«Ich komme aus ländlicher Gegend als viele Country-Stars»
Mickey Guyton hat in ihrer Kirche in Waco, Texas, gesungen, seit sie klein war. «Ich bin aufgewachsen wie die Cosbys – meine Familie war buchstäblich die Cosby-Familie. Meine Mutter und mein Vater haben sich verliebt und geheiratet. Sie waren Highschool-Sweethearts.»
Ihre Mutter arbeitete hart und wurde schliesslich Assistentin einer Lehrerin, «damit wir uns den Besuch der privaten christlichen Schule ‘Waco Christian School’ leisten konnten. Ich würde sagen, wir sind die Verkörperung des schwarzen christlich-amerikanischen Traums.»
Von Country begeistert
Musikalisch beflügelt wurde sie durch Country- und Gospelmusik, die sie als Bruder und Schwester bezeichnet. «Ich erinnere mich, wie wir mit unserer Kirche von Waco nach Arlington zu einem Baseballspiel der Texas Rangers gefahren sind. Wir sassen ganz oben im Oberrang, und ich werde nie vergessen, wie der Ansager sagte: ‘Bitte erheben Sie sich, während die zehnjährige LeeAnn Rimes die Nationalhymne singt.’ Das war meine erste Begegnung mit dem, was ich als Countrymusik wahrnahm. Ich wusste damals gar nicht, was das war. Ich hörte nur ein kleines Mädchen wie mich singen – mit der Stimme einer erwachsenen Frau. Das inspirierte mich und liess mich den Wunsch verspüren, Musik zu machen.»
Oft besuchte sie ihre Oma in einem kleinen Ort namens Riesel. «Es war eine winzige Stadt, in der die Strassen keine Namen hatten, sondern nur Nummern.» Da sie keinen Kabelanschluss hatte, schaute sie VHS-Video-Kassetten an. Darunter war auch eine Aufnahme mit Duetten von Dolly Parton und Kenny Rogers. «Ich wusste nicht einmal, dass das Countrymusik war – ich liebte es einfach.»
Von L.A.-Demos zu Nashville-Träumen
Spulen wir viele Jahre vor: Inzwischen lebte Mickey Guyton in Los Angeles wo sie das College besuchte. Sie sang Demos und freundete sich mit einer Frau an, Jessica Bendinger, die das Drehbuch zum Film «Bring it on» schrieb. «Ich sang Demos für sie. Sie sagte zu mir: ‘Mickey, wenn ich dich singen höre, klingst du wie eine Country-Sängerin.’ Ich antwortete: ‘Ich liebe Countrymusik, aber ich habe ausser Charlie Pride noch nie einen schwarzen Menschen in der Countrymusik gesehen. Warum sollten die mich jemals akzeptieren?’ Doch sie bestärkte mich sehr darin, Countrymusik zu singen.»
Zufällig lernte sie den Produzenten des christlichen Sängers Glen Campbell kennen und Campbell selbst meinte: «Was ich noch nie gesehen habe, ist eine erfolgreiche schwarze Country-Sängerin. Wenn es sie gibt und sie gut ist, wird sie erfolgreich sein.» So kam alles ins Rollen.
Mickey spürt den Druck, sich anzupassen
«Ich bekam einen Plattenvertrag, und die Leute meinten es wirklich gut. Doch in den Songwriting-Sessions wollten sie, dass ich über blauäugige, blonde Männer singe, in die ich mich verliebt hätte», erinnert sich Mickey Guyton. «Aber die Männer, in die ich mich verliebte, sahen nicht so aus. Sie sagten zum Beispiel: ‘Weil du schwarz bist, müssen wir den Leuten zeigen, dass du wirklich Country verkörperst, dass du diese Szene verstehst.’ Und ich dachte: ‘Was meint ihr damit? Ich bin doch im Süden aufgewachsen, auf Schotterstrassen mitten auf dem Land. Wenn ich euch Bilder von meiner Heimat zeigen würde … ich komme aus ländlicheren Gegenden als viele dieser Country-Stars.’ Aber ich musste mich ständig beweisen.»
2018 gab es einen Schlüsselmoment. «Ich lebte in Nashville, war sehr frustriert von der Musikindustrie. Ich war einsam, traurig, und ging sonntagmorgens in einen Gottesdienst. Ich wollte einfach nur irgendetwas fühlen. Ich hörte kaum der Predigt zu, aber der Pastor sagte: ‘Es ist okay, Gott zu hinterfragen. Er hat alle Antworten.’
Ich ging nach Hause, legte mich angezogen ins Bett und begann, mit Gott zu hadern. Ich schimpfte: ‘Okay, wenn ich Gott hinterfragen darf: Warum hast du mich nach Nashville geschickt? Warum Countrymusik? Ich bin unglücklich!’ Dann öffnete ich meine Bibel-App und dachte: ‘Da muss jetzt ein Vers stehen, der mir erklärt, was du tust.’»
«Country ist drei Akkorde und die Wahrheit»
Sie erinnert sich: «Ich weiss den Vers nicht mehr genau, aber er sagte sinngemäss: ‘Was lässt dich glauben, dass du mehr verdient hast als andere?’ Ich musste lachen, weil es stimmte. Ich hatte ein Dach über dem Kopf, ein Auto, Essen, eine Familie, meine Eltern. Wie konnte ich denken, mir stünde mehr zu als anderen? Das änderte meine Sichtweise.»
Sie sprach mit ihrem Mann darüber: «Warum funktioniert Countrymusik nicht für mich?» Er antwortete: «Weil du alles verleugnest, was dich besonders macht. Country ist drei Akkorde und die Wahrheit. Warum nimmst du das nicht an?» Da wurde ihr klar: «Ich darf das nicht nur für mich tun, sondern für alle, die nach mir kommen. Selbst wenn es für mich nicht klappt … wie kann ich den Weg für andere ebnen? Das hat mein Leben verändert.»
Songs schreiben, die Schmerz teilen
Die Countrymusik ist stark männerdominiert, und viele Frauen – schwarze und weisse – haben ähnliche Diskriminierungen erlebt wie sie. Ihre Songs «Black Like Me» und «What Are You Gonna Tell Her» waren für sie wie eine Therapie. «Ich habe viel gesehen und erlebt, auch Dinge, die Menschen widerfahren sind, die ich liebe. Diese Songs entstanden aus Schmerz.»
Mickey Guyton erinnert sich: «Ich hätte nie gedacht, dass jemand sie hören würde. Ich schrieb sie, legte sie weg und dachte: ‘Das bleibt für mich.’ Doch dann passierte das Unerwartete. Ich glaube fest, dass Gott es möglich machte, dass diese Songs gehört wurden, nicht ich. Ein kleines Mädchen aus Crawford, Texas … es schien unmöglich, dass jemand zuhören würde. Ich postete sie einfach auf Instagram und plötzlich verbreiteten sie sich wie ein Lauffeuer. Für mich ist das ein geistiges, göttliches Ding, denn ich hatte ausser meinem Schmerz nichts hineingegeben. Und da draussen gab es jemanden, der genau denselben Schmerz fühlte.» Und dass andere damit abgeholt werden können.
Schliesslich wurde Mickey Guyton die erste schwarze Frau, die für einen Grammy in der Kategorie «Best Country Solo Performance» nominiert wurde.
Zum Thema:
Den Glauben entdecken
Gecancelte Sängerin Bernarda: «Ich fühlte mich wie eine Verbrecherin»
Aus Angst Termine abgesagt: «Wilson Phillips»-Sängerin: Okkultismus-Ausstieg
Datum: 10.09.2025
Autor:
Jesus Calling/Daniel Gerber
Quelle:
Jesus Calling/gekürzte Übersetzung: Livenet