Wie eine Kirche Halloween am Reformationstag feiert
Halloween in der Kirche? Viele Jahre lang gab es am Reformationstag am frühen Abend ein Laternelaufen rund um den Dom. Das fand grossen Zuspruch bei den vielen Kindern und Familien im Domviertel und weit darüber hinaus. Zuletzt kam aber von vielen Eltern die Rückmeldung: Unsere Kinder sind grösser geworden. Sie möchten eigentlich zu Halloween verkleidet um die Häuser ziehen. Wir finden den ganzen Gruselkommerz nervig. Könnt ihr als Kirche da nicht was machen?
Halloween taufen
So entstand die Idee: Statt den Trend zu bejammern, holen wir Halloween zurück in die Kirche, wo Halloween als Abend vor Allerheiligen, als «All Hallows Eve» seinen Ursprung hat. In Dänemark gibt es das schon seit ein paar Jahren, und auch Feinschwarz.net hatte bereits vor drei Jahren die Idee: «Wir müssen Halloween taufen!»
Ein Team fand sich schnell: Menschen aus dem Kirchengemeinderat, vom Kinderkirchenteam, einige Konfis, natürlich die Küster. Der kleine Posaunenchor, der unser Laternelaufen in den letzten Jahren begleitet hat, war sofort bereit, etwas Neues auszuprobieren. Klar war: Wir wollen Halloween und den Reformationstag verbinden. Aber für die Familien, die selten in den Dom kommen und kaum etwas mit Kirche anfangen, ist ein klassischer Gottesdienst kein verlockendes Angebot. Die möchten gemeinsam etwas erleben, die wollen sich verkleiden, die sind bestimmt neugierig, was es im Dom an diesem Tag gibt. Und: Das Thema Angst treibt in dieser Zeit (kurz nach dem Überfall der Hamas auf Israel!) alle um. Es gibt zurzeit eine Menge gruselige Gestalten an der Macht und böse Geister in der Welt. Der Umgang mit Ängsten ist etwas, das sowohl zum Reformationstag wie auch zu Halloween passt. Wir kreierten also eine Kirchenführung mit gemeinsamen Liedern am Beginn, auf dem Weg und am Schluss. Unser Einladungstext sah schliesslich so aus:
«Kinder und Familien laden wir herzlich ein, am 31. Oktober, dem Reformationstag und zugleich Halloweenfest, den Dom schaurig-schön neu zu entdecken. Mit Laternen und Taschenlampen schauen wir, wer im Dom früher begraben wurde, was das geschnitzte Skelett an der grossen Uhr macht und warum hier Engel mit Totenschädeln spielen. Wir wollen herausfinden, warum Menschen Angst haben vor der Nacht, dem Tod und vor dem Dunklen – und wir wollen erforschen, was gegen die eigenen Ängste hilft. Vielleicht hat der alte Martin Luther hilfreiche Tipps oder Tricks? Eingeladen sind alle Kinder ab dem Vorschul- und Grundschulalter. Laternen oder Taschenlampen sind hilfreich. Und Verkleidungen gehören an diesem Tag natürlich dazu! Ehrensache, dass es dann nach einem aufregenden Rundgang auch Süsses oder Saures gibt für alle Kinder.»
Geburtswehen: Unverständnis und böse E-Mails
Durch Berichterstattung im Radio und in der Zeitung gab es durchaus Unverständnis und böse Mails im Vorfeld: «Ich bin entsetzt über Ihre Anbiederung an die Jugend! Haben Sie das nötig, dass Sie den Reformationstag mit Halloween verknüpfen? Ich überlege mir ernsthaft aus der Kirche auszutreten, wenn der ev. Kirche der Reformationstag nichts mehr bedeutet.» Dabei hatten wir am Vormittag des Reformationstages einen traditionellen Gottesdienst gefeiert mit festlichen Trompetenklängen und Goldener Konfirmation. Der war gut besucht, es kamen 150 Menschen – mit einem hohen Durchschnittsalter. Wie viele würden dann wohl am späten Nachmittag kommen?
Wir waren also auf alles eingestellt und haben dann doch gestaunt: 300 Menschen strömten in die Kirche, die meisten verkleidet, mit Taschenlampen und mit Laternen ausgerüstet, erwartungsvoll und sehr fröhlich. Die Kirche war dunkel, nur die Altarkerzen brannten. Rund um den Altar haben wir zunächst alle begrüsst, Kostüme gewürdigt und bewundert («Alle Zombies / Mumien / Vampire, steht doch mal auf und zeigt euch!») und erzählt, welchen Ursprung Halloween hat. An drei Stationen haben wir dann mit den Kindern über Ängste gesprochen und gemeinsam überlegt, was gegen die eigenen Sorgen und Befürchtungen hilft: Nicht alleine sein. Singen. Beten. Ein Mädchen sagte mutig: «Manche Ängste muss man einfach aushalten. Dann verschwinden sie von alleine wieder.» Gemeinsam haben wir gegen die Angst angesungen und sind singend durch die Kirche gezogen. Dabei hatten wir nicht bedacht, wie ängstlich die Eltern im Dunkeln sein würden, den Kontakt zu ihren Kindern zu verlieren. Das führte dazu, dass es an einer Station erst losgehen konnte, als Eltern wieder mit ihren Kindern vereint waren – nach einer Ansage, über die alle herzlich lachten: «Hier suchen zwei Kinder ihre Eltern. Eins hat ein Messer im Kopf und das andere trägt ein Lichtschwert!»
Zu Tränen gerührt
Am Ende fanden sich alle wieder am Altar ein. Es gab ein letztes gemeinsames Lied, bei dem viele Eltern Tränen in den Augen hatten: Weisst du, wieviel Sternlein stehen. Und es gab natürlich den Kinderkirche-Segen mit viel Bewegung. Am Ausgang standen die Konfis und hatten Süsses (Bonbons) und Saures (Mandarinen) für alle, aber das war gar nicht mehr wichtig. Das gemeinsame Erlebnis stand für die meisten im Vordergrund: «Wir kommen bald mal im Hellen wieder. Hier gibt es ja echt viel zu entdecken!» Und als schon fast alle wieder fort waren, kam noch ein Mädchen mit ihrer Mutter zu mir und fragte: «Kannst du mich taufen, auch wenn ich gar nicht zu deiner Gemeinde gehöre?» Spätestens da war allen klar: Das machen wir wieder!
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Datum: 21.10.2024
Autor:
Margrit Wegner
Quelle:
Magazin 3E 03/2024, SCM Bundes-Verlag