Der Hölle entronnen

Glaubt an eine hellere Zukunft für sein Land: Shin Dong Hyuk.

Mit einem Buch versuchte er sich die Albträume von der Seele zu schreiben. Shin Dong Hyuk ist dem Gulag Nordkoreas entkommen – der erste Augenzeuge, der von dieser Sklaven-Hölle berichtet.

Sein Vater kam ins Straflager, weil Verwandte in den Süden geflohen waren. Das Gefängnislager Nr. 14 in Kaechon, nördlich der Hauptstadt Pjöngjang, war alles, was Shin, heute 26, kannte. Seine Insassen haben nach dem Bericht auf der Homepage des US-Hilfswerk China Aid Association keine Aussicht auf Entlassung.

Lebenslänglich oder bis zum frühen Tod

Die Offiziere hatten seinem Vater, da er sich mustergültig verhielt, eine Frau zugeteilt. Mit 14 musste Shin zusehen, wie seine Mutter und sein 22-jähriger Bruder exekutiert wurden: Sie hatten zu fliehen versucht. Der Vater und er wurden für Monate in den Karzer gesteckt; die Bewacher schlugen und verbrannten ihn schwer. Auch in solchen Zeiten erlebte er Grossmut: Ein älterer Mitgefangener gab ihm von seiner kargen Ration.

Die Eltern verpfeifen

Shin wurde als Knabe zur Arbeit in der Fabrik gezwungen. Im Buch schildert er detailliert, dass viele Minderjährige bei Arbeitsunfällen starben. Andere verdrückten Mäuse, um den quälenden Hunger zu lindern. „Vom 12. Lebensjahr an müssen sie im Schulsaal leben. Dass dies das einzige Leben ist, das sie haben, bricht mein Herz”, klagte Shin vor der Presse. „Ich fühle mit ihnen, denn ich war einer von ihnen.“ Die Bewacher halten die Kinder an, ihre Eltern zu verpfeifen. Jeder hat zu melden, was bei seinem Nachbarn schief läuft – zur Umerziehung. „Wenn einer seine Frau in der Gruppe, die dafür zusammen kommt, nicht ihres Vergehens bezichtigt, werden beide bestraft.“

Selber denken als Verbrechen

Das totalitäre Regime von Nordkorea unterhält ein Netz von Straflagern für jene, die “politische Verbrechen“ begangen haben. Auch das Bekennen eines religiösen Glaubens, der als Konkurrenz zum Staatskult um Präsident Kim Jong Il erscheint, wird als Verbrechen geahndet. Kirchen gibt es in der Hauptstadt eine Handvoll, als Schaufenster. Die Zahl der Christen in Haft ist unbekannt; sie dürfte in die Tausende gehen. Das Regime scheut nicht vor öffentlichen Hinrichtungen zurück, um die Leute unter der Knute zu halten. Das wirksamste Mittel ist jedoch die Judsche-Ideologie vom erfolgreichen eigenständigen Weg des Landes, die der abgeschotteten Bevölkerung unablässig eingeschärft wird.

Einer schafft die Flucht

Shin floh 2005 über einen mit Stacheldraht gesicherten Grenzabschnitt nach China. Sein Freund, der es mit ihm wagte, blieb hängen. Shin geht davon aus, dass die Soldaten ihn hinrichteten. Mit Schmiergeld gelang es ihm, nach Südkorea einzureisen. Nun arbeitet er in einem Menschenrechts-Informationszentrum mit dem Ziel, seinen unterdrückten Landsleuten aufzuhelfen und sie zu befähigen, ihre Rechte einzufordern.

‚Heirat‘ in der Sklaverei

Was ihn im Lager plagte, war namentlich der Gedanke, dass bei seinem Tod seine Familie aussterben würde. „Deine grösste Hoffnung im Lager ist, heiraten zu dürfen. Bis ich fliehen konnte, hatte ich nur eine Person gekannt, der zur Belohnung die Heirat zugestanden wurde. Diese Bewilligung zu erhalten war sehr, sehr schwer.”

Nach Shins Angaben erfahren Mann und Frau erst am ‚Hochzeitstag‘, wen sie heiraten. Die Offiziere gewähren ihnen fünf Tage zusammen – darauf werden sie getrennt und haben wieder in den Schlafsälen zu leben, die zu ihren Arbeitsplätzen gehören. Shin hofft, dass sein Buch ins Englische übersetzt wird, dass man seinen erschütternden Informationen Glauben schenkt – und einst der Tag der Befreiung anbricht für jene, die ihn am Leben erhielten und ihm zu fliehen halfen.

Quelle: Livenet / China Aid Association

Datum: 21.11.2008

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