Irrtümer seien in keiner Übersetzung auszuschliessen, schreibt Ingolf U. Dalferth, der an der Universität Zürich systematische Theologie, Symbolik und Religionsphilosophie lehrt, im Kulturteil der NZZ. "Aber wenn man sich durchgehend nicht mehr darauf verlassen kann, dass das, was man im Deutschen liest, im biblischen Originaltext steht, sollte man nicht mehr von Übersetzung reden." Die Übersetzung gehe von Annahmen aus, die sie weder begründe noch beweise. Das sei "das hermeneutische Hauptproblem" dieser Übersetzung. „Sie traut den Lesern gar nichts zu, sondern schreibt ihnen unablässig vor, wie sie verstehen sollen, was sie lesen.“ Statt die alten Texte ernst zu nehmen, das heisst gegen heutige Vorverständnisse und Vorurteile stark zu machen, sei es den ÜbersetzerInnen darum gegangen, „den Impulsen der Befreiungstheologie, der feministischen Theologie und des jüdisch-christlichen Dialogs gerecht zu werden“. Dalferth kritisiert, dass überall mit Frauen gerechnet wird, wo ihre Anwesenheit nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird, was zu „Apostelinnen“ und „toragelehrten pharisäischen Frauen“ führt. Der geschlechtergerechte Antidiskriminierungswunsch sei der "Vater der Übersetzung". Die sei jedoch "historisch irreführend und philologisch unzuverlässig." Der in Zürich lehrende deutsche Theologe lehnt Umdeutungen wie in Johannes 15 ab: „Ich bin der wahre Weinstock und Gott ist meine Gärtnerin“. Oder Johannes 1: „Am Anfang war die Weisheit“ – statt „Am Anfang war das Wort“. Zwar gebe es "keine Übersetzung ohne Deutung", doch sei es falsch, "jede Deutung als Übersetzung auszugeben." Einen weiteren "Tiefpunkt" ortet Dalferth im Bemühen, Differenzen zwischen der Jesus-Lehre und dem Judentum zu verwischen. Die verschiedenen Gottesnamen würden "in völliger Willkür" gewählt, wobei das übliche griechische "kyrios" (Herr) eliminiert werde. Die Propheten dürften Israel nicht mehr ein Strafgericht Gottes androhen; statt „reif zum Ende“ sei das Volk Israel bloss noch „reif“ (Amos 8,2). Wenn eine Übersetzung die geschichtliche Entwicklungen des Glaubens negiere und religiöse Identitäten von Juden und Christen verwische, verfehle sie ihren Zweck: "Sie ist nicht textgerecht und richtig, sondern schlicht schlecht, falsch und nichtig." Die "Bibel in gerechter Sprache" vermeide es "erfolgreich, sich vom Eigensinn der biblischen Texte stören zu lassen". Sie trage daher "Züge einer schwärmerischen Ideologie". Sie sei vielerorts "philologisch unzuverlässig, historisch irreführend und theologisch konfus." Sie sei philologisch, historisch und theologisch "unbrauchbar", so das Verdikt des Theologen. Das breite Mitwirken protestantischer Kirchen und Akademiker an dieser Übersetzung wirft laut Dalferth "ein trauriges Licht auf den Zustand der protestantischen Theologie".Leser bevormundet
Wenn nicht sein kann, was nicht sein darf
Willkür bei der Wahl der Gottesnamen
"Trauriges Licht auf den Zustand der protestantischen Theologie“
Datum: 21.11.2006
Quelle: Livenet / Kipa