Das IKRK als Teil der christlichen Missionsgeschichte
Die frühe Geschichte des IKRK ist darum für Thomas Hanimann, Historiker und Pressesprecher der Schweizerischen Evangelischen Allianz, ein Stück Missionsgeschichte. Er hat zum 100. Todestag von Henri Dunant eine Dokumentation erstellt, die dies zum Ausdruck bringt.
Im Leben Dunants wie auch in seinem pionierhaften humanitären Werk spielte die christliche Gesinnung eine prägende Rolle, wie Hanimann schreibt. Noch bevor 1862 die Erstausgabe der «Erinnerungen an Solferino» erschien und 1863 in Genf eine Internationale Konferenz zum Schutz von verwundeten Soldaten stattfand, hatte Dunant ein Jahrzehnt lang in der evangelischen Erweckungsbewegung in Genf mitgewirkt.
Dunant und die Evangelische Allianz
Dunant stiess in seinen Jugendjahren zur Evangelischen Gesellschaft (Société Evangélique); ihre führende Mitglieder müssen ihm einen tiefen Eindruck hinterlassen haben. Seit 1851 taucht der Name Dunants in den Kreisen der jungen Evangelischen Allianz auf. 1852 wurde er deren Sekretär und hatte damit Einfluss auf die Leitung. Seine Aktivität innerhalb der Allianz ist praktisch bis zu seinem Wegzug aus Genf (1867) nachweisbar. Noch wichtiger waren sein Mitwirken und sein Einfluss bei der Entstehung der internationalen Bewegung des CVJM (Christlicher Verein junger Männer). Dunant war es, der die entscheidenden internationalen Verbindungen knüpfte, die 1855 in Paris zur Gründung des CVJM-Weltbundes führten.
Evangelium und humanitäre Vision…
In seiner schwierigen späteren Lebensphase befasste sich Dunant laut Hanimann intensiv mit dem Christentum. «Er hatte eine prophetische Vision des Evangeliums. Am institutionalisierten und formalen Christentum übte er in dieser Zeit heftige Kritik. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, wie er gerade in dieser Zeit die Botschaft des Evangeliums und die humanitäre Gesinnung in eine enge Verbindung miteinander brachte.»
…im Jahrhundert der Kriege
Das 19. Jahrhundert stand im Zeichen der Feldherren, von Napoleon über Radetzky bis zu den Generälen Bismarcks. In ihrer Zeit kämpfte der Genfer Henry Dunant für Menschlichkeit. In Solferino lieferten sich am 24. Juni 1859 Österreicher auf der einen Seite und Italiener sowie Franzosen auf der anderen Seite einen erbitterten Kampf. Am Abend bedeckten 40‘000 wimmernde Verwundete die zerpflügte Erde. Henry Dunant, damals 31 Jahre alt, sah das Grauen. Und er half den Opfern so gut er konnte, ganz gleich, welcher Seite sie angehörten. Die Neutralität gehört bis heute zu den Grundprinzipien des Roten Kreuzes.
Das Elend von Solferino traf Dunant so tief, dass er «Gesellschaften zum Schutze der Verwundeten» gründen wollte. In seiner Heimatstadt Genf fand er Mitstreiter – und so entstand das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Er selbst musste die Leitung schon früh abgeben, nachdem seine geschäftlichen Aktivitäten in Algerien misslungen waren. Als Bankrotteur verachtet, verarmte und vereinsamte Dunant. Er zog 1887 nach Heiden und schrieb seine Memoiren.
Datum: 30.10.2010
Quelle: Livenet / SEA, epd