Obligatorische Militärdienstpflicht

Gewaltfreiheit – ein Thema für Christen?

Am 22. September stimmt die Schweiz darüber ab, ob die obligatorische Militärdienstpflicht für Männer abgeschafft werden soll. Was dient dem Frieden und der Sicherheit eines Landes? Der Mennonit David Rediger rät den Gemeinden, insbesondere den mennonitischen, die Friedens- und Militärdienstfragen zu ihrem Thema zu machen.
David Rediger

Die globalisierte Welt ist zum Dorf geworden. Wir werden schnell informiert, was in Konfliktgebieten rund um den Globus passiert. Die Liste der Gewalttätigkeiten ist lang. Welche Antworten leben wir als historische Friedenskirche auf diese Herausforderungen?

Spätestens mit 19 Jahren kommt eines Morgens ein Brief ins Haus geflattert: Aufgebot zur Aushebung der Schweizer Armee. Zwei Wege kommen an diesem Punkt für mich in Frage: Entweder der direkte Eintritt in die Armee oder dann der etwas längere Weg über den Zivildienst. 

Zivildienst oder Militär?

Ich habe mich damals für den Zivildienst entschieden. In Jugendlagern und unterwegs in den Gemeinden wurde die Entscheidung Militär oder Zivildienst immer wieder aufgenommen und im Gespräch mit älteren Jugendlichen der Gemeinde diskutiert. Dies gab viele Denkanstösse. Für meine Entscheidung standen letztendlich zwei Punkte im Zentrum.

  • Einerseits kann ich beim Zivildienst selber entscheiden, wann, wo und in welchem Bereich ich meine Einsätze leisten möchte und etwas Sinnvolles zum Wohl der Gesellschaft beitragen kann.
  • Andererseits wollte ich diese freie Entscheidung nutzen, um 'Nein' zu sagen zur Gewalt. Mit Jesus unterwegs will ich versuchen, wie er ohne Gewalt durchs Leben zu gehen. Diese freie Entscheidung ist übrigens noch nicht lange möglich: Viele unserer täuferischen Vorfahren gaben unter anderem für den Aspekt der Gewaltfreiheit ihr Leben hin, und noch bis 1991 gingen Mennoniten in der Schweiz ins Gefängnis, weil sie aus Glaubens- und Gewissensgründen keinen Militärdienst leisten konnten. 

Aktiv Gerechtigkeit und Frieden fördern

Ron Sider, Friedenstheologe aus Pennsylvania, USA, gab an einer Tagung zu Frieden und Gerechtigkeit auf dem Bienenberg Einblick in diesen radikalen Weg eines gewaltfreien Lebensstils. Faszinierend und zugleich herausfordernd zeichnete er die Bedeutung eines Gewaltverzichts in der Nachfolge Jesu. Er beleuchtete das Leben Jesu in jener unruhigen und von Unterdrückung und Gewalt geprägten Zeit und rückte dabei seine radikale Einstellung zum Thema Gewalt und die Feindesliebe ins Zentrum. Wenn Jesus zu dieser Zeit diesen radikalen Weg der Gewaltfreiheit gehen konnte, wie viel mehr sollten wir uns heute dann mit diesem Thema auseinandersetzen und als Gemeinschaft an seiner Umsetzung arbeiten? Sider spricht dabei immer wieder von aktiver Gewaltfreiheit für Gerechtigkeit und Frieden und ermutigt, nicht in passiver Widerstandsfähigkeit zu verharren.

Bei tieferer Betrachtung merkt man, wie enorm weit das geht und was für eine starke Kraft und Veränderung von einer konsequenten Umsetzung dieses radikalen Weges ausgeht.

Konkrete Umsetzungen zeigen heute zum Beispiel die Christian Peacemaker Teams (CPT), die weltweit in Krisenregionen wie Palästina und dem Irak unterwegs sind. Vor Ort versuchen sie, Konflikte gewaltfrei anzugehen und Lösungen zu schaffen.

Grosse, gewaltfreie Widerstände sind auch die Aufstände von Mahatma Ghandi, Martin Luther King etc., die ebenfalls von dieser gewaltigen Kraft dieses radikalen Weges zeugen.

Mut zur Diskussion

Doch wo können wir hier anpacken? Gewaltfreiheit ist ein zentraler Aspekt täuferischen Glaubens. Als wichtiger Schritt der konkreten Umsetzung braucht es aber mehr Diskussion und Auseinandersetzung mit diesem Thema, persönlich, aber speziell auch auf Gemeinschaftsebene – in den Jugendgruppen, den Gemeinden und der Konferenz. Friedensfragen müssen wieder vermehrt diskutiert und mehr ins Zentrum gerückt werden.

«Wenn wir als Christen ein Leben in gewaltlosem Widerstand wirklich ernst nehmen, so sollen wir aufstehen und beginnen, konkrete Schritte in Gemeinschaft umzusetzen. Was dabei rauskommt, wird gewaltig sein», schreibt Ron Sider.

Die Entscheidung – Zivildienst oder Militär – ist eine Einladung zum Nachdenken über das Thema. Der kleinste Beitrag ist der, dass wir uns aktiv, gemeinsam und gründlich auseinandersetzen, damit ein kleiner, aber wichtiger Schritt bewusst gemacht werden kann. Bisher gilt dies nur für junge Männer – möglicherweise schon bald auch für Frauen. Denn in den neusten Denkanstössen der Denkfabrik Avenir Suisse wird die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht für alle Bürger und Bürgerinnen in die Runde geworfen. Dabei soll frei entschieden werden können zwischen einem militärischen oder zivilen Dienst. 

Wie würdest du dich entscheiden?

David Rediger, 24, studiert Veterinärmedizin und ist Mitglied der Mennonitengemeinde Bern. Er arbeitet in der Jugendkommission der Mennoniten (MJKS) mit.

Datum: 02.07.2013
Autor: David Rediger
Quelle: Perspektiven

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