Vier Fragen zum Jahresanfang

Andreas Loos: «Wir brauchen ein echtes Zusammenrücken»

Zum Jahresanfang fragt Livenet Persönlichkeiten aus Gemeinden und Werken, was sie von diesem Jahr 2015 erwarten und was sie sich wünschen. Heute: Andreas Loos, Dozent für Systematische Theologie im Theologischen Seminar St. Chrischona.
Andreas Loos

 
Livenet: Andreas Loos, welches Ereignis war für Sie das grösste bzw. wichtigste im letzten Jahr?
Im November 2013 erhielten wir die schlimme Nachricht, dass der Krebs bei meiner Frau zurückgekehrt war. Das klang damals wie ein Todesurteil. Die grossen Blöcke des Lebens verschoben sich sofort. Vieles erschien auf einmal gar nicht mehr so wichtig. Es ist für mich das Grösste, wie meine Frau ihr Leben nicht von dieser Krankheit bestimmt sein lässt. Ihre Lebensfreude und ihr Mut sprühen nur so und stecken an. Sie lebt eine Hoffnung, die den Tod – sollte er zu früh kommen – integrieren kann. Es war ein richtig glückliches Jahr – allen lebensfeindlichen Mächten zum Trotz. Das hätte ich nicht für möglich gehalten.

Was müsste bei den Christen 2015 passieren?
Ein echtes Zusammenrücken, bei dem Gott und sein Christus in der Kraft des Geistes den Mittelpunkt bilden. Die Welt verdient eine Christenheit, die aus Liebe zu Gott und den Nächsten auf alte Privilegien, Macht- und Monopolansprüche verzichtet. Unser Glaube in Mitteleuropa ist derart einseitig an positiven Erlebnissen mit Gott orientiert – ich empfinde das wie ein Schlag ins Angesicht der Menschen, die wegen ihres Glaubens leiden, sterben und viele Nachteile in Kauf nehmen. Möge Gott uns von diesem Luxuschristentum befreien – füreinander und für die Welt.

Welche besondere Herausforderung wartet auf Sie?
Als Theologe bin ich in meinem Denken und Reden immer viel schneller, als mit dem Rest meines Lebens. Da entsteht der trügerische Eindruck: «Wenn ich gut drüber nachdenke und rede, dann habe ich es schon.» Ich nenne das die «dunkle Seite» der Theologie – sie macht mir manchmal Angst. Meine Herausforderung 2015 wird sein: Verkleinere den Abstand zwischen dem Leben mit Gott und dem inneren und äusseren Reden über Gott. Ich ahne, dass dazu die Stille und das Schweigen gehören. Vielleicht das Heilsamste, das mir selbst und dann auch meiner Theologie widerfahren kann.

Was liegt Ihnen für ihr Land am meisten am Herzen?
Als Deutscher in der Schweiz wünsche ich mir für diese beiden Länder eine neue Dankbarkeit: Gott hat uns gesegnet. Auch wer nicht an Gott glaubt, mag trotzdem dankbar sein, hier leben zu dürfen. Aber auch eine durchgreifende Ehrlichkeit: Unser Wohlstand gründet auch auf zweifelhaften bis schmutzigen Methoden und Systemen, bei denen wir nahezu immer die Gewinner sind. Könnten aus dieser dankbaren Ehrlichkeit nicht neue und mutige Wege entspringen, das, was wir haben, miteinander und mit Anderen zu teilen? Und wie weit können wir dabei gehen, ohne uns selbst zu überfordern? Wo sind die Weisen, Klugen und Mutigen im Land? Werden wir noch einmal gemeinsam darüber sprechen und diskutieren, was gelingendes und glückliches Leben ist, für den einzelnen Menschen und für eine Nation, ja, für den ganzen Globus? Oder verbessern wir uns lediglich, um das eigene Glück noch geschickter gegenüber den Anderen zu behaupten und zu sichern?

Zur Webseite:
Theologisches Seminar St. Chrischona

Weitere Berichte finden sie im Dossier «Neujahrsserie 2015».

Zum Thema:
Wenn das Leben anders läuft: Leid aushalten, nicht aufgeben!

Geistliche Erneuerung: Wie Gott beinahe gescheitert wäre
Durch Liebe motiviert: Wenn Gott uns vorauswächst

Datum: 10.01.2015
Autor: Andreas Loos / Fritz Imhof
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung