Urs Argenton: "Der Sonntag bringts!"

Totale Zeitplanung zerstört jegliche Spontaneität.

Er bietet Seminare für Zeitplanung an. In der eigenen Zeiteinteilung lässt er viel Raum für Menschen und für Überraschendes. Eine Begegnung mit dem Erwachsenenbildner Urs Argenton.

Der Kursleiter Urs Argenton hat bereits Arbeit im Büro, die Autofahrt von Bern und ein paar Stunden Seminar hinter sich. Dennoch wirkt er konzentriert und frisch. Nach Ende des Unterrichtblocks nimmt sich Urs Argenton Zeit fürs Interview. Während der kommenden eineinhalb Stunden schaut der Zeitplanmanager kein einziges Mal auf die Uhr. Überhaupt ist er gegen totale Zeitplanung. "Das zerstört jede Spontaneität und macht ungemütlich." Natürlich dürfen und müssen wir fleissig sein, zielorientiert leben und Erfolg anstreben. Aber wir sollten nicht alles verplanen. Daran hält er sich selbst, denn er will Zeit haben für Interessantes und für Menschen, die etwas auf dem Herzen haben.

Im Auto aktiv

Urs Argenton ist viel unterwegs. Da er meistens eine technische Ausrüstung mit Videokamera dabei hat, ist er aufs Auto angewiesen. Auf längeren Fahrten diktiert er wichtige Dinge oder Ideen auf sein Diktiergerät - natürlich mit Freisprechanlage. Vor allem nutzt er die Zeit zum Reden mit Gott. Ein Handy wird man hier vergeblich suchen. Der Kommunikationsspezialist findet es schrecklich, stets erreichbar zu sein.

Im Sommer nimmt er wenige Termine an. Das schafft ihm Freiraum zum Vorbereiten und zur Kreativität. Geschäft und Familie hat er streng getrennt. Das erleichtert ihm das Abschalten. Wenn es um geschäftliche Dinge geht, kann er auch schon mal Druck machen, powern und ungemütlich werden. An vielen Arbeitstagen muss er von 6 bis 22 Uhr voll da sein. Oft ergeben sich auch in den Pausen noch Gespräche und Rückfragen. Er schätzt den Umgang mit unterschiedlichen Menschen. Egal ob Humanisten, Moslems, Säkulare, Arbeiter oder Akademiker: "Es kommt auf die Beziehung an, damit steht und fällt alles!"

Beim Nickerchen

Man spürt, dass er extrem begeistert ist von seiner Arbeit. Welchen Beruf hat er überhaupt? Zunächst lernte er einen technischen Beruf, war Konstrukteur. Es folgte ein fünfjähriges theologisches Studium in Bad Liebenzell, auf St.Chrischona und in London. Eine dreijährige Ausbildung als Erwachsenenbildner schloss er mit Diplom ab.

Jetzt leitet der das eigene Institut für Kommunikation und Erwachsenenbildung "Impuls" bei Bern. Sein Ziel: Gute Weiterbildung für alle, das lebenslange Lernen fördern. Er bietet seine Kurse in finanziell vernünftigem Rahmen an, damit sie für alle erschwinglich sind. Seine Kursteilnehmer sind sowohl Menschen in Leitungsfunktionen als auch Studenten, Schichtarbeiter oder Angehörige von Dienstleistungsorganisationen. Oft veranstaltet er seine Seminare direkt vor Ort. Auf St. Chrischona unterrichtet er etwa 14 Tage im Jahr.

Der Vielbeschäftigte fühlt sich nicht Burnout-gefährdet. Wie tankt er auf? "Ich habe gelernt, mich 15 Minuten hinzulegen und zu entspannen. Danach bin ich erholt." Ausserdem ist er überzeugt vom biblischen Prinzip "6 + 1". Der Sonntag ist arbeitsfrei. Da steht für ihn ohne Frage der Gottesdienst auf dem Programm. Häufig predigt er selbst.

Die Familie ist ihm wichtig. Er wandert gerne, besucht seine Mutter und die Schwiegereltern oder die Familien der beiden verheirateten Töchter. Seine Vorliebe gilt guten Büchern und angeregten Diskussionen. Auch mit Spielen kann man ihn begeistern.
Je älter er wird, desto mehr spürt er: "Der Sonntag bringts!"

Bis ans Lebensende

Mit seiner Frau Rita ist er seit 34 Jahren verheiratet. Sie ist eine selbständige Frau. Halbtags arbeitet sie in einem Büro, engagiert sich in der Schulkommission und ist Präsidentin einer Ortspartei. Zurzeit besucht die 56-Jährige die einjährige Handelsschule. Ihr Mann ist überzeugt davon: "Jeder ist lernfähig bis ans Lebensende! Lernen ist nicht ein Problem des Gehirns, sondern der Einstellung."

Viel zu lernen gibt es seiner Meinung nach auch für uns Christen. Denn wir haben in unseren Gemeinden Machtworte des Zeitgeistes wie "Event", "Leistung" und "Erfolg" übernommen. Dabei übersehen wir, dass sie Christliches nur schwer transportieren können. Wir messen viel, sind scharf auf Zahlen und schnelle Erfolge. Oft ist der einzelne Mensch zu wenig im Blick. Menschen aber sind so durch Erfahrung und genetische Festlegungen geprägt, dass sie viel Zeit für Veränderung brauchen.

Heute wird alles auf Tempo gemacht. Man will vor allem funktionale Menschen, doch denen mangelt es an Tiefe. Viele Zeitgenossen sind innerlich instabil, wenig leidensfähig. Zwar können wir in den Gemeinden das Tempo unserer Gesellschaft nicht verhindern. Doch wir können Freiräume schaffen, die Tiefe ermöglichen, wo man nachdenken, Prinzipien und Lebensentwürfe schaffen kann - das braucht Zeit.

Ehemaliger Atheist

Urs Argenton ist sicher, dass Veränderung nicht primär durch Worte und Überzeugungsarbeit geschieht, sondern vor allem durch eine Berührung Gottes.
Mein lebhafter Gesprächspartner war als junger Mann Atheist und politisch links aussen. Mit Worten und Diskussionen war er nicht für den Glauben zu gewinnen. Was ihn überzeugt hat, war die Übereinstimmung vom Leben und Glauben einzelner Christen. Ihn beeindruckte, wie Jesus konkret in ihrem Leben handelte. Die Einladung, das ebenfalls auszuprobieren, hat er angenommen.

Den Menschen sehen

Es ist sein Anliegen, dass Christen ein wärmeres Herz für fremde und andersdenkende Menschen haben, ihnen mit Freundlichkeit und Achtung begegnen. Er bedauert, dass viele Christen Andersdenkende nur aus ihrem Blickwinkel betrachten und Berührungsängste haben. Dabei seien wir doch alle zuerst Menschen. Da ergäben sich tolle Gesprächsmöglichkeiten. "Wie interessant ist es, jemandem zuzuhören, wenn er aus einer anderen Perspektive erzählt!", stellt Urs Argenton fest. "Machen wir es doch wie Jesus: Er liebte die Menschen, hatte auch Kontakt zu Armen, Schwierigen, Unbraven und Fremden. Er nahm sich Zeit und schielte nicht auf Zahlen."

Datum: 28.03.2004
Autor: Christa Gatter
Quelle: Chrischona Magazin

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