«Es gab Jahre, da wollte ich nichts mit Gott teilen»
Die Plätze einer Frau ändern sich im Verlauf der Jahre. Einige Plätze bleiben, andere kommen neu dazu, verändern sich, und es gibt auch Plätze, die man wieder verliert. Was waren meine Aufgaben und Plätze während des vergangenen Jahres? Ich schaue zurück auf meine Arbeit als Elterncoaching-Leiterin und als systemische Seelsorgerin, auf meinen Platz als Frau eines CEO, als Tochter und als Mutter.
Elterncoachingleiterin
Am letzten Samstag gestalteten ein Ausbildungsmitarbeiter des Elterncoachings und ich einen Weiterbildungstag mit 15 aktiven Coaches. Mein Herz ist erfüllt mit Dank über diese wertvollen und motivierten Frauen und Männer. Wir ringen als Coaches von Eltern darum, wie das Geschenk des himmlischen Pädagogen konkret in den erzieherischen Alltag heutiger Mütter und Väter und Familien kommen kann. Zum Beispiel kann ich erleben, wie Gott mich stoppt, bevor ich das Kind anschreie, oder dass er mir neues Vertrauen in das Kind oder Geduld in einer schwierigen Phase gibt. Mein Teil ist es dabei, Gott zu erlauben, mir zu Hilfe zu kommen und mit ihm mitten im Alltag verbunden zu sein. Elterncoaching begleitet die Erziehenden darin, sich selber, Gott und dem Kind zu trauen und eine situationsgerechte Lösung für alle Beteiligten mit der Hilfe Gottes zu finden.
Am Weiterbildungstag erlebten wir eine rege Diskussion über unseren Erziehungsansatz. Unser Familienverständnis bestimmt das Ziel und die Art unserer Erziehung. Wenn wir zum Beispiel das Ziel haben, unseren Kindern ein leidensfreies Leben zu ermöglichen, so werden wir ihnen alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen und ihnen damit nicht helfen, mit Schwierigkeiten zurechtzukommen. 2012 sind fünf Elterncoachingkurse in der ganzen Schweiz vorgesehen.
Als systemische Seelsorgerin
In meinem anderen Arbeitszweig beschäftige ich mich mit den Nöten von Menschen in ihren Beziehungen. In diesem Jahr habe ich immer wieder erfahren, dass Gott konkret hilft. Zum Beispiel schenkte er einer Frau Mut, sich vom Ehemann nicht mehr schlagen oder manipulieren zu lassen und ihn trotzdem nicht zu verachten. Er schenkte einem Mann in einem längeren Prozess die Würde zurück, nachdem seine Frau ihn mit seinem Freund betrogen hatte. Ich staune, wie Gott das macht, und bin motiviert, mich im 2012 weiter dafür einzusetzen. An der Beratungsstelle Rhynerhus arbeiten sieben BeraterInnen und TherapeutInnen, und es tut gut, im Austausch mit Ihnen unterwegs zu sein in dieser Aufgabe.
Als Frau eines CEO
Mein Mann ist Leiter der Nonprofit-Organisation «Stiftung Gott hilft» und führt 270 Mitarbeitende. Als die Kinder klein waren, hiess das für mich, umso mehr zu Hause zu sein und oft alleine für sie zu sorgen. Es war für mich nicht leicht, ein Ja dafür zu haben. Oft diskutierten wir über Visionen und interessante neue Projekte, doch hatte ich keinen Anteil an deren Realisierung. Als die Kinder älter wurden, konnte ich mich stärker einbringen: zum Beispiel in der Vorbereitung eines Aidswaisenprojekts in Uganda oder in der Baukommission für ein neues Hotel in Pura.
In den 18 Jahren seiner Führungsverantwortung habe ich viel gelernt für die Leitung der Beratungsstelle Rhynerhus, welche ich seit sieben Jahren innehabe. Wir haben zwar weniger Zeit für den Austausch und ich kann meinen Mann weniger unterstützen. Zugleich schätze ich es sehr, dass er mich an meinem Platz unterstützt. Wir sind uns zur gegenseitigen Stütze geworden. Ich fühle mich dadurch sehr wertgeschätzt als Frau in Verantwortung.
Als Mutter
Als Mutter von vier erwachsenen Kindern erlebte ich im 2011 den Auszug der jüngsten Tochter. Ich habe nicht damit gerechnet, dass dies so schwierig sein würde für mich. Über mehrere Monate trauerte ich, vor allem am Morgen beim Aufstehen, dass nun die Kinderphase zu Ende geht. Die Kinder kommen zu Besuch, doch es ist anders. Sie gehen nun definitiv ihre eigenen Wege, haben Freunde, studieren oder arbeiten. Die älteste Tochter hat in diesem Jahr geheiratet. Ich übe mich darin, die Kinder frei zu lassen, meine Kommentare zurückzuhalten oder höchstens noch Fragen zu stellen. Dies fällt mir gar nicht leicht! Mutter werde ich auch im 2012 bleiben, doch was das konkret heisst, muss mir Gott immer wieder neu erklären.
Als Tochter
Im letzten Jahr erlebte ich viele gute Begegnungen mit meinen Eltern, und es fanden klärende Gespräche mit ihnen statt. Versöhnt mit meiner Kindheit bin ich schon seit längerer Zeit. Ob es wohl mit dem Alter (gut 50) zu tun hat, dass man plötzlich das Bedürfnis hat, Eltern auf Vergangenes anzusprechen und Ereignisse anzuschauen? Nicht um ihnen etwas vorzuwerfen, sondern um etwas besser zu verstehen oder einzuordnen. Dies hat uns in einer neuen Tiefe verbunden, und die Liebe zueinander wächst als ein unerwartetes Geschenk!
Als Tochter des Vaters im Himmel
Ich freue mich aber auch über all die Stunden, die ich in diesem Jahr als Tochter mit meinem himmlischen Vater verbringen durfte. Vor dem Kamin, vor dem Fenster sitzend und die Vögel beobachtend, auf einer Skitour oder Wanderung… Das war nicht immer so. Es gab Jahre, da wollte ich nichts mit Gott teilen. Seither ist mir das Sein bei ihm in der Stille und der Austausch mit ihm unentbehrlich geworden.
Das wünsche ich mir auch für das Jahr 2012. Trotz der vielen Arbeit soll meine erste Priorität die Beziehung zu meinem himmlischen Vater bleiben. Das wünsche ich auch allen LeserInnen dieser Worte. Wenn Sie die Sehnsucht danach haben, dann fangen Sie an, Gott darum zu bitten, dass er dies in Ihnen vollbringt.
Die Zukunft unserer Welt ist in vielem unklar und bedrohlich. Doch ich habe mich entschlossen, dort mitzuwirken, wo mein Herz schlägt. Mit Martin Luther lade ich Sie ein, zu sagen und zu leben: «Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen.»
Zur Autorin:
Käthi Zindel-Weber leitet die Erziehungs- und Lebensberatungsstelle Rhynerhus der Stiftung Gott-hilft im Kanton Graubünden. Mit ihrem Mann Daniel ist sie Autorin von «lieben, leiten , leben» – das Buch für Paare in Verantwortung.
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Käthi Zindel-Weber/Daniel Zindel: Lieben, leiten, leben. Das Ehebuch für Führungskräfte
Datum: 26.12.2011
Autor: Käthi Zindel-Weber
Quelle: Livenet