schätzen die Art und Weise, wie Hans Kunz die Leute im Leben abholt. Wir wünschen einfach, dass dabei der Kern der christlichen Botschaft nicht vergessen geht und dass die Menschen zur sakramentalen Feier von Tod und Auferstehung von Christus hingeführt werden."

Datum: 07.02.2003
Quelle: Kipa

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