"Lassen wir uns nicht auseinander dividieren!"
Vatikan-Instruktionen wie "Dominus Jesus" (erschienen im Jahr 2000) und Redemptonis sacramentum" (Das Sakrament der Erlösung, 2004) würden zwar ökumenische Initiativen im Kanton Bern weder direkt behindern noch unterbinden, heisst es im Kommentar. "Gemeinsame Projekte, solidarisches Einstehen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung und ökumenische Diakonie sind weiterhin uneingeschränkt möglich." Auch gemeinsame Gottesdienste seien unbestritten, "solange katholische Amtsträger und Reformierte nicht am Altar zusammen Brot brechen und den Becher mit Wein reichen."
Verunsichert und sehr verletzt
Ein "Skandal" hingegen sei es, dass von den Bischöfen unterschätzt werde, was ihre "Satzungen" auslösten: "Menschen, die ihre christliche Überzeugung gemeinsam mit anderen leben und feiern wollen - gerade Frauen und Männer in konfessionsverschiedenen Ehen -, werden durch solche Verfügungen verunsichert und sehr verletzt."
Die Redaktionen der beiden Kirchenblätter rufen in ihrem gemeinsamen Kommentar auf: "Lassen wir uns nicht auseinander dividieren!" Auch könne es nicht angehen, sich zu "Christinnen und Christen zweiter Klasse" zu degradieren. Ökumenisches Handeln sei "prophetisches Einstehen für eine bessere Welt".
Keine Spitzfindigkeiten
Mit dem Abendmahl habe Jesus Gemeinschaft stiften wollen. Es lasse sich "nicht spitzfindig definieren", was im Abendmahl geschehe. Die theologischen und kirchenhistorischen Probleme der Kirchenoberen seien für die Gläubigen kaum mehr nachvollziehbar. "Unten, an der Basis, unter allen Menschen guten Willens", komme es immer wieder zu "hoffnungsvollen Aufbrüchen in ökumenischer Selbstverständlichkeit", und zwar "unspektakulär und wirksam".
Der gemeinsame Kommentar greife die vielen Reaktionen der Leserschaft auf, die wegen der Haltung der Bischöfe "verletzt und irritiert" seien, gaben die beiden Redaktionen am Dienstag bekannt.
Der Gemeinsame Kommentar im Wortlaut:
Halten wir fest!
Im Nachgang zum Papstbesuch ziehen die Schweizer Bischöfe die Schraube an: Römisch-katholischen Priestern, die mit reformierten PfarrerInnen zur gemeinsamen Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier einladen, drohen Sanktionen. Die Redaktionen von «saemann» (ref.) und «pfarrblatt» (kath.) erheben Einspruch.
Es ist wie ein Ritual: Auf die Verlautbarungen des Vatikans und der Schweizer Bischöfe reagieren viele von uns – seien wir nun Protestanten oder Katholikinnen – mit der immer gleichen Entrüstung. Auch jetzt ist es schwierig, sich diesem Ritual zu entziehen, nachdem der Basler Bischof Kurt Koch die Interzelebration (das gemeinsame Feiern des Abendmahls bzw. der Eucharistie) verboten, zuwiderhandelnden Priestern scharfe Sanktionen angedroht und Gläubige dazu aufgerufen hat, Fehlbare zu melden.
Zwar stimmt, dass römische Instruktionen wie «Dominus Iesus» und «Redemptionis sacramentum» ökumenische Initiativen im Kanton Bern nicht direkt behindern oder gar unterbinden: Gemeinsame Projekte, solidarisches Einstehen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung und ökumenische Diakonie sind weiterhin uneingeschränkt möglich. Sogar gemeinsame Gottesdienste sind unbestritten – solange katholische Amtsträger und Reformierte nicht am Altar zusammen Brot brechen und den Becher mit Wein reichen.
Aber die Bischöfe unterschätzen die psychologische Wirkung ihrer Satzungen: Menschen, die ihre christliche Überzeugung gemeinsam mit anderen leben und feiern wollen – gerade Frauen und Männer in konfessionsverschiedenen Ehen –, werden durch solche Verfügungen verunsichert und sehr verletzt. Das ist ein Skandal.
«Was haben Sie dagegen, dass mein Mann (kath.) und ich (ref.) gern zusammen in unseren beiden Kirchen an allem in den Gottesdiensten teilhaben möchten?», wollte die reformierte Berner Synodalrätin Pia Grossholz vom Papst wissen – wir vom «saemann» und «pfarrblatt» wüsstens selbst gern.
Auch Margrit Kiener Nellen, Nationalrätin und Gemeindepräsidentin in Bolligen, lebt in einer ökumenischen Ehe. Zusammen mit dem reformierten Ortspfarrer Hans Rudolf Helbling und dem Ostermundiger Priester Moritz Bühlmann verteidigt sie in einer offenen Erklärung die «aktiv gelebte Ökumene» in Bolligen und anderswo: Diese habe «eine grosse integrative Ausstrahlung».
Deshalb: Lassen wir uns nicht auseinander dividieren! Degradieren wir uns nicht zu Christinnen und Christen zweiter Klasse! Vergessen wir nicht, dass ökumenisches Handeln prophetisches Einstehen für eine bessere Welt ist.
«saemann» und «pfarrblatt» versuchen das mit ihrem redaktionellen Miteinander, mit der alljährlich erscheinenden interreligiösen Ausgabe «zVisite», mit ihrer Berichterstattung über mutige gemeinsame Initiativen von Pfarreien und Kirchgemeinden.
Jesus wollte mit dem Abendmahl Gemeinschaft stiften. Was dabei geschieht, lässt sich nicht spitzfindig definieren. Wenn darum die Herren der Kirchen oben derart viele theologische und kirchenhistorische Probleme sehen, die ihnen verunmöglichen, gemeinsam das Brot zu brechen, dann ist das primär ihr Problem.
Unten, an der Basis, unter allen Menschen guten Willens, wird es längst getan, geschehen immer wieder hoffnungsvolle Aufbrüche in ökumenischer Selbstverständlichkeit. Unspektakulär und wirksam. Darüber berichten wir.
Jürg Meienberg, Angelika Boesch, Redaktion «pfarrblatt»
Samuel Geiser, Martin Lehmann, Redaktion «saemann»
AutorIn: Jürg Meienberg, Angelika Boesch, Samuel Geiser, Martin Lehmann
Datum: 30.07.2004
Quelle: Kipa