Seelsorge

Christliche Lebensberatung führt zum Glauben

Das persönliche Beratungsgespräch wird immer mehr zu einem wichtigen Eingangstor für den christlichen Glauben. Davon ist der Theologe und Psychotherapeut Wilfried Veeser überzeugt. Der fachliche Leiter der Bildungsinititative für Seelsorge und Lebensberatung (BI) plädiert dafür, suchende Menschen bei den aktuellen Lebensfragen abzuholen.
Wilfried Veeser.

Herr Veeser, Sie beschrieben kürzlich Seelsorge und Lebensberatung als Formen aufbauender Gemeindearbeit. Wird die christliche Lebensberatung die klassische Evangelisation ersetzen?
Wilfried Veeser: Nein, christliche Lebensberatung und Evangelisation sind keine Konkurrenten, sondern sie ergänzen sich. Manche klassische evangelistische Aktion geht am Menschen von heute vorbei. Sie trifft nicht seinen Nerv, spricht kaum seine Sprache und versteht die Fragen nicht, die ihn bewegen. Dabei geht es gar nicht um Rhetorik und Methode. Entscheidend ist – und das kann Evangelisation von Seelsorge und christlicher Lebensberatung lernen – die Haltung, die Einstellung und die Bereitschaft der Christen, den Gesprächspartner in seiner Situation zu verstehen und auf ihn einzugehen. Umgekehrt darf christliche Lebensberatung nicht vergessen, dass Jesus Christus ihre Mitte ist.

Erreicht man die heutigen Menschen nicht mehr über den Verstand?
Nur selten geht es Menschen um abstrakte Debatten über den Sinn ihres Lebens, Schuld vor Gott empfinden sie kaum, und der christliche Heilsweg bleibt für sie ein Angebot unter anderen. Was sie aber bewegt, sind Fragen der Lebensbewältigung. Wie gelingt mein Leben? Wie erziehen wir unser kleines Kind und unseren Teenager? Wie bewältigen wir Unsicherheiten in unserer Beziehung? Wie bleibe ich gesund? Habe ich eine sichere Zukunft? Wie komme ich zu Anerkennung und Geld? Wer liebt mich wie ich bin? Wer Lebensfragen kennt und glaubhaft anspricht, kann überhaupt erst evangelistisch wirken.

Wie sieht eine zeitgemässe Glaubensvermittlung aus?
Christen, die sich einem Menschen zuwenden, eine echte Beziehung aufbauen und ihn in seiner Situation wahrnehmen, laden zum Glauben ein. Ob ein Christ dies bewusst tut oder nicht, ob er es evangelistisch nennt oder nicht – seine Haltung und sein spürbar echtes Interesse am anderen können das Herz des Menschen für den Gauben an Jesus Christus öffnen.

Ausbildungen in Seelsorge und christlicher Lebensberatung vermitteln genau diese Kompetenz, Menschen interessiert und glaubwürdig zu begegnen. Seelsorgerliche Kompetenzen machen den Christen für den anderen attraktiver als rhetorische Überzeugungskraft allein. Die gelingende Beziehung zu einem Menschen birgt immer ein hohes missionarisches Potenzial in sich.

Der postmoderne Mensch hat oft einen Beziehungsknatsch. Was bedeutet das für Christen?
Beziehungen gelingen meist dann, wenn die Partner ihre Beziehung pflegen. Bei aller Individualität gibt es Beziehungspflegemittel, an denen niemand vorbei kommt, der in einer Beziehung glücklich sein will. Zeit füreinander, zuhörende Gespräche, gemeinsame Abenteuer und Unternehmungen, gemeinsame Interessen und Ziele finden, lustvolle Erotik, die öffentliche, unwiderrufliche, beidseitige und gefühlte Erklärung: „Wir bleiben zusammen, wir halten zusammen“ (Heirat). Diese Beziehungspflegemittel kommen letztlich von Gott. Wer sie einsetzt, spürt Gottes Segen. Dafür sollten Christen plausibel und mit einer überzeugenden Haltung eintreten, auch wenn ihr Umfeld sie deshalb vielleicht belächelt.

Sie sagen: „Auf dem Boden einer gelingenden Beziehung öffnen sich die Herzen auch für letzte Fragen.“ Was meinen Sie damit?
Letzte Fragen drehen sich um Sehnsucht und Trauer, Hoffen und Sterben, Leben und Tod. Manchmal scheint es für Menschen unserer Zeit leichter zu sein, über Sex zu reden als über Fragen des Glaubens. Aber in einer Atmosphäre, in der ein Mensch Vertrauen spürt, in der sich ein Christ dem anderen zuwendet und ihn spüren lässt: „Ich akzeptiere dich, wie du bist“, kommt am ehesten ein Gespräch über letzte Fragen des Lebens zustande. Denn hier lebt Beziehung.

Hinweis: Wilfried Veeser wird am 2. Kongress für Seelsorge und christliche Lebensberatung vom 18. bis 20. Oktober 2007 zusammen mit weiteren profilierten Fachleuten in Lindau referieren. Mehr dazu: www.lebensberaterkongresslindau.eu

Datum: 20.07.2007
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch

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