Gebetsbewegungen

Je näher man in Gottes Gegenwart kommt, umso grösser wird das Verlangen, dass allen Menschen geholfen werde.
Dr. Heinrich Christian Rust, Sprecher des Kreises Charismatischer Leiter in Deutschland
Damit gemeinsames Gebet Erhörung findet ist die Einheit der Betenden von entscheidender Bedeutung.

In den letzten Jahren sind verschiedene Gebetsbewegungen entstanden. Diese Initiativen haben sich mit schon länger bestehenden Bewegungen verbunden. Dr. Heinrich Christian Rust, Sprecher des Kreises Charismatischer Leiter in Deutschland, beschreibt nachfolgend seine Sicht dieser Entwicklung.

Die Zeiten haben sich geändert

"Beten ist das Allerwichtigste, was wir zu tun haben!" So der dringende Appell des Pastors am Sonntag. Die Zeiten haben sich geändert in der kleinen Stadt. Noch vor wenigen Jahren hatte er sich gemeinsam mit zwei älteren Damen regelmässig zum Gebet um einen geistlichen Aufbruch in der Gemeinde getroffen. Seit einigen Monaten aber treffen sich alle geistlichen Leiterinnen und Leiter des Ortes und beten gemeinsam mit etwa fünfzig Christen der Stadt für eine Erweckung und Umwandlung der Situation in Kirche und Gesellschaft. Die Gebetsversammlungen sind gut strukturiert und lebendig. Und die jährlich stattfindende Gebetswoche der Evangelischen Allianz hat sich ausgeweitet zu einer Gebetsbewegung, die sich durch das ganze Jahr zieht.

Nicht an allen Orten kann man derartig erfreuliche Entwicklungen verzeichnen; andernorts sind es nach wie vor nur wenige Beter. Dennoch hat es den Anschein, dass Gott angefangen hat, den "Geist der Gnade und des Gebetes" (Sacharja 12,10) auch in Deutschland auszugiessen. Etwa dreissig ältere und neuere Gebetsinitiativen gibt es inzwischen allein im evangelikal-charismatischen Umfeld. Sie sorgen für gute neue Impulse. Neben der Gebetsbewegung der Evangelischen Allianz haben sich auch Initiativen wie Fürbitte für Deutschland, Der Wächterruf, Gebet 7000, Wächter auf der Mauer, die Pro-Christ-Gebetsbewegung oder auch Werke und Einrichtungen wie den “Gebetsberg” in Lüdenscheid oder das 24-Stunden-Gebetshaus in Niedersachsen gebildet.

Persönlich, gemeindebezogen und darüber hinaus.

Einige Akzente sind in den letzten Jahren durch die neueren Gebetsinitiativen besonders wichtig geworden: Gott will unser Gebet! Diese Einsicht ist zwar nicht neu, aber sie ist wieder neu ins Bewusstsein gerückt. Gott will in einem vertrauensvollen Verhältnis mit uns Menschen stehen. Er möchte über alles reden und will, dass ihm alles mitgeteilt und er um sein Eingreifen gebeten wird. Dabei liegt eine besondere Verheissung auf dem gemeinsamen Gebet. Gebet ist ein Schlüssel zur Erweckung!

Der Blick in die Kirchengeschichte zeigt mehr als deutlich, dass das gemeinsame ernsthafte Gebet immer auch eine Schlüsselrolle bei geistlichen Aufbrüchen spielte. Oft waren es zunächst einzelne Personen, die über Jahre und Jahrzehnte treu im Gebet waren. Dabei ist das Gebet nicht einfach ein Werkzeug; es dient in erster Linie nicht dazu, etwas zu erreichen, sondern "Gottes Willen” und seine Gegenwart zu erfahren. Je näher man in diese Gegenwart Gottes kommt, umso grösser wird das eigene Verlangen, dass "allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen" (1Tim 2,4).

Wo zwei oder drei in meinem Namen...

Die individuellen und gemeinsamen Gebetszeiten werden so zunehmend nicht nur in persönlichen oder gemeindebezogenen Anliegen aufgehen, sondern auch Gottes Wirken in einem Ort, in einer Region, im Land oder gar der ganzen Welt zum Thema haben. Dabei gibt es einige theologische Akzente, die nicht in gleicher Form von allen mitgetragen werden können. Da ist zum Beispiel von "nationaler Busse" die Rede oder auch von dem "geistlichen Kampf" in der Nation. Hier stellt sich die Frage: Kann ein Mensch allein Busse für eine ganze Nation tun? Wahrscheinlich nicht!

Aber die gemeinsame Busse für die Sünden der Nation (identificational repentance) kann ein angemessener Weg sein, die Verantwortung für eine Nation gemeinsam zu schultern. Manchmal legt sich dieses Verlangen wie eine dringliche Last auf die Seele. Die brennende Liebe unseres Gottes treibt einem die Tränen in die Augen. Die Gebete sind dann nicht ein leidenschaftsloses Abhaken von langen Gebetslisten, sondern ein Mitschwingen, Mitleiden, Mittragen und Mitgestalten bei Gottes souveränem Eingreifen. Manchmal trägt man nicht in geordneter wohlüberlegter Argumentation seine Anliegen zu Gott, sondern man ruft, schreit, weint oder wartet schweigend in seiner Gegenwart. Die Gebetszeit wird so zu einer intensiven Begegnungszeit mit dem lebendigen Gott.

Einigkeit in der Gruppe

Wenn eine Gebetsgruppe in Sachen "geistliche Kampfführung" vorangehen will, sollte sie sich jedoch zuvor verständigen, wie sie hier gemeinsam vorgehen kann, damit nicht einige sich in diesen Gebetsphasen innerlich "ausklinken", weil sie ein solches Beten mit ihrer Erkenntnis nicht vereinbaren können. "Flieht den Satan, so flieht er von euch!" dieses biblische Motto gilt nicht nur für den persönlichen Bereich. Man sollte erkennen, dass man "nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen hat" (Eph 6,12), sondern mit einer unsichtbaren finsteren Welt. Man sollte es aber nicht ängstlich tun, sondern in "der Kraft Seiner Stärke", im Namen des auferstandenen Herrn Jesus Christus! Diese Zuversicht sollte alle kämpferischen Gebete prägen. Daraus Folgt die Frage was Gott uns durch diesen Aufbruch wohl zeigen will.

1. Gott ruft zur Einheit

Zu den erfreulichsten Impulsen, die Gott in die neueren Gebetsbewegungen hineingelegt hat, gehört die Erfahrung, dass Christen aus unterschiedlichsten christlichen Kreisen neu zusammenrücken. Gebet ist fördert Einheit und diese innere Einheit der Betenden ist wichtig. Gott will damit zeigen, wie sehr man einander zur Korrektur und Ergänzung braucht. Eine einzelne Konfession macht noch nicht den gesamten “Leib Christi” aus (Röm 12,4-8, Eph 4,15-16). Im Neuen Testament wird entweder von der Versammlung (griechisch “synagoge”) oder von der Gesamtheit der Christen an einem Ort, aber auch von dem weltweiten Leib Christi gesprochen.

Leider gibt es immer wieder den Trichterblick einzelner Gemeinden, die die Sicht für andere Schwestern und Brüder vor Ort völlig verlieren. Christen müssen neu lernen, gemeinsam ihre Stadt mit den Augen Gottes zu sehen und von einer “Reich Gottes Perspektive“ aus zu denken, zu beten und zu handeln. Wo das gemeinsame Bekenntnis zu Jesus Christus klar ist, da sollte es auch gemeinsame Ausdrucksformen des Glaubens geben. Die Einheit der Christen ist ein Gnadengeschenk, das es zu bewahren und zu stärken gilt. Die Einheit beruht auf der Person und auf dem Erwählungshandeln Jesu - nicht unbedingt auf einer völligen Übereinstimmung in Lehre, Leben und Glaubenspraxis. Wenn man gemeinsam Gottes Gegenwart im Gebet sucht, wird man lernen, Unterschiede als Ausdruck seiner Vielfalt anzunehmen und sogar zu feiern.

2. Gott erinnert an vergessene oder vernachlässigte Aufgaben.

Die Gebetsbewegungen erinnern die Gemeinde Jesu deutlich daran, dass sie in dieser Welt Aufgaben wahrzunehmen hat; vielfach wird hier von der “priesterlichen Funktion der Gemeinde” gesprochen. Die Gemeinde Jesu muss neu begreifen, dass sie nicht nur für sich selber da sein soll, sondern für Gott, und deshalb immer auch Gemeinde für andere ist: Durch diesen neuen Gebetsaufbruch will Gott die Christen das "hörende Beten” lehren; er will ihnen bei der prophetischen Wahrnehmung und Beurteilung der Gesellschaft helfen. Der Missiologe Wolfgang Simson spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Gebets-und Bussbewegungen "das Land und unsere Herzen geistlich umpflügen und für Gottes Stimme empfänglich machen soll”. Bei vielen Christen entsteht der Wunsch, Gemeinden, Städte und die ganze Gesellschaft mit den Augen Gottes zu sehen. Sie wollen sich von Gott die wirklichen Nöte zeigen lassen und nicht nur beten, sondern auch aktiv werden. Dabei soll die ‘Haltung des Hörens’ vor Aktivismus und Oberflächlichkeit schützen.”

Es entspricht dem priesterlichen Charakter der Fürbitte, immer erst nach der Sicht und dem Anliegen Gottes zu fragen. Ein Volk, das verlernt hat zu beten, braucht mündige Christen, die im Gebet ihre Aufgaben neu erkennen. Diese Art des priesterlichen Gebetes führt immer auch zu konkreten Diensten; Keith Warrington betont deshalb, dass man von Jesus lernt, seine Mitmenschen so wie er zu lieben und ihnen zu dienen. Das beginne damit, dass man sich Zeit nimmt, sie in der Fürbitte vor Gott zu bringen. Dabei lerne man, sie als Personen wahrzunehmen und ihr Umfeld aus Gottes Perspektive zu betrachten. Dies löse einen von einer seichten, menschenbezogenen Einstellung und ist die Basis für einen vollmächtigen Dienst an diesen Menschen.” Aus diesem Gebeteinsatz erwachse häufig auch eine ganz konkrete Beauftragung. Im Gebet hört man auf Gottes aktuelles und kontinuierliches Reden.

Durch die Gebetsbewegungen, so Warrington, will Gott den Christen die Augen für ihre gesellschaftliche Verantwortung öffnen. Dabei sei aber zu bedenken, - bevor man über Umsetzungsmöglichkeiten rede, solle man zuerst die Zielsetzung klar machen: Unsere Aufgabe ist es, Gottes Interessen zu suchen. Das zeigt auch das Vaterunser, in dem Jesus vor allem zwei Anliegen betont: Der Name des Vaters soll geheiligt werden. Das nächste Anliegen lautet in doppelter Form: 'Dein Reich komme! Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!' Gottes Reich bedeutet nichts anderes als seine Regentschaft, seine Königsherrschaft.”

Es ist Gnadenzeit

Auf dieser Grundlage führt Gott durch den neuen Gebetsaufbruch Christen zusammen, die in denselben Dienstbereichen tätig sind, damit sie Gottes Aufträge für diese Felder des gesellschaftlichen Engagements entdecken und dann gemeinsam ausführen können. Das Volk Gottes lernt, Berufungen besser zu erkennen, Menschen dafür freizustellen und Netzwerke zu bilden. Er schenkt ihnen eine neue Sicht für ihr Volk und für die Völker. Werner May (IGNIS-Akademie für Christliche Psychologie) beurteilt die Gebetsbewegung unserer Zeit deshalb wie folgt: "Gerade in letzter Zeit hört man so viel über Gebet, über Fürbitte. Es ist Gnadenzeit: Gott will uns durch die verschiedenen Gebetsbewegungen ganz neu auf dieses wunderbare Geschenk des Gebets hinweisen.” - Ja, die neuen Gebetsbewegungen sind Ausdruck der nicht endenden Gnade Gottes. Es ist ein Vorrecht, Teil dieser geistlichen Bewegung in unserem Land zu sein!

Text gekürzt durch Livenet

Dr. Heinrich Christian Rust ist Referent für Gemeindeaufbau im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und einer der Sprecher des Kreises Charismatischer Leiter in Deutschland.

Datum: 03.11.2004
Autor: Heinrich Christian Rust
Quelle: come

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