(Nicht) in Stein gemeisselt

Alpen könnten durch gewaltige Katastrophen geformt worden sein

Sind die Schweizer Alpen eine Visitenkarte des Schöpfers? Verschiedene geologische Beobachtungen können auch als Hinweise auf Katastrophen gedeutet werden. Dadurch könnten die Alpen innerhalb von kurzer Zeit geformt worden sein.
Besonders wichtig für die Erforschung der Entstehung der Alpen: Die Tschingelhörner
Der komplexe Aufbau des Eiger hat das Interesse der Wissenschaftler geweckt
Martin Ernst

Die Rekonstruktion von Bewegungsbahnen ganzer Gesteinspakete, die verschoben wurden, ist eines der Arbeitsgebiete der Geologen. Dadurch werden beispielsweise Erkenntnisse über die Entstehung von Bergketten gewonnen.

«Anders als Biologen haben wir nur wenige Daten. Je nach Betrachtung der Daten gibt es in der Wissenschaft zwei grosse Denkrahmen. Der eine lautet: Es gibt keinen Urheber. Der andere: Ich erkenne den Schöpfer in allen seinen Werken», sagt Martin Ernst, Diplom-Geologe und freier Mitarbeiter der «Studiengemeinschaft Wort und Wissen».

Schnelle Entstehung möglich

Bis heute stehen sich vor allem als Denkrahmen Naturalismus und Kreationismus gegenüber. «Die Evolution beansprucht lange Zeiträume, während Schöpfung und Katastrophismus vom biblischen Befund her in kurzer Zeit verstanden wird.»

Für einen Denkansatz mit gewaltigen geologischen Katastrophen können inzwischen viele Daten auch eine schnelle Entstehung verschiedener Gesteinsabfolgen erklären.

Mächtige Gesteinsabfolgen können bei ungestörter Lagerung weltweit miteinander korreliert und in ihrer mehr oder weniger gleichen Reihenfolge übereinander erkannt werden. Schon sehr früh wurde aus der Beobachtung, zum Beispiel an der Meeresküste, abgeleitet, dass die unteren Schichten älter sind als die darüber liegenden.

Daten aus der Schweiz

In der Schweiz beobachtet man zum Beispiel im Jura mächtige Kalksteinabfolgen. Aufgrund der darin gefundenen Meerestiere schliesst man auf ein ehemaliges Meer als Lebens- beziehungsweise Ablagerungsraum. Während der Tafel- und Faltenjura in der Westschweiz noch relativ ungestört abgelagert wurde, findet man bereits einige Kilometer davon entfernt, in den Berner Alpen und den Zentral-Alpen, völlig andere Gesteinsabfolgen, deren Entstehung nicht mehr so einfach erklärt werden können.

«Die Alpen sind das mit am besten untersuchte geologische Gebiet, aber gleichzeitig wirft die Entstehung der Alpen auch die meisten Fragen auf. Die Nördlichen Kalkalpen in Österreich, zum Beispiel, sehen vom Schichtenaufbau her völlig anders aus, als etwa der Jura in der Westschweiz. Auch die sogenannten 'helvetischen Decken' sind nicht einheitlich ausgeprägt. Ob man vom Bodensee bis ins Engadin oder vom Jura bis zu den Ostalpen die geologischen Abfolgen betrachtet – die Schichten sind sehr unterschiedlich aufgebaut und die Entstehungstheorien dazu sind sehr herausfordernd», sagt Martin Ernst.

Lugano war einst afrikanisch

Der jeweilige geologische Aufbau der drei markanten Berggipfel im Berner Oberland mit Eiger, Mönch und Jungfrau sind ausserordentlich komplex aufgebaut. Teilweise sind ganze Gesteinsabfolgen darin verschuppt und eingequetscht! «So haben zum Beispiel Mönch und Jungfrau einen Gipfel aus Granit, aber Eiger einen aus Kalkstein.»

Die Entstehung der geologischen Systeme, also verschiedene Gesteinsabfolgen übereinander, werden in der «Historischen Geologie» seit etwa 200 Jahren während sehr langer Zeiträume gedeutet. «Es wird davon ausgegangen, dass 'über alles gerechnet' die Ablagerungen der Gesteine sehr langsam verlaufen sind und die Entwicklung der Lebewesen ebenfalls.»

Eine weitere Annahme ist, dass die Alpen durch heute beobachtbare natürliche Prozesse entstanden sind. Seit den 1970er Jahren spielen dabei die Mechanismen der Plattentektonik eine grosse Rolle. So nimmt man an, dass sich zum Beispiel Ur-Europa und Ur-Afrika verschoben haben. «Die heutige Rekonstruktion ergibt, dass Lugano 800 Kilometer von Basel entfernt auf einer Halbinsel von Ur-Afrika lagerte», erklärt Martin Ernst.

Wie Lugano in die Schweiz kam

So nimmt man an, dass die afrikanische Platte sich nach Norden Richtung Ur-Eruopa schob und dabei das Gesteinsmaterial «zusammengequetscht» wurde. Vereinfacht gesagt, wurde «der damalige Meeresboden wie mit einem 'Schneepflug zusammengeschoben, aufgefaltet und zusammengedrückt' – und es entstanden die Alpen. Dabei kamen sich Lugano und Basel näher, so dass die Schweizer Grenzen zwischen Basel und Como nur noch 300 Kilometer voneinander entfernt sind. Die Sedimente wurden zusammengeschoben, grosse Hebungen entstanden.»

Bei der herkömmlichen, sogenannten «gradualistischen» Theorie wird davon ausgegangen, dass dies keine plötzlichen katastrophalen Vorgänge waren, sondern dass die geologischen Bewegungen im Mittel nur einige Millimeter pro Jahr geschahen und das über hunderte Millionen Jahre hinweg. «Die Grundlage dazu sind die heutigen Beobachtungen: In Chur beispielsweise messen wir heute eine Hebung der Berge von 1,6 Millimeter pro Jahr, wohingegen sich in den Ostalpen die Berge um etwa 0,3 Millimeter jährlich absenken.» Allerdings muss dies nicht heissen, dass die Platentektonik nicht einst ungleich schneller von statten ging. Es ist ebenso möglich, dass sich die Platten damals anfänglich sehr schnell bewegten. Diese einst raschen Anfangsbewegungen könnten bis heute immer weiter abgeklungen sein.

Wie schnell fuhr dieser «Schneepflug»

Es gibt einige Befunde, welche der langsamen Bewegung des «Schneepflugs», der die Alpen formte, widersprechen. Einen besonderen Hinweis dazu liefern die Tschingelhörner rund um das berühmte «Martinsloch» bei Elm im Kanton Glarus. Dort kann man von Schwanden bis Elm eine einmalige Grenzlinie beobachten, bei der die darüber liegenden Schichten ungleich älter ist, als die darunter liegenden. «Die unteren Schichten mit dem sog. 'Flysch' werden radiometrisch im Bereich zwischen 30 und 55 Millionen Jahre datiert, die darüberliegenden mit dem sog. 'Verrucano' jedoch auf über 250 Millionen radiometrische Jahre», erklärt Martin Ernst.

Wenn man in Schwanden an dieser Grenzlinie steht, kann man sehr eindrücklich die Bewegungen anhand der Verformungen in den Gesteinsschichten besonders im sog. «Lochsitenkalk» beobachten. «Als das 1840 entdeckt wurde, entstanden grosse Diskussionen in der damaligen 'Geologenzunft'.» Denn Schichten, die eigentlich tiefer liegen müssten, müssen über mehrere zehner Kilometer über die unteren Schichten geschoben worden sein. Da man sich diese gewaltigen Prozesse nicht vorstellen konnte, führte dies zunächst zur sog. «Doppelfaltentheorie» und man veröffentlichte noch am Ende des 19. Jahrhunderts: «Jeder, der es wagte, die (absurde) Hypothese der Doppelfalte zu kritisieren, war per Definition ein Irrer…».

Aber mit weiteren Beobachtungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte die «Doppelfaltentheorie» nicht mehr aufrecht erhalten werden und wurde verworfen.

Hinweise auf Katastrophe

Inzwischen hat man untermeerische Trübeströme, sogenannte «Turbidite», beobachtet, die charakteristische Sedimentstrukturen aufweisen. Turbidite entstehen sehr schnell und sind fossil in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. Dieses Gemisch aus Wasser und Schlamm fliesst mit hoher Geschwindigkeit lawinenartig in Meeresbereichen ab.

Nun stellt sich die Frage: «In welchem zeitlichen Abstand erfolgten diese rhythmischen Ablagerungen in der erdgeschichtlichen Vergangenheit?» Da die Schichtgrenzen zwischen den Turbiditen sehr scharf sind und keine fossile Erosionsspuren zeigen, fehlen damit die Hinweise auf lange Unterbrechungszeiten der Sedimentation. Das heisst, die Turbidit-Schichten müssen in schneller Folge nacheinander abgelagert worden sein! Oder die Nagelfluh-Schüttung deutet aufgrund der Zusammensetzung der enthaltenen Gerölle ebenso auf eine schnelle Erosion, Transport und Ablagerung.

«Der Tsunami in Sumatra am 26. Dezember 2004 wurde durch ein Acht-Minuten-Beben ausgelöst. Ein Beben, beispielsweise vom Faktor zehn Mal höher, also von 80 Minuten Dauer, würde dazu führen, dass sich viele Erdplatten bewegen würden und gewaltige Katastrophen entstünden, die globale Ausmasse hätten. Anhand eines 'Katastrophen-Ansatzes', zum Beispiel durch Erdbeben aufgrund plattentektonischer Prozesse, könnte soviel Bewegungsenergie freigesetzt werden, dass ganze Gesteinsstapel sich verschieben, wie etwa die Wildhorn-Decke, die aus dem Süden 50 Kilometer über das Aar-Massiv verschoben worden ist.»

Zur Webseite:
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Datum: 13.05.2019
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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