London. Der ehemalige britische Regierungschef Tony Blair hat den «politischen Führern» empfohlen, sich intensiver mit Religion zu befassen. Religiöse Überzeugungen könnten für das 21. Jahrhundert jene Rolle spielen, die politische Ideologien im vergangen Jahrhundert hatten, schreibt Blair in einem Beitrag für die englische Wochenzeitung «New Statesman». Deshalb sollten sich alle Politiker mit Religion beschäftigen, auch wenn sie selbst nicht gläubig seien.
Wer die Macht von Religion nicht verstehe, könne auch die moderneWelt nicht begreifen, argumentiert Blair in dem Beitrag weiter. Dies klinge vielleicht für Europa nicht einleuchtend, aber überall sonst auf der Welt sei es augenfällig. Zur Illustration verweist der frühere Premier auf Statistiken, wonach es weltweit zwei Milliarden Christen, 1,5 Milliarden Muslime, mehr als 900 Millionen Hindus, 400 Millionen Buddhisten, 24 Millionen Sikhs und 13 Millionen Juden gibt.
Der Glaube könnte aber auch zu einer rückschrittlichen Kraft werden, die spaltet statt zu verbinden. In einer Welt, in der die Grenzen von Rasse, Kultur und Identität fliessend seien, sei der religiöse Faktor zentral. Die Religion könne eine positive Rolle spielen, indem sie zu wechselseitigem Verstehen und zum Engagement für das Gemeinwohl beitrage. Allerdings könne sie auch zerstörerisch wirken, indem sie Unterschiede überbetone und Misstrauen verstärke, schreibt Blair.
In seiner Amtszeit als britischer Premier hatte es Blair, der als Student gläubig wurde, zumeist abgelehnt, zu religiösen Fragen Stellung zu nehmen. Sein Sprecher sagte damals: «Wir befassen uns nicht mit Gott.» «Mein Glaube hat immer eine wichtige Rolle für meine Politik gespielt», räumt Blair nun im «New Statesman» ein. Äusserungen darüber habe er damals allerdings zumeist vermieden, um nicht Eindruck eines Überlegenheitsgefühls zu vermitteln.
Datum: 30.03.2009
Quelle: Epd