FDP-Politikerin: „An der Front steht man oft ganz allein“

Barbara Günthard-Maier.
Günthard war persönliche Mitarbeiterin von FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger.

Barbara Günthard-Maier ist Familienfrau, Journalistin und Gemeinderätin von Winterthur. Nach einem Wechsel von der SP zur FDP erlebt sie eine steile politische Karriere. Im Herbst stellt sie sich den Nationalratswahlen. Livenet.ch sprach mit ihr über Politik, Glaube und Familie.

„Wir können den finanziellen Kollaps nicht unseren Kindern überlassen.“ Nach wenigen Fragen landet Günthard bereits auf dem harten Pflaster der Politik und referiert interessiert. Ihr Gebiet ist der Sozialversicherungsbereich, den sie sich nach einer wichtigen Erfahrung zum politischen Thema gemacht hat: Zwischen 2002 und 2004 arbeitete sie als stellvertretende Pressesprecherin der SP Schweiz. Bald merkte sie, dass Ideal und Realität in der sozialen Schweiz auseinander klaffen. Sie überlegt und erzählt gleichzeitig: „Nach dem Zweiten Weltkrieg bauten die Menschen etwas zusammen auf. Man hörte von seinen Eltern, dass man „seinem Vaterland dienen soll“. Inzwischen haben wir einen Mentalitätswandel erlebt. Heute ist es normal, dass man nimmt, was man bekommt.“

Günthard sah schnell, dass zu wenig Geld vorhanden ist, um die sozialen Ziele, die sich die SP steckt, zu erreichen. Dass die Sozialausgaben des Bundes seit den 90er-Jahren von 6 auf 14 Milliarden jährlich gestiegen sind, schockierte die 35-Jährige. Mit dieser Diskrepanz in ihrem Beruf wollte sie nicht länger leben und begann intensiv für eine Entscheidung bezüglich ihrem Job zu beten. Günthard versuchte, ihren Weg Gott anzuvertrauen. Einige Zeit später kam der TV-Mann von der Polit-Sendung „Arena“, Filippo Leutenegger, auf sie zu und fragte sie, ob sie für ihn als persönliche Mitarbeiterin arbeiten wolle.

Wechsel von SP zur FDP

Nach einem längeren Gespräch merkte sie, dass sich ihre Ideen mit denen Leuteneggers überschnitten. Ihr wurde klar, dass die FDP eigentlich ihr Gedankengut vertrat: Eigenverantwortung und finanzielle Nachhaltigkeit sind wichtig. So nahm Günthard einen politischen Wechsel vor und verliess ihren bisherigen Arbeitgeber, die SP. Einzelne Parteimitglieder waren enttäuscht über diesen Wechsel. Einige grüssten sie im Bundeshaus nicht mehr. „Dennoch war mir wichtig, dass ich mir treu blieb zu meiner gewachsenen Erkenntnis stand. Wir haben zu wenig Geld für alle unsere Wünsche. Wir müssen jetzt unsre Zukunft sichern und vor allem Anreize zur Eigenverantwortung ins Umverteilungssystem setzen.“ In Leuteneggers Politarbeit durchlief sie zwei positive Lehrjahre. Um ihre eigenen Erkenntnisse besser umsetzen zu können, entschied sie sich, in die FDP einzutreten und sich selbst auf das politische Parkett zu begeben.

Auf der Wahlliste auf Platz sechzehn, dem zweitschlechtesten Spitzenplatz, sah sie menschlich gesehen geringe Chancen, einen Platz im Winterthurer Gemeinderat zu ergattern. Trotzdem klappte es auf Anhieb. Barbara Günthard ist heute eine politische Hardlinerin. Sie sagt direkt und auf Grund von Fakten, was Sache ist und fühlt sich nicht unwohl dabei. Den Bezug zu Fakten vermisse sie bei Kollegen und Kolleginnen manchmal. Sie beobachte die Tendenz, dass diese eher schöngeredet werden, damit man keine harten Entscheide fällen muss. So sei Politisieren einfacher und angenehmer und man riskiere weniger, abgewählt zu werden.

Manchmal fliegen die Fetzen im Gemeinderat

Trotzdem schlägt sie auch sanfte Töne an und erzählt zum Beispiel dankbar, wie toll sich ihre Kinder (fünf und sieben Jahre) entwickeln. Das Au-Pair hilft ihr bei der Bewältigung des Haushalts und bei der Betreuung der Kinder. Ausserdem arbeitet ihr Mann, ein Arzt, Teilzeit und betreut einen Tag in der Woche Haushalt und Kinder.

Günthards Politthemen sind brandaktuell und heiss. Das Sozialversicherungswesen brennt ihr unter den Nägeln. Ausserdem meint sie, dass das Aufgabenportfolio überdacht werden muss und die Verwaltung möglichst effizient arbeiten soll. Und es geht ihr nicht in den Kopf, weshalb der Bund Gelder für Krippenplätze bereitstellt, und diese aber nicht abgeholt werden. Grund: Die Auflagen, damit man Krippengelder beziehen kann, sind zu hoch. Genau da steckt das Dilemma einer linken Politik, meint Günthard. Man fordert öffentliches Geld für den Ausbau von Krippenplätzen, lässt aber zu, dass zu enge Vorschriften dessen Bezug blockieren. Um dies bildlich darzustellen, scheut sie sich nicht, ein Sieb in den Rat mitzunehmen, Steine darauf zu schütten, um dann zu erläutern, dass es privatem Engagement auf Grund der engen Vorschriften genau so ergeht: Es bleibt liegen. Im linken Parteienspektrum werde leider viel vom Staat erwartet und wenig auf die Handlungsinitiative der einzelnen Menschen gesetzt, bedauert die angehende Sozialversicherungsfachfrau.

Als sie in die FDP eintrat, entdeckte sie, wie viele politische aktive Unternehmer in der eigenen Firma aus eigenem Antrieb sozial handelten. „Da werden Lehrstellen geschaffen, Behinderte eingestellt und Teilzeitstellen für Familienfrauen ausgebaut, und zwar bewusst, aus sozialem Engagement.“ Wenn Günthard ihren Abschluss als Sozialversicherungsfachfrau hat, will sie sich ganz auf dieses Thema konzentrieren.

Gabe der politischen Analyse

Ausserdem will sie ihre Beratungen weiterführen. Sie ist der Überzeugung, dass die Kontakte im "Büro für politische Umsetzung" eine gute Plattform für Gespräche bieten. „Ich wiederhole meine politischen Botschaften immer wieder. Möglich, dass sie so etwas bewirken können.“ Mittlerweile teilen auch anfängliche Skeptiker ihre Bedenken.

Günthard weiss, dass Gott ihr - wie allen andern Menschen auch - verschiedene Talente geschenkt hat, die sie anwenden soll. „Ich bin wohl in der Analyse eher stark.“ Täglich betet sie um Weisheit und Stärke, um in ihrem Alltag bestehen zu können. Sie will immer und überall zu ihrem Glauben stehen. Und ganz unspektakulär verrät sie, dass sie auch schon mit Polit-Topshots gebetet hat. „Die Leute sind dankbar für eine solche Zuwendung. An der Front steht man oft ganz allein. Denn das Konkurrenzdenken ist in diesem Bereich gross."

Barbara Günthard, 35, Journalistin, Unternehmerin und FDP Gemeinderätin von Winterthur, lässt sich zur Sozialversicherungsfachfrau ausbilden. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Winterthur. In ihrem Büro für politische Umsetzung berät sie Politiker auf konzeptioneller aber auch auf persönlicher Ebene. www.umsetzung.ch

Datum: 20.07.2007
Autor: Iris Muhl
Quelle: Livenet.ch

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