Fundstücke von «Jesus25»

Megatrends im evangelikal-pietistischen Raum

Megatrends werden bei der Jesus25 Konferenz unter die Lupe genommen
Die Konferenz «Jesus25» in Langensteinbach (D), die momentan läuft, versucht eine Standortbestimmung: Welche Megatrends beobachten wir im Moment im evangelikal-freikirchlich-pietistischen Raum?

Der Biologe, Theologe und Konferenz-Mitorganisator Markus Till stellt sich der Frage «Wo stehen wir als Kirche Jesu Christi?».

Vier Milieus

Grob vereinfacht spricht Till von vier Milieus, die im Moment die fromme Szene prägen:

  1. Die klassischen Evangelikalen
    Das umstrittene Wort «Evangelikale» füllt Till mit prägenden Kennzeichen: Der Auferstandene steht im Zentrum, die Bibel ist offenbartes Wort Gottes, gültig in Lehre und Leben. Das Opfer von Jesus am Kreuz ist unverrückbare Mitte des Evangeliums. In einem ethischen Thema, das viele Bewegungen spaltet, halten sie fest: Praktizierte Sexualität ist vorgesehen für die Ehe von Mann und Frau. Evangelikale sind überzeugt: Dieser Glaube ist nichts anderes als der historische christliche Glaube, das ursprüngliche biblische Evangelium.

  2. Konfessionelle
    Christen, die nahe bei den klassischen Evangelikalen liegen, die aber starke konfessionelle Überzeugungen mitbringen, die sie von anderen Kirchen unterscheiden und trennen.

  3. Postevangelikale und Progressive
    Sie haben ein anderes Bibelverständnis, das Sühneopfer ist bestenfalls «eine von mehreren Deutungen des Kreuzes».  Sie befürworten z.B. die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare.
     
  4. Die Pragmatischen
    Christen und Leiter, die versuchen, die Lager zusammenzuhalten – mit Hilfe eines theologischen Minimalismus. Sie sind eher seelsorgerlich erbaulich orientiert. Sie betonen  und formulieren z.B.: «Wir glauben doch nicht an die Bibel, wir sind doch eins in Christus». Für sie zählt die Praxis in Gemeindebau und Evangelisation. Sie betonen: «Theologische Fragen dürfen doch unterschiedlich gesehen werden».

Vier Megatrends

Seit ein paar Jahren sieht Till diese Lager in Bewegung und ortet einige Megatrends:

  1. Der Verlust der Selbstverständlichkeiten
    Till: «Der pragmatische Ansatz hat lange funktioniert – man sagte oft, dass wir doch lieber evangelisieren als uns aufreiben, dass wir besser missionieren statt streiten sollten.» Aber zunehmend werde deutlich: «Dieser Ansatz hat nur funktioniert, weil es evangelische und pietistische Wurzeln gab, die man miteinander feiern konnte, ohne sie theologisch begründen zu müssen.» Aber die bekannten Begriffe wie «Gottes Wort», «Christus», «Evangelium» seien heute oft nur Begriffshülsen, die zunehmend unterschiedlich gefüllt werden. 
     
  2. Progressive und Postevangelikale werden liberaler und missionarischer
    Hier habe sich vor etwa fünf Jahren der Wind gedreht – es gebe eine «missionarische Dynamik» der Postevangelikalen in Freikirchen, z.B.  im Kampf um eine progressive Sexualethik. Till: «Sie haben die biblischen Gebote komplett verabschiedet und stören sich zunehmend an den Konservativen.» Auch in Kreuzestheologie und Christologie würden die Positionen immer liberaler, der Graben werde immer grösser und tiefer.
     
  3. Neue Initiativen und Netzwerke mit evangelikaler Prägung entstehen
    Till: «Wir hüllen nicht mehr alles in den Mantel des Schweigens.» Seine Hoffnungszeichen:
     1. Immer mehr neue apologetische Initiativen entstehen, von denen viele Träger der Konferenz Jesus25 sind.
     2. Evangelikale werden mutiger. Pastoren und Leiter positionieren sich zunehmend auch bei umkämpften Themen.
     3. Neue Netzwerke bilden sich, wie z.B. «Bibel und Bekenntnis» und andere – auch wenn das Wort «Bekenntnis» Ängste auslöse, wenn es von der       Liebe und dem «heissen» Glauben getrennt wird.
  4. Die «Pragmatischen» geraten zunehmend in die Zerreissprobe
    Weltweit litten die Methodisten, Anglikaner, Baptisten und andere Denominationen vor Ort unter wachsenden Spannungen und Spaltungen. «Wenn die konservativen und liberalen Kräfte immer stärker werden, wird es immer schwieriger, keine Stellung zu beziehen.»

Tills Schlussfolgerung: «Die klassische evangelikale Bewegung – geprägt durch Persönlichkeiten wie Billy Graham, John Stott, Francis Schaeffer, Ulrich Parzany, Rolf Hille – ist nicht am Ende. Wir stehen nicht vor einer Sackgasse; die beste Zeit der Evangelikalen kommt vielleicht erst noch.»

Zum Thema:
Mit Hoffnungskompetenz: Veränderungen durch Megatrends 
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Studie der Universität Lausanne: Positive Entwicklung der Schweizer Freikirchen bestätigt  

Datum: 09.05.2025
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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