Kirchen wollen neue öffentliche Leichenzerlegung verhindern

Mit der umstrittenen »Körperwelten«-Ausstellung hatte er für Furore gesorgt. Nun hat Professor Gunther von Hagens seinen zweiten Streich gelandet: In London sezierte er öffentlich vor Publikum und im Fernsehen die Leiche eines 72-jährigen.

München/London. Die grossen Kirchen in Deutschland setzen sich dafür ein, eine weitere öffentliche Leichenzerlegung durch den Anatomieprofessor Gunther von Hagens zu verhindern. Er hatte am 20. November in London vor Fernsehkameras und 650 zahlenden Zuschauern den konservierten Körper eines im März gestorbenen 72jährigen Deutschen seziert. Dessen Hinterbliebene hatten zugestimmt. Von Hagens entfernte die inneren Organe und das Gehirn des früheren Alkoholiker und Kettenrauchers; dann liess er die Leichenteile im Publikum herumreichen.

Die Polizei untersucht, ob er mit dieser ersten öffentlichen Autopsie seit 1830 in Grossbritannien gegen Gesetze verstossen hat. Ihm könnte eine dreimonatige Freiheitsstrafe drohen. Der Präparator, dessen Ausstellung “Körperwelten” mit “Plastinaten” menschlicher Leichen seit dem Jahr 2.000 rund neun Millionen Zuschauer gesehen haben, will demnächst in München eine Leiche öffentlich zerlegen.

Der Pressesprecher der EKD, Christof Vetter (Hannover), kritisierte, dass damit die Totenruhe gestört und die Menschenrechte angetastet würden. Man werde das Spektakel nicht nur beobachten, sondern einschreiten, kündigte Vetter an. Die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Kessler, nannte es in einem Zeitungskommentar “Barbarei”, wenn man Tote medienwirksam ausschlachte. Kritisch hatte sich auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz geäussert. Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel, der dem Nationalen Ethikrat angehört, sieht die Menschenwürde berührt, die über den Tod hinaus wirke. Mit “Entsetzen” reagierte der stellvertretende Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CSU, Harald Hässler (Nürnberg). Er forderte den bayerischen Ministerpräsident Edmund Stoiber auf, gegen das Spektakel einzuschreiten. Hässler: “Man stelle sich vor: Ein launiger Sonntagsausflug in München zur Autopsie einer Leiche – hier muss auch die vielzitierte Spassgesellschaft ethische Grenzen anerkennen.”

Das Kreisverwaltungsamt in München prüft ein mögliches Verbot. Von Hagens zeigte sich unbeeindruckt. Er trete weiter für eine “Demokratisierung der Anatomie” ein, schrieb er in der britischen Tageszeitung “Independent”.

Datum: 27.11.2002
Quelle: idea Deutschland

Werbung
Livenet Service
Werbung