Kommentar

Im Auge des Sturms

Die Herabstufung der amerikanischen Bonität, die daraus erfolgten Börsenstürze in den USA und Europa, der schwächelnde Euro und der überstarke Franken machen immer mehr Menschen Sorgen, ja regelrechte Angst. «Zu Recht, könnte man meinen», findet Patrick Senn, Finanzcontroller der Pilgermission St. Chrischona.
Die Schweiz: Im Auge des Sturms

Aktienverluste bedrohen die Renten, der starke Franken gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exportindustrie und des Tourismus. Während Schweizer nun günstig im grenznahen Ausland einkaufen können, verteuert sich für ausländische Studierende das Leben in der Schweiz um über 50 Prozent.

Das kann manches Studium in Frage stellen, auch am Theologischen Seminar St. Chrischona. Auch die deutschen und französischen Besucher der Konferenz für geistliche Erneuerung mussten sich anfangs August mit horrenden Wechselkursen abfinden.

Der Franken ist als sicherer Hafen stark gesucht; gleichzeitig tragen Devisenflüchtlinge durch ihre Frankenkäufe aber den Sturm in den vermeintlich sicheren Hafen. Sie schwächen damit die Schweizer Wirtschaft massiv. Kurz: Die Schweiz ist keine Insel der Seligen, sondern eher Auge im Sturm (Im Auge eines Wirbelsturmes ist es praktisch windstill, Red.).

Was bis vor kurzem als verlässlich und solide galt, ist plötzlich Ballast und schwankender Boden geworden. Das macht Angst und wirkt bedrohlich, weil unberechenbar. Sicherheit und Konstanz sind gefragt.

Menschen fürchten um ihr Vermögen und kaufen Gold und Schweizerfranken – mit den oben beschriebenen Folgen. Aber sind Gold und die helvetische Währung wirklich die Antworten auf die Misere, auf welche die Menschen warten? Wohl kaum.

Gibt es nicht vielmehr einen inneren Zusammenhang zwischen staatlicher Überschuldung, Plünderungen in England und Währungsflucht? Geht es nicht überall um blinden Materialismus, verantwortungslosen Konsum und rücksichtslose Gier bei gleichzeitiger Abwesenheit jeglicher Ethik? Sind es nicht einfach die faulen Früchte der Samen, die wir gesät haben, die wir jetzt serviert bekommen?

Der Mammon ist zwar ein guter Diener, aber ein schlechter Herr. Es zeigt sich jetzt, wer unser Herr ist. «Mein ist Silber und mein ist Gold», sagt Gott durch den Propheten Haggai. Gott ruft sich in Erinnerung, indem er das vermeintlich sicher-materielle erschüttert. Gleichzeitig ruft er die Verängstigten zu sich, damit sie merken: «Unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorübergehe» (Die Bibel, Psalm 57, Vers 2).

Und das ist wohl auch die Lektion, die in der gegenwärtigen Weltwirtschaftslage steckt: Neuausrichtung. Neuausrichtung an und zu Gott hin, dem Schöpfer aller Dinge. Zu Gott, der vor über zwei Jahrtausenden seinem Volk eine sozial verantwortliche Wirtschaftsethik verordnet hat. Zu Gott, der will, dass alle Menschen gerettet werden.

Wer Gott zum Herrn hat, ist zwar nicht immun gegen Finanzkrisen. Aber sie können sein Wertesystem nicht mehr so stark erschüttern, weil er auf einem anderen Fundament steht. Von diesem Fundament aus gesehen sieht die Welt anders aus. Es ist nicht mehr nur die Welt der bedrohlichen Krisen, sondern eine Welt der aufleuchtenden Chancen.

Eine Welt, in der Gott neue Perspektiven eröffnet, ermutigende Ideen schenkt und Themen auf den Tisch bringt, die vorher keinen (Christen) interessiert haben. So wird die Krisenzeit zur Segenszeit. Eine Zeit, in der fairer Handel globale Ungerechtigkeit ablösen könnte. In welcher der individualistisch-einsame Konsument stirbt und als herzlich-solidarischer Mensch wieder aufersteht.

Eine Zeit, in der christliche Gemeinden zu Solidargemeinschaften werden und der verunsicherten Gesellschaft vorzuleben beginnen, was Nächstenliebe praktisch heisst. Wenn am Sonntagmorgen (und nicht nur dann!) aus der Kirche plötzlich der Duft nach frischen Brötchen strömt, nimmt die Nachbarschaft die vermeintlichen «Fundis» ganz neu wahr.

Dann spielt es zwar immer noch eine Rolle, wie die Wechselkurse stehen und ob es der Wirtschaft schlecht geht. Aber es gibt dann tragfähige Gemeinschaften, die dank ihrem tragfähigen Fundament tragfähige Antworten haben für krisengeschüttelte Menschen. Damit verliert die Krise ihren existentiell-bedrohlichen Charakter und wird zur Chance – für die christliche Gemeinde.

Der Autor Patrik Senn ist zuständig für den Bereich Finanzen bei der Pilgermission St. Chrischona.

Buch zum Thema:
Mäuse, Motten & Mercedes. Biblische Prinzipien für den Umgang mit Geld.

Datum: 23.08.2011
Autor: Patrik Senn
Quelle: Livenet.ch

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