Wahlen in Nigeria

Jetzt regiert der «Pate von Lagos» das grösste Land Afrikas

Nigerias Präsident Bola Tinubu
Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, hat gewählt. Der Sieg von Bola Tinubu ist flankiert mit Wahlbetrugsvorwürfen sowie der Aufforderung einer Annullierung des Urnengangs. Auch der Konsens zwischen Christen und Muslimen wurde gebrochen.

Die «NZZ» kommentiert den Wahlsieg von Bola Tinubu so: «Das Paradox Nigerias setzt sich fort: Weiterhin führt ein alter Mann des korrupten politischen Establishments eine blutjunge Bevölkerung an. Kann das gutgehen?»

Die Frage kommt nicht von ungefähr: Mit rund 215 Millionen Einwohnern ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Gleichzeitig ist das Land erbittert zerrissen: Die Agenda militanter muslimischer Kräfte sieht die Scharia für das ganze Land vor – gegenwärtig gilt die islamische Rechtsprechung in zwölf Bundesstaaten (Nigeria zählt insgesamt deren 36) im muslimischen Norden.

«Der Pate von Lagos»

Die «Berner Zeitung» titelt: «Der 'Pate von Lagos' ist nun mächtigster Mann Nigerias» und hält fest: «Bola Tinubu ist seit Jahrzehnten in der Politik – und genauso lange begleiten ihn die Fragen über sein Alter und die Herkunft seines Reichtums.» Er gilt als einer der reichsten Politiker Nigerias, in flankieren diverse Korruptionsvorwürfe, unter anderem wegen Drogenhandels.

Es sei seit langem Tinubus Ziel gewesen, Präsident Nigerias zu werden, berichtet «SRF». Er habe nicht mit politischen Versprechen geworben, sondern ganz einfach mit dem Slogan «Ich bin dran!»

Schon vor Bekanntgabe des Resultats erhoben mehrere Oppositionsparteien Manipulationsvorwürfe. Die Resultate hätten nach dem Auszählen elektronisch übermittelt werden sollen. Das geschah verspätet oder nicht auf elektronischem Weg. Laut «SRF» waren 100'000 Wahlbeobachter in den 176'000 Wahlbüros unterwegs. Beobachter aus der EU sprachen von Versagen beim Planen uns Ausführen der Wahlen sowie fehlender Transparenz.

Ungeschriebenes Gesetz umgangen

Die Kandidaten der grossen Parteien hielten sich bei der siebten Präsidentschaftswahl nicht an die ungeschriebene Regel der geografischen und religiösen Rotation. Das muslimisch/muslimische Ticket sorgt für Kontroversen. Bisher war Konsens zwischen den politischen Parteien, dass eine geografische Machtrotation zwischen dem muslimischen Norden und dem christlichen Süden sowie ein Bekenntnis zur Vertretung beider Religionsgruppen geschieht, berichtet «Open Doors». Bei dieser Wahl wurde dies nun nicht eingehalten.

Eigentlich hätte der nächste Präsident aus dem christlichen Süden kommen und sein Vizepräsident den muslimischen Norden vertreten müssen. Die Oppositionspartei PDP stellte den Muslim Atiku Abubakar als Kandidaten auf, der den Christen Ifeanyi Okowa als seinen Vize wählte. Und einen Monat später stellte die Regierungspartei APC den Muslim Bola Tinubu aus dem Bundesstaat Lagos im Süden des Landes auf, der wiederum einen anderen Muslim aus dem Norden, den ehemaligen Gouverneur des Bundesstaates Borno, Kashim Shettima, als Vizepräsidenten wählte.

Nigeria ist mit rund 90 Millionen Muslimen – die mehrheitlich im Norden des Landes leben – das fünftgrösste muslimische Land der Welt. Der Süden ist überwiegend christlich geprägt, mit rund 87 Millionen Christen ist Nigeria das sechstgrösste christliche Land der Welt. Laut dem offiziellen, angezweifelten Wahlergebnis erhielt Bola Tinubu 36,6 Prozent der Stimmen, sein engster Verfolger Atiku Abubakar 29,1 Prozent und der Christ Peter Obi 25,4 Prozent.

Grosse Herausforderungen

Der dschihadistische Teil der muslimischen Gemeinschaft verübt in erster Linie im Nordosten der Nation immer wieder Gewalt gegen Christen. Das christliche Hilfswerk «Christian Solidarity International» (CSI) warnt vor einem Völkermord.

Die «FAZ» nennt eine erhebliche Liste an Herausforderungen, die auf den neuen Präsidenten warten: «Nigeria sieht sich derzeit mit enormen Herausforderungen konfrontiert: Die Inflation in der grössten Volkswirtschaft und dem wichtigsten Ölproduzenten Afrikas liegt im zweistelligen Bereich. Zudem herrscht im Nordosten des Landes brutale Gewalt, Dschihadisten kämpfen dort seit 14 Jahren für einen eigenen Staat. Durch den Konflikt sind nach UN-Angaben seit 2009 mehr als 40'000 Menschen getötet und rund zwei Millionen Menschen vertrieben worden.»

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Datum: 03.03.2023
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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