Anne Sabourdy

Dem Leben zu Liebe

Anne Sabourdy

«Als Kind war ich fast immer krank», sagt Anne Sabourdy und blinzelt mit ihren hellen, blauen Augen. Nicht älter als 20 würde sie werden, prophezeit der Arzt; damals ist sie 12. Heute hat sie fünf Kinder und 15 Grosskinder. Aufgrund eines Gendefektes ist Anne Allergikerin und reagiert auf zahlreiche Dinge sehr heftig. «Ich gehöre zu den schwerstbetroffenen Allergikern der Schweiz. Düfte, Nahrungsmittel und auch Materialien können lebensbedrohliche Reaktionen hervorrufen. Viele Leute fragen sich, wie ich überhaupt leben und sogar arbeiten kann», erklärt sie. In einem Restaurant zu essen, ist für Anne kaum möglich. Bei Tageskursen muss sie ihr eigenes Essen mitnehmen, denn falsche Nahrung kann sehr schnell tödlich enden.

Der Tunnel und das Tor

Einmal reagiert sie stark auf die Einnahme eines Medikaments, verliert beinahe ihr Leben. Anne erzählt: «Ich sah mich durch einen Tunnel auf ein helles Licht zugehen und fand mich an einem himmlischen Ort wieder.» Ihre Erinnerung an diese Erfahrung ist sehr klar geblieben. «Eine Stimme sagte: 'Du musst zurückgehen, es wartet noch eine Aufgabe auf dich.'» Das Nächste, was Anne wahrnimmt, sind die Worte des Arztes: «Zum Glück haben wir sie wieder!» Ins Leben zurückzukommen, sei ihr nicht leichtgefallen: «Wenn du vor dem Himmelstor stehst, denkst du nicht mehr an Angehörige oder sonst etwas. Ich wäre unbeschreiblich gern dortgeblieben…»

Die zweite Diagnose

Von ihren Eltern wird Anne früh mit dem christlichen Glauben vertraut gemacht. Dessen Kraft spürt sie erstmals bewusst nach der vernichtenden Prognose ihres Arztes als Zwölfjährige. Anne erinnert sich: «In meinem Herzen sprach Gott zu mir: 'Du und ich, wir schaffen das!'» Vorfälle aufgrund allergischer Reaktionen wechseln sich ab mit Ausfällen wegen Knochenbrüchen. Dennoch kommt Anne durch die Schulzeit, muss ihre Ausbildung zur Kindergärtnerin allerdings abbrechen. Mit 20 erfolgt die zweite Diagnose: Glasknochenkrankheit. Erst 2019, also 46 Jahre später, wird die genaue Form der Krankheit eruiert. «Sie gehört zu den seltensten Formen unter den Glasknochenkrankheiten und ich bin weltweit eine von etwa 50 betroffenen Personen», erklärt die jüngste von drei Schwestern.

«In meinem Herzen sprach Gott zu mir: 'Du und ich, wir schaffen das!'»

Auch die Älteste ist von der Krankheit betroffen. Damals wie heute lässt sich Anne von ihren Leiden nicht behindern. Sie heiratet jung und zieht aufgrund der Arbeit ihres Mannes, eines Pastors, 1979 mit der Familie nach Südfrankreich. «Dort absolvierte ich die Ausbildung zur Rettungssanitäterin», erzählt Anne. «1982 kehrten wir zurück in die Schweiz und ich nahm ich das Studium zur Erwachsenenbildnerin auf – die Grundlage für meine heutige Tätigkeit.»

Start der Selbstständigkeit

Ihre Firma mit dem Namen «Schule für Lebensrettung» startet Anne im Jahr 2000. Sie bietet Schulungen für Herzmassage und Handhabung des Defibrillators an, aber auch Erste-Hilfe-Kurse, Unfallprävention und Sanitätsdienst. Heute hat sie sechs Freelancer, die in ihrem eigenen Beruf arbeiten und punktuell bei Schulungen mitwirken. «Es sind Fachpersonen, die zum Teil von mir ausgebildet wurden. Wir bieten die Kurse in der ganzen Schweiz auf Deutsch und Französisch an», sagt Anne. Ihre Kurse zeichnen sich durch starke Praxis aus: «Die Teilnehmer dürfen einfach üben, sie dürfen Fehler machen und es erneut versuchen. So verlieren sie die Angst vor dem Helfen.» Obwohl Anne längst schon pensioniert wäre, arbeitet sie zeitweise mehr als 100 Prozent. «Ich führe Kurse mit Lokführern, in Kitas und überall dort durch, wo ich gerufen werde.»

Anne Sabourdy im Einsatz

Wertschätzung und wertvolle Worte

Einen beachtlichen Teil der Kurse realisiert sie mit Personen, die körperlich oder geistig beeinträchtigt sind. «Ich habe mich auf die Arbeit mit diesen Menschen spezialisiert. Das macht sonst niemand.» Dieser Fokus ist eng verwoben mit Annes eigener Geschichte. Anne weiss: «Manche Menschen mit Behinderung haben noch nie in ihrem Leben ein Diplom erhalten. Ich mache jeweils Fotos von den Teilnehmenden und überreiche ihnen nach absolviertem Kurs ein Diplom. In die strahlenden Gesichter zu blicken, das lohnt diesen Aufwand allemal!»

Immer wieder erleben Personen, die Erste Hilfe geleistet haben, dass sie die den Patienten nicht retten konnten. Dann bleiben Fragen zurück – nach dem Warum und einem Leben nach dem Tod. In solchen Gesprächen berichtet Anne gern von ihrer Nahtoderfahrung. «Ich bin sicher, dass ich einmal hinter dieses Tor kommen werde», sage sie jeweils und erzähle dann von ihrem Glauben an Jesus. «Ich spreche immer offen über meinen Glauben und habe deswegen noch nie einen Kunden verloren», bekräftigt sie.

Kirche ohne Kerzen

Eine christliche Gemeinde zu besuchen, ist Anne sehr wichtig: «Seit fünf Jahren gehöre ich zu einer kleinen Gemeinde in Ostermundigen. Es ist der erste Ort, an dem man auf meine Allergien Rücksicht nehmen kann.» Beispielsweise wird auf Kerzen und bestimmte Pflanzen verzichtet. Dass Anne sogar ein Wochenende mit den Gemeindemitgliedern verbringen konnte, bedeutet ihr sehr viel. Nicht nur in Kirchen, auch an anderen Orten findet Anne nur schwer Anschluss. Dabei bekommt sie oft zwei Dinge zu hören: «Du bist uns zu kompliziert!» und «Wir wollen nicht verantwortlich sein, wenn dir etwas passiert!». Dass Anne heute voll im Leben steht, erfüllt sie mit grosser Dankbarkeit. Sie hat eine Familie, eine christliche Gemeinde und einen Job, den sie über alles liebt – all dies ihrer starken Einschränkungen zum Trotz!

«Du bist uns zu kompliziert!» ... «Wir wollen nicht verantwortlich sein, wenn dir etwas passiert!».

Wunsch nach Würdigung

Anne hofft, die Firma in die Hände von jemandem zu übergeben, der die Arbeit in ihrem Sinne weiterführt. Dies ist eine grosse Herausforderung. «Neben dem Fachwissen über die Lebensrettung sind auch Erfahrung und Wissen im Behindertenbereich wichtig», gibt Anne zu bedenken. Von Herzen wünsche sie sich, dass Menschen mit Behinderung weiterhin zu Lebensrettern und -retterinnen ausgebildet werden können, sagt abschliessend: «Jedes Menschenleben ist wertvoll und sollte nicht nur gerettet, sondern auch gewürdigt werden.»

Zur Person

Einer meiner Lieblingsplätze in Ostermundigen:
Meine kleine Kirchgemeinde

Meine Lieblingsbeschäftigung an verregneten (Sonntag-)nachmittagen:
Grosskinder hüten und mit ihnen spielen, ein Buch lesen oder Film schauen

Meine Lieblingsmusik:
Christliche Country-Musik

Auf diese App möchte ich auf keinen Fall verzichten:
Die Bibel-App und die Bibellesepläne

Datum: 19.05.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Hope-Zeitungen

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