«Wir brauchen mehr Evangelisten»
Livenet: Beat Ungricht, was macht Ihnen am meisten Freude an Ihrer Gemeinde?
Beat Ungricht: Wir konnten als Gemeinschaft durch heraufordernde Projekte in den letzten Jahren die starke Einheit bewahren und können mit grosser Freude hoffnungsvoll in die Zukunft gehen.
Wo sehen Sie die grössten Chancen für die Entwicklung Ihrer Gemeinde?
Wir haben sehr viele Leute, die sich mit hohem Einsatz ehrenamtlich engagieren. Das ist das Potential unserer Gemeinde. Daraus wird noch vieles wachsen und entstehen. Wir haben uns in den letzten Jahren stark für die Menschen in unserer Stadt und Region geöffnet. Wir glauben, dass diese Entwicklung weitergeht und viele gesegnet werden und Jesus Christus begegnen.
Gibt es in Ihrer Gemeinde Barrieren für neue Besucher, die abgebaut werden müssten?
Unser Jahresschwerpunkt 2014 wird «Wertschätzung» sein. Uns ist es ein Anliegen, dass wir jeden Menschen so willkommen heissen, wie er / sie ist.
Wie kommen heute Ihrer Erfahrung nach Menschen am häufigsten zum Glauben?
Zum einen dadurch, dass sie spüren: Hier bin ich wirklich willkommen! Hier werde ich ernst genommen! Hier kann ich sein, wie ich bin! Hier kann ich dazugehören, ohne dass ich anders sein muss – bedingungslose Annahme und Wertschätzung.
Und zum anderen dadurch, dass sie erleben: Das hier ist echt. Christen sind Menschen wie ich – kennen Versagen und Scheitern. Aber sie haben durch Jesus Christus einen Weg gefunden, wie sie trotzdem ehrlich werden und sich selbst und einander vergeben können.
Welche Themen verdienen eine breitete Beachtung in Landes- und Freikirchen?
Kaum mehr welche. Je länger je weniger sind Kirchenfremde an irgendwelchen Themen interessiert. Die Praxis: Wenn mich etwas interessiert finde ich im Internet 1'000 Antworten und ich kann eine unverbindlich auswählen, die mir passt.
Trotzdem suchen viele nach dem Sinn. Das zeigen zum Beispiel die «Tanz dich frei»-Partys. Freiheit und Individualität sind äussere Themen. Versteckte innere Themen sind Annahme, Selbstfindung, Selbstachtung, echte Beziehungen, tolle Gemeinschaftserlebnisse, sich mit Freunden für etwas engagieren können – übrigens haben sich diese Themen nie geändert…
Wie halten Sie sich körperlich und geistlich fit für Ihre Aufgabe?
Das Wichtigste ist mir die Ehe und Familie. Wir planen Zeiten mit unsern (teilweise) erwachsenen Kindern und haben regelmässig Zeiten zu zweit, wo wir entspannen, reden, beten und geniessen können. Dann treibe ich regelmässig Sport – plane dafür grössere und kleinere Events ein. Eine kurze Ruhepause über Mittag ist Gold wert, weil der Tag oft bis spät in den Abend geht.
Meine Beziehung zu Jesus ist mir überaus wichtig. Deshalb halte ich seit Jahren eine Stille-Struktur ein: täglich, wöchentlich einmal länger, alle sechs Wochen einen Tag der Stille und zweimal im Jahr ein paar Tage der Stille. Natürlich gelingt es nicht immer ganz. Trotzdem kommen Inspiration, Vision und Tatkraft aus der hörenden Stille. Die Gemeindeleitung weiss das und setzt mich dafür frei. Weiter lese ich regelmässig, weil ich daran glaube, dass auch andere vor mir inspiriert waren, ich nicht alles neu erfinden muss und viel von ihnen lernen kann. Zurzeit investieren die Gemeinde und ich auch in meine Weiterbildung als Berater und Coach.
Welches war für Sie das beste evangelistische Projekt im letzten Jahr?
Lange Jahre waren es die Alphalivekurse, die Gottesdienste für Kirchenfremde und die sozialdiakonischen Angebote. – Doch wir spüren seit einigen Jahren, dass es viel wichtiger ist, in der Gemeinde den evangelistischen Wert hochzuhalten, anstatt Veranstaltungen zu machen. Wir brauchen mehr «Evangelisten» – gute Projekte füllen sich nur so. Umgekehrt funktioniert es nicht.
Beschreiben Sie drei zentrale Werte Ihrer Gemeinde.
Wir haben vor sieben Jahren zehn zentrale Werte verschriftlicht, die wir schon lange auf dem Herzen haben. Wenn ich drei herausgreife, dann gibt es weitere sieben, die auch wichtig sind:
- Wir sind überzeugt, dass Jesus die Gemeinde als Hoffnung der Welt eingesetzt hat. Gott will uns brauchen, damit Menschen lokal und global von dieser Hoffnung erfasst werden und in der Beziehung zu Jesus wachsen (Apostelgeschichte 1,8; Matthäus 5,13-16; Epheser 1,23).
Deshalb bleiben wir beständig dran, unsere Haltung und sämtliche Aktivitäten unserer Gemeinde danach auszurichten. - Wir sind überzeugt, dass durch liebevolle, authentische Beziehungen und gegenseitige Wertschätzung in unserer Gemeinde Menschen aller Generationen in eine wertvolle Gemeinschaft finden, Freundschaften entstehen und vertieft werden (Markus 3,13-15; Johannes 13,34-35; 1. Johannes 4,11-12; Epheser 4,2-3).
Deshalb achten wir den andern höher als uns selbst und fördern Freundschaften, Klein- und Dienstgruppen (Teams) in jedem Bereich der Gemeinde. - Wir sind überzeugt, dass Gott allen Gemeindegliedern Begabungen zum Bau der Gemeinde geschenkt hat und sie im Entdecken, Einsetzen und Entwickeln dieser Gaben, Freude und Erfüllung erfahren (Epheser 4,16; Römer 12,5; 1. Korinther 10,17).
Deshalb schaffen wir in der Gemeinde eine Kultur, in der Gaben entdeckt, ausprobiert und eingeübt werden.
Gibt es ein besonderes diakonisches Projekt in Ihrer Gemeinde?
Wir haben vor vier Jahren den gemeinnützigen Verein Stägetritt gegründet. Darin haben wir zwei Schwerpunkte: 1. Familien in ihren vielfältigen Herausforderungen zu begleiten und 2. Arbeitsintegration von Menschen, die total aus der Arbeitswelt herausgefallen sind. Weitere diakonische Projekte sind: Asylantenarbeit, Migrationsarbeit und ein Atelier für Arbeitslose und Bedürftige. Diese Projekte werden von Privatpersonen in der Gemeinde betrieben und teilweise von uns unterstützt.
Ihr Lieblingsbibelvers – weshalb?
Einer der Lieblingsverse – ich habe viele: Jeremia 33,3: «Ruf mich, dann will ich dir antworten und will dir gewaltige und unglaubliche Dinge zeigen, von denen du noch nie gehört hast.»
Gott kann auch dann noch viel mehr, wenn wir schon alles gegeben haben! Und nebenbei: Das Wichtigste bleibt das Beten!
Zur Person
Zivilstand, Familie: verheiratet, drei Kinder
Name der Gemeinde: FEG Winterthur
Gründung: etwas mehr als 175 Jahre alt
Gehört zum Verband: FEG Schweiz
Anzahl der Besucher, Mitglieder: etwa 350 Erwachsene
Gemeindeslogan: Wir sind eine Gemeinde, die den Menschen in unserer Stadt nahe ist, damit sie Jesus nahe kommen können.
Besondere Aktivitäten: neuer Abendgottesdienst; wir weihen im Herbst ein neues Gemeindezentrum ein.
Gemeindeadresse: Theaterstrasse 27, 8400 Winterthur
Webseite: www.feg-winterthur.ch/
Datum: 23.09.2013
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet