Weiter heisst es: "In jeder Strasse gibt es jetzt Kirchen für Christen und überall Läden, in denen Schweinefleisch verkauft wird." Währenddessen werden kurz sogar Schweine eingeblendet, für Juden wie Muslime das abscheulichste, weil unreinste aller Tiere. "Sie haben Pläne, noch eine Million Ungläubige und noch mehr Schweine zu bringen, noch mehr Kirchen zu errichten." Die antichristliche Hetze richtet sich freilich wohl weniger gegen das Christentum als solches. Die unter frommen Juden vorhandenen antichristlichen Gefühle werden vielmehr instrumentalisiert, um die Einreise von noch mehr Einwanderern aus Russland zu verhindern, die nicht einwandfrei ihre Zugehörigkeit zum Judentum beweisen können. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass rund 30 Prozent der etwa 900.000 russischen Einwanderer nicht-jüdisch sind, sondern vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nach Israel kommen. Die Kritik von Schass gilt vor allem den weltlichen Parteien, die in den Augen der frommen Juden den jüdischen Charakter Israels unterwandern. Innenminister Eli Ischai, der sich ohnehin schon mit bürokratischen Mitteln bemüht, Nicht-Juden aus dem Land zu halten und zunehmend sogar die Einreise von Touristen und Pilgern erschwert, verkündet drohend: "In weniger als acht Jahren werden wir nicht mehr hier sein." Gemeint ist eine angebliche "Überfremdung" für den Fall, dass sogar Kinder jüdischer Väter als Juden anerkannt werden sollten. Gemäss dem Religionsrecht kann nur die Mutter die Zugehörigkeit zum Judentum vererben. Vor dem Hintergrund Alkohol trinkender russischer Neueinwanderer erklärt ein anderer Schass-Sprecher, in Israel sei bald mit "Antisemitismus" zu rechnen, wenn noch mehr Nicht-Juden ins Land gelassen würden. Zur Illustration wird ein Hakenkreuz mit russischer Graffiti an einer Wand gezeigt. Ein weiterer Spot der Schass-Partei wettert gegen die "verfluchten deutschen Nazis". 500 jüdische Kinder seien während des Zweiten Weltkriegs in einem katholischen Kloster in Polen versteckt worden. Als ein berühmter Rabbi kam, sie zu erlösen, hätten die Nonnen erklärt, dass da keine jüdischen Kinder seien. Der berühmte Rabbi habe daraufhin den biblischen Segensspruch "Schma Israel" (Höre Israel) gerufen, und alle jüdischen Kinder seien auf ihn zugelaufen. Die Botschaft an die jüdische Wählerschaft wird vor dem Hintergrund von Holzstichen mit Folterbildern aus der Zeit der Kreuzzüge und der Inquisition mitgeteilt: Nur der feste Glaube an die Tora habe das jüdische Volk in Zeiten der Verfolgung, sogar während des Holocaust, wach gehalten. Als stärkste religiöse Kraft profilierte sich die von der Agudat abgespaltene Schass-Partei (Abk. hebr.: Sephardische Tora-Wächter). Ihr Wählerpotential sind vorwiegend die marokkanisch-orthodoxen und auch irakisch-orthodoxen Juden. Schass kämpft für religiöse Positionen und gegen die soziale Benachteiligung orientalischer Juden. Aussenpolitisch zählt diese Partei nicht zu den Falken, obwohl sie bis 1992 ein Koalitionspartner des Likud war. Sie ist kaum in den Siedlungen der besetzten Gebiete vertreten und bevorzugt eine Friedenspolitik. Diese Haltung führte in und nach dem Wahlkampf 1992 zu einem partei-internen Dilemma. Schass stand vor der Entscheidung zwischen pragmatischer Sozialpolitik und harter Haltung gegenüber den Palästinensern, wie sie ihr Koalitionspartner Likud verfolgte. Schliesslich entschied man sich für die Friedenspolitik und trat der Koalition mit der Arbeitspartei und dem Meretz-Bündnis bei, obwohl viele Schass-Wähler diese Entscheidung ablehnten. Wegen ihrer religiösen Forderungen schwankt Schass stets zwischen Koalition und Opposition. Autor: Ulrich W. SahmAngebliche "Überfremdung"
Jüdische Kinder versteckt
Schass-Partei
Quelle: Kipa / Livenet
Datum: 13.01.2003