Canyons können in drei Tagen entstehen
Martin Ernst, zeigen uns heutige Katastrophen, wie bestimmte Landschaften in kurzer Zeit gebildet wurden? Liefen manche Prozesse schneller ab als früher angenommen?
Martin Ernst: Viele Sedimentgesteine, also Ablagerungsgesteine wie etwa Sandsteine sind offensichtlich durch Katastrophen entstanden, beispielsweise durch Hochwasser. Solche Strömungsereignisse können sehr schnell passieren. Heutige Katastrophen sind ein Schlüssel um die Entstehung von Sedimentgesteinen gut erklären zu können.
Sind Vulkanausbrüche wie 2010 in Island zeugen, dass die Erdgeschichte jung sein könnte?
Die über dem Vulkan Eyjafjallajökull liegende Eiskappe wurde durch den Ausbruch des Vulkans sehr schnell erwärmt und somit in kurzer Zeit zu viel Wasser geschmolzen. Mit einer entsprechenden Reliefenergie fliesst dieses Wasser sehr schnell unter dem Gletscher durch, reisst Material aus dem Untergrund mit und generiert einen sogenannten Gletscherlauf, einen Schlammstrom unter dem Eis. Das war auch beim Skaftafell-Ereignis 1996 zu sehen, als mehrere Tonnen schwere Eisblöcke sehr schnell abflossen und rasch Sanderflächen bildeten. Dies zeigt, dass Erosionsleistung und Ablagerung rapide entstehen können.
Brachten die jüngsten Katastrophen Bewegung in die Diskussion?
Die Wissenschaft nimmt schon länger zur Kenntnis, dass Katastrophen in der Erdgeschichte für die Entstehung von geologischen Schichten berücksichtigt werden müssen. Die neueren Katastrophen führen jedoch nicht zu einem generellen Umdenken. Man geht immer noch davon aus, dass geologische Prozesse im Allgemeinen langsam ablaufen.
Die Rolle der Katastrophen auf das Gesamtszenario zur Entstehung geologischer Schichten wird meines Erachtens leider immer noch nicht angemessen berücksichtigt..
Es gibt Canyons, die durch das plötzliche Auslaufen eines Sees entstanden sind. Wird ein solches Szenario auch beim Grand Canyon diskutiert?
Grundsätzlich ist es so, dass es lange dauert, bis eine Katastrophen-Theorie anerkannt wird; vor allem dann, wenn das Ereignis nicht beobachtet werden konnte. So ging es dem Geologen J. Harlen Bretz, der bereits in den 1920er Jahren erklärte, die Canyons in den Channeled Scablands im US-Bundesstaat Washington seien durch eine Flut entstanden.
Er forschte vierzig Jahre lang und publizierte seine Ergebnisse, ohne dass seine Arbeiten eine würdige Beachtung fanden. Erst 1965 wurden die Teilnehmer einer geologischen Tagung während einer Exkursion anhand der einzelnen Geländebefunde von der Richtigkeit seiner Theorie überzeugt. Unter den damaligen Teilnehmern waren sogar ausgesprochene Gegner der Fluthypothese. Schließlich erhielt Bretz im Jahr 1979, im Alter von 96 Jahren(!) die höchste geologische Auszeichnung der USA.
Die Entstehung der Channeled Scablands ist meines Erachtens vergleichbar mit der Bildung des Grand Canyons. Im Falle der Channeled Scablands konnte belegt werden, dass durch den Dammbruch eines einstigen Eisstausees diese Landschaft entstanden war, wobei selbst harte Basaltschichten durch enorme Erosionsleistung in kurzer Zeit ausgemeisselt wurden.
Beim Grand Canyon ist zwar die gängige Meinung, dass der Colorado River sich mit der Zeit langsam eingetieft hat. Jedoch ist analog zu den Beobachtungen von J.H. Bretz in den Channeled Scablands die Entstehung des Grand Canyons auch durch Überflutungsereignisse erklärbar. Auch die Strukturen im Hinterland des Grand Canyons, von den Canyonlands bis hin zu den Arches legen eine katastrophale Entstehungsgeschichte nahe.
Allerdings vertritt die Mehrheit der Geologen weiterhin die konventionelle Sicht mit der Annahme eher langsam verlaufender Prozesse.
Manche Canyons sind innerhalb von kurzer Zeit entstanden, so etwa der Canyon Lake Gorge in Texas, der innerhalb von drei Tagen plötzlich da war. Was genau ist dort abgelaufen?
Ähnlich wie bei der Flut in den Channeled Scablands entstand dieser Canyon Lake Gorge durch den Überlauf des Sees. In diesem Fall wurde innerhalb von drei Tagen ein Canyon mit bis zu sieben Metern Tiefe gebildet, selbst hartes Gestein wurde nachweislich abgetragen.
Sprechen diese Befunde für die Bibel und ein junges Erdalter?
Wir sind noch nicht so weit, um ein fertiges Sintflutmodell zu präsentieren. Wir verfolgen den Ansatz über Katastrophen um geologische Ablagerungen oder Bildungen von Landschaften zu erklären – wohl wissend, dass noch viele Fragen offen sind. Aber wir Wissenschaftler sind herausgefordert zu überdenken, ob solche Landschaftsformen nur über lange Zeiträume entstehen konnten. Die heute beobachtbaren Katastrophen geben einen sehr eindrücklichen Anschauungsunterricht, wie Katastrophen in kurzer Zeit das gleiche Ergebnis liefern könnten.
Erhielt dieser Denkansatz zuletzt mehr Aufmerksamkeit?
Das sicherlich, gerade durch die schweren Erdbeben 2004 in Sumatra, 2010 in Haiti und 2011 in Fukushima. Die Naturkatastrophen der letzten zehn Jahre zeigten, dass ihre Bedeutung nicht zu unterschätzen ist und sie in der Erdgeschichte eine bedeutendere Rolle gespielt haben können als bisher angenommen.
Plakativ gesagt, rückt so die Sintflut näher?
Grundsätzlich gibt es zur Sintflut so viele Theorien, die sich auch gegenseitig widersprechen, dass man sich zunächst unterhalten muss, von welcher Vorstellung der Sintflut wir reden. Ob von einem Lokalereignis im Mittelmeerraum, was im Moment auch innerhalb geologischer Kreise favorisiert wird. Oder ist die Sintflut auf den Einschlag mehrerer Meteoriten zurückzuführen, wie es das Geologenehepaar Tollmann aus Österreich vorgeschlagen hat?
Das Thema Sintflut hat die Menschen schon immer interessiert, ob sie nun in Verbindung gebracht wird mit dem Untergang von Kulturen, zum Beispiel die minoische Kultur oder Santorin. Oder war die Sintflut ein globales Ereignis, wie die Bibel es sagt?
Die Schwierigkeit ist, widerspruchsfrei die momentan vorhandenen Daten und Fakten in einem konsistenten System zu deuten, das wissenschaftlich haltbar ist.
Und hier sehe ich heute noch zu viele Daten, die sich gegenseitig widersprechen um ein wissenschaftlich in sich geschlossenes Modell für die Sintflut vorschlagen zu können. Daher muss man weiter forschen. Aber grundsätzlich gibt der katastrophale Ansatz hierzu einen guten Schlüssel. Übrigens haben auch andere Geologen ähnliche Modellbildungen vorgeschlagen.
Webseiten:
Wort und Wissen
Genesisnet
Sintflut und Geologie
Artikel zum Thema:
Bildung eines Canyons in nur drei Tagen
Die Lake Missoula-Flut
Buch zum Thema:
Sintflut und Geologie
Datum: 08.09.2012
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch