Forscher vor dem Durchbruch?

«Gottesteilchen» und unser Weltbild

Einen endgültigen Beweis gibt es noch nicht, doch der Durchbruch könnte in diesen Tagen bevorstehen: Neue Daten des Forschungszentrums CERN legen nahe, dass es tatsächlich ein sogenanntes «Gottesteilchen» gibt, das lange gesuchte «Higgs-Boson».
Proton-Kollision im Detektor. Rot hervorgehoben ein möglicher Hinweis auf das «Gottesteilchen»

Ein Nachweis des als «Gottesteilchen» bezeichneten «Higgs-Boson» würde jedoch weder das physikalische, noch theologische Weltbild auf den Kopf stellen. Das gesuchte Partikel heisse lediglich so, weil es bislang unauffindbar gewesen sei, sagte der Astrophysiker Gabriele Gionti.

Im Gegenteil: Den Nachweis erbringen, dass eine verborgene Kraft die Teilchen der Welt zusammenhält, würde auch wieder zu der Frage führen, ob auch das auf Zufall beruhen soll, oder doch eher ein genialer Konstrukteur – Gott dahintersteckt.

Abwarten, was rauskommt

Gabriele Gionti warnte er vor zuviel Euphorie in der Forschung. «Unsere Theoriemodelle sind noch nicht verifiziert». Auf der Jagd nach dem Higgs-Boson seien schon viele Dissertationen entstanden, ohne dass man das Teilchen habe finden können. Hintergrund der Äusserung Giontis ist die Nachricht, dass Wissenschaftler am Europäischen Elementarteilchenzentrum CERN in Genf dem Higgs-Boson ganz nahe auf der Spur sein sollen.

Das Teilchen, das der schottische Physiker Peter Higgs in den 60er Jahren beschrieb, soll erklären, warum alle bisher bekannten Elementarteilchen unterschiedliche Massen besitzen. Physiker suchen seit über 30 Jahren ergebnislos nach dem Partikel. Das Higgs-Boson, theoretisch bereits Mitte der sechziger Jahre vorhergesagt, sorge vermutlich dafür, dass alle Objekte im Universum eine Masse haben.

Cocktailparty-Gleichnis

Was hinter dem Higgs-Mechanismus steckt, hat der Physiker David Miller einmal mit seinem Cocktailparty-Gleichnis veranschaulicht. Die Teilnehmer einer politischen Feier sind gleichmässig im Raum verteilt. Plötzlich kommt die britische Premierministerin herein. Sie läuft durch die Menge – und sofort bildet sich eine Menschentraube um sie.

Die Politikerin kann den Raum nicht einfach so durchqueren wie ein Photon, denn sie hat eine grosse Masse. Wenn sie weiterläuft, treten Partyteilnehmer, denen sie sich nähert, auf sie zu. Andere, von denen sie sich entfernt, wenden sich von ihr ab und ihren ursprünglichen Gesprächspartnern wieder zu. So etwa stellt man sich die Funktion des Higgs-Boson vor. Doch trotz jahrzehntelanger Suche haben Physiker es bisher nicht gefunden.

Vielleicht ist alles anders

Bislang nicht ausgeschlossen ist die Möglichkeit, dass das Higgs-Boson gar nicht existiert. Mancher Forscher hofft sogar insgeheim darauf, weil es dann ja einen anderen, womöglich völlig unerwarteten Mechanismus geben müsste, der Teilchen Masse verleiht.

Für diesen Fall gibt es sogar schon Modelle. «Im einfachsten Fall gibt es dann nicht eins, sondern fünf Higgs-Boson», erklärt Stefan Söldner-Rembold, der bei Chicago am Tevatron-Beschleuniger forscht. Diese hätten dann jedoch andere Eigenschaften als das eine «Gottesteilchen», nach dem derzeit intensiv gefahndet wird.

Webseiten:
ETH Life: Ungewisse Hinweise zum Higgs-Teilchen
CERN-Medienmitteilung vom 13.12.2011: ATLAS and CMS experiments present Higgs search status (in englischer Sprache)

Buch zum Thema:
John C. Lennox: Das Universum und Gott

Datum: 16.12.2011
Autor: Bruno Graber
Quelle: CERN /Kipa / Livenet

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